Unbeschreiblich weiblich
Nina Hagen wurde am 11. März 70 Jahre alt. Ist von ihr die Rede, wird sie oft belächelt – weil sie mal ein Ufo gesehen haben will, oder wegen ihres Jesus-Fimmels, irgendeine Verrücktheit fällt jedem ein. Kurz: Sie wird nicht ganz ernst genommen.
Obendrein lasen sich die Gratulationsartikel wie Nachrufe. Natürlich ging es um Wolf Biermann und die DDR, wieder wurde der Selbstbefriedigungstalkshowskandal aufgewärmt, nie durfte das »Godmother of Punk«-Gewäsch fehlen. Und dann ist Hagens Tochter ja auch noch eine berühmte Schauspielerin, ihre Mutter ebenfalls. Alles so schön bunt hier.
Das Album »Nina Hagen Band« von 1978 ist eine der besten Platten, die je gemacht wurden, in Deutschland vielleicht die beste. Ein unsterbliches epochales Meisterwerk.
Was zu kurz kam und dringend festgehalten werden muss: Das Album »Nina Hagen Band« von 1978 ist eine der besten Platten, die je gemacht wurden, in Deutschland vielleicht die beste. Ein unsterbliches epochales Meisterwerk.
Nicht mal die Typen von Spliff – so nannte sich Hagens Begleitband später – konnten das verhindern, ganz im Gegenteil, dieses eine Mal war ihr vermuckter Softrock zur richtigen Zeit am richtigen Ort, bei der genialischen 23jährigen Nina Hagen nämlich, die mit Kippe im Mundwinkel feministische Superhits wie »Unbeschreiblich Weiblich« aus dem Ärmel schüttelte. Was sie mit ihrer Stimme und der deutschen Sprache anstellte, gab es weder davor noch danach.
Spliff und die Slits
Wichtiger als Spliff waren die Slits: Hagen hatte 1977 mit dieser einflussreichsten aller Girlgroups rumgehangen, als sie vom Osten aus in London gelandet und dort Zeugin der Punkexplosion geworden war. Dies führte zur Neuerfindung Nina Hagens, doch als sie dann in Westdeutschland aufschlug, war sie der ansässigen Punkszene nicht geheuer. Das mag auch musikalische Gründe gehabt haben, aber vor allem hatte der langweilige Männerhaufen wohl Angst vor ihr – wie so viele hierzulande.
In den USA kam man mit ihr etwas besser zurecht. Dort nahm sie die noch grünschnabeligen Red Hot Chili Peppers unter ihre Fittiche, später auch Dee Dee Ramone, der bekam es dann aber ebenfalls mit der Angst zu tun, weil Hagen gefährlich sei und einen Schlagring habe.
Die Pariser HipHop-Legenden NTM und der 1. FC Union Berlin
In beiden Fällen entstand hervorragende Musik – ja, so was gab’s auch nach Auflösung der Nina Hagen Band –, obgleich die Presse in der Rückschau vor allem eruiert, wer da mit wem geschlafen hat. Man kann aber Hagens Geschichte nicht anhand irgendwelcher wichtiger Männer erzählen.
Eher noch kann man die Geschichten wichtiger Männer anhand von Nina Hagen erzählen. 1989 veranlasste sie, dass die Pariser HipHop-Legenden NTM ihren ersten Auftritt im französischen Fernsehen bekamen. Und seit 1998 findet kein Heimspiel des 1. FC Union Berlin mehr ohne die Vereinshymne von Nina Hagen statt. Aber das nur nebenbei.