»Frankenstein« und andere Monster
Die englische Autorin Mary Shelley (1797–1851) wurde mit ihrem Roman »Frankenstein« berühmt. Das umfangreiche Werk aus Romanen, Erzählungen, Reiseberichten, das sie hinterließ, wurde dagegen nie so richtig wahrgenommen.
Jetzt aber liegt ihr Roman »Mathilda« erstmals in deutscher Übersetzung vor. Vollendet hat sie das Buch bereits 1819, veröffentlicht wurde es erst 1959. Warum so spät, darüber streiten sich die Gelehrten, wie der Übersetzer Stefan Weidle in seinem klugen Nachwort erläutert.
Die englische Wikipedia stellt »verbreitete Gothic-Themen wie Inzest und Selbstmord« in Aussicht.
Dass es hier um »Obsession, Empfindsamkeit und die Erhabenheit der Natur« geht, sagt der Klappentext. Die englische Wikipedia wird deutlicher und stellt »verbreitete Gothic-Themen wie Inzest und Selbstmord« in Aussicht.
Erzählt wird die Geschichte von Mathilda, eine Frau von um die 20, deren Mutter bei ihrer Geburt gestorben ist. Der Vater stürzte über diesen Verlust in dermaßen tiefe Verzweiflung, dass er seine Tochter zu einer Tante in Pflege gab und sich 16 Jahre nicht mehr blicken ließ.
Die Tante begab sich mit ihrem Schützling auf einen einsam gelegenen Landsitz in Schottland, wo Mathilda kaum Kontakt zu anderen Menschen hatte. Immer träumte sie von ihrem unbekannten Vater: Eines Tages würde er kommen und sie aus ihrer Einsamkeit befreien.
Langer, gruseliger Brief
Als er schließlich auftauchte, schienen sich alle Träume zu erfüllen. Drei wunderbare Monate verbrachten die beiden in London, dann wurde der Vater von einem Tag zum anderen abweisend, wich Mathilda aus und verweigerte jegliche Erklärung für sein Verhalten. Bis die Tochter die Wahrheit fast mit Gewalt aus ihm herausholte und sogleich wünschte, geschwiegen zu haben. Denn der Vater sah in ihr das Abbild seiner unvergessenen Gattin und hatte Gefühle entwickelt, die alles andere als väterlich waren.
Was tun – zumal in einem Roman von Mary Shelley? Das erzählt Mathilda ihrem einzigen Freund und uns in einem langen, richtig gruseligen Brief.
Mary Shelley: Mathilda. Übersetzung aus dem Englischen von Stefan Weidle. Pendragon, Bielefeld 2025, 196 Seiten, 22 Euro