20.03.2025
Wie Trump-Anhänger Antisemitis­mus verbreiten

Gravitation zum Antisemitismus

US-Präsident Donald Trump inszeniert sich als Verteidiger der Juden und Israels, gleichzeitig äußert sich bei seinen prominenten Unterstützern der Antisemitismus immer unverhüllter.

Zu den zentralen Anliegen der Regierung Donald Trumps gehört die Beendigung aller Arten von Antidiskriminierungsinitiativen. Nichts soll mehr an Rassismus, Sexismus und all die anderen -ismen erinnern. Mit einer Ausnahme: Gegen den Antisemitismus, so das Versprechen, werde man mit allen verfügbaren Mitteln vorgehen.

Das trifft vor allem den akademischen Betrieb, wo nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober zahlreiche studentische Protestaktionen die Taten der Mörder bejubelten. Als Erstes war die re­nommierte Columbia University in New York City dran. Weil sie nicht energisch genug gegen die Protestierer vorgegangen sei, wurden 400 Millionen US-Dollar Bundesförderung gestrichen. Sollte sie dem Forderungskatalog der Regierung (darunter die Beendigung der akademischen Selbstverwaltung für ausgewählte Fakultäten) nicht nachkommen, drohen weitere Mittelstreichungen.

Der jüngste Gast bei Joe Rogans Podcast, Hobbyhistoriker Darryl Cooper, ist der Ansicht, dass Winston Churchill der »Hauptbösewicht des Zweiten Weltkriegs« war.

Ein angeblicher Rädelsführer der Proteste, Mahmoud Khalil, wurde zudem in Abschiebehaft genommen, nachdem Außenminister Marco Rubio ihm die unbefristete Aufenthaltserlaubnis entzogen hatte – ein rechtlich bemerkenswerter Vorgang, da Khalil weder Straftaten noch direkte Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen zur Last gelegt werden. Dafür wurde ein jahrzehntelang kaum benutztes Gesetz von 1952 herangezogen, das der Bundesregierung erlaubt, Nichtstaatsbürger abzuschieben, wenn sie aus politischen Gründen eine Gefahr für das Land darstellen. Damals traf das vor allem angebliche Kommunisten – etwa den britischen Schauspieler Charlie Chaplin, dem mit dieser Begründung 1952 die Wiedereinreise in die USA verweigert wurde.

Der offizielle X-Account des Weißen Hauses kommentierte den Vorgang mit den Worten »Shalom, Mahmoud«. Doch wie kann es sein, dass der Schutz von Jüdinnen und Juden zum Anliegen der Maga-Bewegung avancieren konnte, wenn doch die Bewegung selber dicht am Antisemitismus gebaut hat?

Ein paar Beispiele aus jüngster Zeit: Das Pentagon ernannte eine Aktivistin namens Kingsley Wilson zur stellvertretenden Pressesprecherin, die auf Twitter die Ermordung Leo Franks, der 1915 einem antisemitischen Lynchmob zum Opfer fiel, gerechtfertigt und das Gedenken an Frank als »manipulativ« denunziert hatte.

Hitlers Vorschläge zur »vernünftigen Lösung der Judenfrage«

Die Podcaster Joe Rogan und Theo Von, deren insbesondere unter jungen Männern extrem populäre Sendungen als ein maßgeblicher Faktor für Trumps überraschend deutlichen Wahlsieg gelten, plauderten Anfang März mit ihren jeweiligen Gästen (Ian Carroll bei Rogan, Candace Owens bei Von) darüber, dass die Juden die Presse beherrschten, der Sexualverbrecher Jeffrey Epstein ein Mossad-Agent sowie Angehöriger einer »jüdischen Organisation im Auftrag Israels« gewesen sei und Israel von einer satanistischen Kabale regiert werde.

Tucker Carlson, der ehemalige Fox-News-Moderator und enge Vertraute der Trump-Söhne, dessen Einsatz für J. D. Vance den Ausschlag für dessen Nominierung als Vizepräsidenten gegeben haben soll, hatte schon im September einen Hobbyhistoriker namens Darryl Cooper als »den besten und ehrlichsten populären Historiker in den USA« gepriesen und in seinem Podcast zu Gast gehabt.

Ausgiebig konnte Cooper dort seine Thesen verbreiten – etwa, dass Winston Churchill der »Hauptbösewicht des Zweiten Weltkriegs« gewesen sei, weil dieser auf keinen von Hitlers Vorschlägen zur »vernünftigen Lösung der Judenfrage« eingegangen sei; auch sei die Ermordung von Millionen Juden nicht geplant gewesen, sondern nur ein Resultat der Tatsache, dass Nazi-Deutschland nicht auf den Krieg vorbereitet gewesen sei und die Menschen in den Lagern nicht habe versorgen können.

Überfremdungsparanoia und ihre antisemitische Fortschreibung

Vergangene Woche war Cooper dann bei Joe Rogan zu Gast, wo dieser ihm erst einmal attestierte, ganz sicher kein Antisemit zu sein, und sich dann von Cooper zweieinhalb Stunden anhörte, dass zum Beispiel Hitler das Novemberpogrom 1938 abgelehnt hätte.

Überraschen sollte das alles nicht. Die Überfremdungsparanoia, mit der die Republikaner erfolgreich Wahlkampf führten, verlangt logisch zwingend ihre antisemitische Fortschreibung. Die Horden der Dritten Welt sind, dem rassistischen Weltbild zufolge, alleine gar nicht in der Lage, eine Invasion erfolgreich zu koordinieren; es braucht schon den sinis­tren Strippenzieher im Hintergrund.

In der rechtskonservativen Propaganda übernimmt diese Rolle gewöhnlich der Mäzen und Shoah-Überlebende George Soros, dessen Name stets dann fällt, wenn es gilt, jemanden für illegale Einwanderung, aufgebrachte Wähler oder unbotmäßige Richter verantwortlich zu machen. Die Gebildeten unter den Hetzern raunen gelegentlich auch von der Frankfurter Schule, welche den ganzen zersetzenden »Kulturmarxismus« ausgeheckt habe. Manchmal aber wird man auch ein wenig deutlicher – wie im November 2023, als der inzwischen zum Schattenpräsidenten aufgestiegene Elon Musk ein Posting auf X über den »dialektischen Hass der Juden auf die Weißen« mit dem Kommentar weiterleitete, das sei die »reine Wahrheit«.

Gedankliche Ausbürgerung der US-amerikanischen Jüdinnen und Juden

Wie lange diese Gravitation zum Antisemitismus mit der Parteinahme für Israel koexistieren kann, ist unklar. Noch freilich bleibt die Agitation gegen das US-amerikanisch-israelische Bündnis auf Randfiguren der Bewegung beschränkt. Womöglich aber ergänzt sich das scheinbar Widersprüchliche auch besser, als man es auf den ersten Blick denken mag. Die Unterstützung des jüdischen Staates erlaubt zugleich die gedankliche Ausbürgerung der US-amerikanischen Jüdinnen und Juden – Trump spricht, wenn er zu Juden spricht, gerne von Netanyahu als »eurem Ministerpräsidenten« – wie auch deren Denunziation als nicht jüdisch genug.

Dass trotz seines Einsatzes für die israelische Sache gut drei Viertel der jüdischen Wahlberechtigten ihr Kreuz bei den Demokraten machen, hat ihnen schon so manchen Tadel von Seiten des Präsidenten eingebracht; und Chuck Schumer, der jüdische Fraktionsvorsitzende der Demokraten im Senat, wurde erst kürzlich von Trump als »Palästinenser« und »nicht mehr jüdisch« tituliert. Wer Nichtjude ist, so das Motto des Maga-Anführers, bestimme ich. Kurz dar­auf teilte der Antisemitismusbeauftragte der Trump-Regierung, Leo Terrell, auf X den Post eines Neonazis, in dem dieser den Vorgang höhnisch mit den Worten kommentierte, Trump könne »jemandem die Judenkarte entziehen«.

James Lindsay, einer der organischen Intellektuellen der Maga-Bewegung, schrieb bereits 2021 drohend: Dass so viele Juden »woke« seien, führe nun mal unweigerlich zu »mehr rechtem Antisemitismus«.

Auf kaum etwas sind die Konservativen erpichter als auf den Opferstolz; sie wollen nicht bloß diskriminieren, sondern sich dabei zugleich (niemand ist elender und verachteter als ein weißer heterosexueller Mann) als die wahrhaft Diskriminierten inszenieren. Nichts schöner also, als einen Vorwand zu haben, die Juden zu tadeln und sich dabei zugleich jüdischer als die Juden zu gerieren. Und weil die Erfolgsgeschichte des US-amerikanischen Judentums unauflöslich mit den Idealen des Liberalismus – Toleranz, Multikulturalismus, Einhegung der Religion zur bloßen Privatschrulle – verknüpft ist, wird sich an dieser Konstellation auf absehbare Zeit nichts ändern.

Passend also, dass der Richter, der die Abschiebung Khalils vorerst aussetzte, ein gläubiger Jude ist, der keine Verhandlungen am Shabbat führt; passend auch, dass das den üblichen Verdächtigen Gelegenheit bot, den Richter und die konservative Gemeinde, in der er aktiv ist, als gefährliche »Wokisten« zu denunzieren. Wie James Lindsay, einer der organischen Intellektuellen der Maga-Bewegung, bereits 2021 drohend schrieb: Dass so viele Juden »woke« seien, führe nun mal unweigerlich zu »mehr rechtem Antisemitismus«.