20.03.2025
Rodrigo Duterte, ehemaliger philippinischer Präsident, wurde an den Internationalen Strafgerichtshof ausgeliefert

Auf der Anklagebank

Der ehemalige Präsident der Philippinen, Rodrigo Duterte, wurde an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausgeliefert.

Als Bürgermeister von Davao herrschte Rodrigo Duterte 22 Jahre fast königsgleich und brutal. Nicht minder übermächtig und unangreifbar gab er sich, als er anschließend von 2016 bis 2022 als Präsident die Philippinen regierte. Dass er nun am 11. März von der Polizei am Hauptstadtflughafen Manilas, wo er aus Hongkong kommend einreiste, auf der Grundlage eines Internationalen Haftbefehls festgenommen und an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag überstellt wurde, kam für viele überraschend. Am Freitag vergangener Woche hatte er seine erste An­hörung in der dortigen Vorver­fahrens­kammer, bei der er über die Vorwürfe gegen ihn und über seine Rechte gemäß dem Römischen Statut informiert ­wurde.

Die Anklagevertretung am IStGH ermittelt bereits seit 2018 gegen Duterte und leitete 2021 offiziell eine Unter­suchung ein. Sie wirft ihm Verbrechen gegen die Menschheit vor im Zusammenhang mit seinem mörderischen außergerichtlichen Feldzug gegen alle, die des Drogenhandels verdächtigt wurden. Mit äußerster Brutalität und ohne erkenn­bare Hemmungen machte die Polizei unterstützt vom Militär unter Rodrigo Duterte Jagd auf alle, die auch nur vage im Verdacht standen, mit dem Drogenhandel in Verbindung zu stehen, oft auf die sozial Schwächsten, Drogenabhängige und Kleindealer, aber auch auf Bürgermeister und Abgeordnete.

Duterte werden Verbrechen gegen die Menschheit vorgeworfen, im Zusammenhang mit seinem mörderischen außergerichtlichen Feldzug gegen alle, die des Drogenhandels verdächtigt wurden.

Die Polizei hat mittlerweile rund 6.000 solcher Tötungen im Zuge ihrer damaligen Operationen eingeräumt, Menschenrechtsorganisationen zufolge gab es bis zu 30.000 Opfer. Im Haftbefehl heißt es, dass Duterte 1998 die sogenannte Todesschwadron von Davao ins Leben gerufen hat, bevor er Präsident wurde und seinen »Krieg gegen die Drogen« später zur Staatspolitik machte. Der IStGH-Chefankläger Karim Khan hatte im Antrag auf den Haftbefehl geschrieben, Dutertes mutmaßliche Verbrechen seien »Teil eines weitverbreiteten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung auf den Philippinen«.

Auf Dutertes Veranlassung zogen die Philippinen 2019 die Ratifizierung des Römischen Statuts zurück, auf dem die Einrichtung des IStGH 2002 beruht. Nach dessen Austrittsmechanismus bleibt das Gericht aber für Verbrechen zuständig, die während der Mitgliedschaft eines Staats begangen wurden. Da der IStGH Verhaftungen nicht selbst veranlassen kann und auf die Zusammenarbeit mit den jeweiligen nationalen Regierungen angewiesen ist, um Haftbefehle zu vollstrecken, ist Dutertes Verhaftung zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich auf eine Fehde zwischen zwei der einflussreichsten philippinischen Familien zurückzuführen, der Dutertes und der seines Amtsnachfolgers, Ferdinand »Bongbong« Marcos Jr.. Ohne dessen Zutun wäre es sicher nicht zur Festnahme gekommen. Bei seinem Amts­antritt 2022 hatte Marcos gesagt, er habe »keine Absicht«, dass die Philippinen die Zuständigkeit des IStGH wieder anerkennen, und den IStGH aufgefordert, die Ermittlungen einzustellen.

IStGH stuft Duterte als »indirekten Mittäter« bei Verbrechen gegen die Menschheit ein

Damals war Marcos noch verbündet mit Sara Duterte, der Tochter Rodrigo Dutertes. Sie und Marcos waren bei den Präsidentschaftswahlen 2022 als konservatives »Uniteam« zusammen angetreten. Nach ihrem Sieg zeigten sich alsbald Spannungen zwischen dem Präsidenten und der Vizepräsidentin. Zum Bruch kam es Ende 2024, nachdem Sara Duterte im Juni als Bildungsministerin zurückgetreten war. Marcos sagte nun, er sei verpflichtet, dem Ersuchen von Interpol um Ver­haftung ­Rodrigo Dutertes nachzukommen. Sara Duterte bezeichnete die Auslieferung ihres Vaters hingegen als »staatliches Kidnapping«.

Der IStGH stuft in seinen Ermittlungen Duterte als »indirekten Mittäter« bei Verbrechen gegen die Menschheit ein, weist ihm also ohne konkrete Tat­beteiligung eine Mitverantwortung für die extralegalen Tötungen zu. Dies hält die National Union of Peoples’ Lawyers (NUPL), eine Organisation von Menschenrechtsanwälten, für einen wichtigen Fortschritt, weil es zeige, »wie internationales Recht genutzt werden kann, staatliche Amtsträger selbst dann zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie Posten innehaben, die sie nicht in direkten Kontakt mit den zugrunde liegenden Taten, den tatsächlichen Morden, bringen«.

»Geistig voll bei Bewusstsein und fit«

Zufrieden äußerte sich auch Khan: »Für die Opfer bedeutet es viel.« Das Beispiel zeige, was möglich sei, wenn die notwendige Zusammenarbeit funktioniere. »Viele sagen ja, das internationale Recht ist nicht so stark, wie wir wollen, und ich stimme dem zu. Aber wie ich wiederholt gesagt habe, ist internationales Recht auch nicht so schwach, wie einige meinen«, zitierte der Philippine Daily Inquirer Khan.

Dem Nachrichtenportal Rappler der philippinischen Journalistin und Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa zufolge sei nach Dutertes Landung im Flughafen von Manila ein Justizvertreter an ihn herangetreten, um ihn über den Haftbefehl des IStGH zu informieren. Dann habe Generalstaatsanwalt Richard Fadullon höchstpersönlich Duterte seine Rechte ver­lesen. Fadullon hatte dieses Amt schon geschäftsführend unter Duterte inne.

Dutertes Verteidiger Salvador Medialdea behauptete bei der Anhörung, der Fall sei eine »politische Abrechnung« und sein Mandant leide unter medizinischen Problemen, die seine Fähigkeit zur Aussage beeinträchtigten. Eine ärztliche Untersuchung bei Dutertes Ankunft in Den Haag am 12. März hatte dem 79jährigen jedoch bescheinigt, »geistig voll bei Bewusstsein und fit« zu sein. Für den 23. September ist eine Anhörung zur Bestätigung der Anklage angesetzt.