Jungle+ Artikel 20.03.2025
In Mariupol eröffnet ein Museum für den Stalinisten Andrej Schdanow

Die Revanche der Idioten

Im von Russland besetzten Mariupol wurde ein Museum für den Chefideologen der Stalin-Ära, Andrej Schdanow, eröffnet, nach dem die Stadt bis 1989 benannt war. Der Stalinismus wird unter Wladimir Putin immer mehr verklärt, um den russischen Nationalismus zu befördern.

Andrej Schdanow ist gerührt. Ihn freue sehr, dass das Gedenken an seinen Großvater wiederbelebt werde, erklärt der 65jährige mit breitem Lächeln in die Kamera eines russischen Boulevardmediums. Lange sei die Erinnerung an seinen Vorfahren mit Füßen getreten worden. Darunter habe seine Familie sehr gelitten. Doch das sei nun vorbei, sagt der Rentner. Endlich triumphiere die »historische Gerechtigkeit«.

Der Grund für die Freude des Enkels, der genauso heißt wie sein Großvater: In der besetzten ukrainischen Hafenstadt Mariupol haben die russischen Besatzer Mitte Februar ein Museum für Andrej Schdanow eröffnet. Der beleibte Mann mit dem markanten schwarzen Schnauzbart zählte zu Stalins engsten Mitstreitern und war ab 1939 Mitglied im Politbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion.

Die Wiedereröffnung des Schdanow-Museums ist Teil einer Politik, die in den von Russland besetzten Gebieten sämtliche ukrainischen Spuren tilgen will.

Während des Großen Terrors in den dreißiger Jahren war er maßgeblich an der Organisation von Massenerschießungen beteiligt gewesen. Schdanow habe 176 Erschießungslisten aus dieser Zeit unterzeichnet, schrieb die unabhängige Nachrichtenplattform Meduza, er sei für den Tod von Tausenden Menschen verantwortlich. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg Schdanow zum sowjetischen Chefideologen auf und leitete als Kulturpolitiker eine Kampagne gegen zahlreiche Künstler, für die er den Begriff »Speichellecker des Westens« prägte. Die große russische Dichterin Anna Achmatowa beschimpfte er wüst als »halb Nonne, halb Hure« und warf sie 1946 zusammen mit dem Satiriker Michail Soschtschenko aus dem sowjetischen Schriftstellerverband. Schdanow stammte aus Mariupol. Von seinem Tod im Jahr 1948 bis 1989 trug die Stadt am Asowschen Meer seinen Namen.

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