13.03.2025
In der Linkspartei herrschen realitätsfremder Pazifismus und Antiimperialismus

Der Feind steht immer im Westen

Die Linkspartei drückt sich immer noch darum, aus der russischen Aggression gegen die Ukraine die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Denn Teile der Partei sympathisieren mit den außenpolitischen Positionen eines Donald Trump.

Man würde sich ja gerne darüber freuen, dass es die Linkspartei wider Erwarten doch noch in den nächsten Bundestag geschafft hat. Mit fast neun Prozent der Zweitstimmen sogar, und sechs Direktmandaten. Man würde sich gerne darüber freuen, weil die Rechtsentwicklung inzwischen alle größeren Parteien erfasst hat, die Positionen von CDU/CSU in vielem kaum noch von denen der AfD zu unterscheiden sind und auch SPD wie Grüne ihr beim Thema Migration nach dem Maul reden. Gegen dieses von der AfD dirigierte Konsenskonzert der Menschenverachtung braucht es schließlich linken Einspruch im Parlament, um wenigstens die Erinnerung zu bewahren, dass andere Positionen denkbar sind. Doch es will keine Freude aufkommen.

Sicher, Heidi Reichinnek hat als Spitzenkandidatin der Linkspartei eine fulminante antifaschistische Rede ­gehalten, als Friedrich Merz seinen sogenannten Fünf-Punkte-Plan »für sichere Grenzen und das Ende der illegale Migration« mit den Stimmen der AfD durch den Bundestag peitschte. Mit beeindruckender Verve setzte Reichinnek diesem Antrag ihre Forderung nach Solidarität und »Menschenrechten für alle« entgegen. Schade nur, dass ihre Partei derlei wohltönende Ansprüche nur im innenpolitischen Kontext erhebt, wo sie weiterhin versucht, das weite Feld staatlicher Daseinsvorsorge und sozialer Verantwortung zu besetzen, das von den einst dafür zuständigen Sozialdemokraten schon vor Jahrzehnten geräumt wurde.

Ein wesentliches Kennzeichen dieses Antiimperialismus ist die Idee, dass hinter jeder Entwicklung auf internationaler Ebene ein perfider geostrategischer Geheimplan steckt, der von hiesigen Medien in geistiger Mittäterschaft bewusst kaschiert wird. 

Außenpolitisch hingegen hält man lieber an ideologischen Konstrukten aus dem Kalten Krieg fest. Da ist zum einen jener hilflose Pazifismus, wie ihn der Parteivorsitzende Jan van Aken gerne zum Besten gibt, wenn er in Interviews zwar die russische Aggression verdammt, aber Waffenhilfe für die Ukraine dennoch ablehnt und Wladimir Putins Verbündeten Xi Jinping zum potentiellen Stifter eines »gerechten Friedens« verklärt. Zum anderen ist da ein nie überwundener Antiimperialismus, der selbst dem allergrundlegendsten Verständnis der sich derzeit rapide verändernden Weltlage so un­erschütterlich im Weg steht, dass die Interpretationen der Ereignisse der jüngeren und jüngsten Vergangenheit fast zwangsläufig in die Irre gehen müssen.

Ein wesentliches Kennzeichen dieses Antiimperialismus ist die Idee, dass hinter jeder Entwicklung auf internationaler Ebene ein perfider geostrategischer Geheimplan steckt, der von hiesigen Medien in geistiger Mittäterschaft bewusst kaschiert wird. Urheber und Nutznießer aller so geförderten Konflikte sind dabei nie China oder Russland, sondern immer die USA, die Nato, »der Westen«.

Linker Antiimperialismus, rechte Verschwörungsmythen, Flat-earth-Nonsens

Liegt man mit diesem verstellten Blick mal ganz offensichtlich und unleugbar daneben, wie etwa im Falle von Putins Invasion der Ukraine, die man bis zum Tag des Einmarschs für ein von westlicher Propaganda kreiertes Hirngespinst hielt, wechselt man einfach auf die nächsttiefere Verschwörungsebene, der zufolge Putin von der Nato zu diesem Schritt gezwungen wurde.

Unterschlagen wird dabei, wie sehr sich vor allem Deutschland und Frankreich stets gegen den Beitritt postsowjetischer Staaten zur Nato gesträubt hatten, so dass ein Beitritt der Ukraine zuletzt gar nicht mehr zur Debatte stand. Und ja, Verschwörung – der Begriff ist bewusst gewählt. Denn strukturell unterscheiden sich die Phantome des linken Antiimperialismus kaum von rechten Verschwörungsmythen oder Flat-earth-Nonsens. Immer gibt es eine »Lügenpresse«, die im Auftrag finsterer globalistischer Mächte (die man sich gerne auch als antisemitische Stürmer-Karikatur vorstellen darf) »das Volk« manipuliert. Immer steht der Feind im Westen.

Was Linke wie Rechte hingegen ungern tun, ist, bestimmte autoritäre Regime offensiv zu kritisieren. Ganz egal, wie brutal die mit ihrer eigenen Bevölkerung umgehen, schuld an allen globalen Fehlentwicklungen sind ­immer jene liberalen Demokratien, in denen Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit zumindest als Grundwerte postuliert werden.

China und Russland werden kaum kritisiert 

Denn genau wie viele Rechtsextreme stellt die antiimperialistische Linke das »Selbstbestimmungsrecht der Völker« (und damit den Herrschaftsanspruch noch des blutrünstigsten Diktators) grundsätzlich über die allgemeinen Menschenrechte, die sich »der Westen« doch eh nur ausgedacht hat, um damit ­seine Kriege zu begründen. Den wesentlichen Unterschied zwischen links und rechts markiert allein das Verhältnis zum Kapitalismus. Die moderne Rechte hat mit dem meist kein Problem, die Linke schon eher, jedenfalls wenn er in demokratischer Form auftritt. Dass etwa China und Russland, obschon selber integrale Teile der kapitalistischen Weltordnung, kaum kritisiert werden, legt den Verdacht nahe, dass die deutsche Linke mit dem Kapitalismus an sich weniger Schwierigkeiten hat als mit der liberalen Demokratie.

Heidi Reichinnek und ihre gern wolkig über »demokratischen Sozialismus« schwadronierenden Kollegen im Vorstand der Linkspartei würden all das sicherlich bestreiten. Und doch sind sie offensichtlich nicht in der Lage (oder willens?), ihre Forderungen nach Solidarität und Menschenrechten für alle in eine zeitgemäße Außen­politik zu übersetzen. Es ist schließlich ein schwer zu leugnender Fakt, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland verlieren wird, wenn die Waffenlieferungen ausbleiben. Und dass die USA inzwischen von einer Gruppe rechts­libertärer und putinfreundlicher Hasardeure regiert werden, die gerade innenpolitisch in rasender Geschwindigkeit alles abzuschaffen versuchen, was das Land noch als demokratische Republik qualifiziert, während sie ­zugleich versuchen, selbige Entwicklung auch in Europa zu fördern, ist ebenfalls schwer zu übersehen.

Trotzdem spricht der Beschluss des Parteivorstands vom 1. März, in dem dieser ankündigt, einer Aufhebung der absurden deutschen Schuldenbremse im Bundestag zustimmen zu wollen, nur von finanzieller ziviler Unterstützung der Ukraine und einer illusionären »diplomatischen Initiative mit China und anderen Brics-Staaten«. Hat die Linkspartei von der sich höchst bedrohlich entwickelnden Weltlage und Europas prekärer Situation darin etwa noch gar nichts mitbekommen? War man im Wahlkampf einfach zu sehr auf Innenpolitik konzentriert, wird aber demnächst noch aufwachen? Unwahrscheinlich.

Die nächste Volte hinein ins antiim­perialistische Wunderland alternativer Fakten

So wie die Parteiführung ­alles tat, um Sahra Wagenknecht von ihrem Austritt abzuhalten, und sich 2022 daran beteiligte, innenpolitische Sozialthemen gegen außenpolitische Solidarität mit der angegriffenen Ukraine auszuspielen, versucht sie sich noch immer darin, gewisse Konfliktthemen einfach nicht zu entscheiden. Denn längst nicht alle verbohrten Antiimperialisten und Putinisten haben die Linkspartei gen BSW verlassen. Und will man nicht doch noch in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, scheint es der Parteiführung, muss man den »gärigen Haufen« (wie Alexander Gauland mal über seine AfD sagte) eben ­irgendwie zusammenhalten.

In den sozialen Medien zeigt sich deutlich, dass viele Mitglieder und Sympathisanten der Partei längst die nächste Volte tief hinein ins antiim­perialistische Wunderland alternativer Fakten vollzogen haben: Hier sind nämlich die USA plötzlich gar nicht mehr der ewige Feind, im Gegenteil. Wirklich böse sei demnach nur das liberale ­demokratische Establishment gewesen, das mit seinem aggressiven Werte-­Gedöns unter den Präsidenten Barack Obama und Joe Biden Russland zum Krieg gedrängt habe und dafür jetzt völlig zu Recht von Donald Trump zum Teufel gejagt werde.

Entsprechend ­begeistert fiel auch die Social-Media-Häme aus, als Trump und sein Vize J. D. Vance kürzlich den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus öffentlich abkanzelten. Der Unterschied zwischen Beiträgen, deren Verfasser dem Umfeld der Linkspartei zuzuordnen sind, und solchen von AfD- oder BSW-Anhängern war oftmals einzig daran auszumachen, dass Erstere gerne behaupten, sie sprächen damit auch im Namen der »zwangs­rekrutierten ukrainischen Arbeiterklasse« (Ingar Solty, Rosa-Luxemburg-Stiftung), der es unter einem von ­Putin in ihrem Land errichteten Terrorregime sicher bedeutend besser er­gehen würde als unter dem demokratisch gewählten Präsidenten Selenskyj.

Auf die Solidarität der Linkspartei dürfen Ukrainer wohl erst wieder hoffen, wenn sie nach einem Sieg Putins als Flüchtlinge ins Land kommen und so zum innen­politischen Thema werden.

Was nun die Solidarität der Linkspartei und ihre Forderung nach Menschenrechten für alle betrifft: Darauf dürfen Ukrainer wohl erst wieder hoffen, wenn sie nach einem Sieg Putins als Flüchtlinge ins Land kommen und so zum innenpolitischen Thema werden. Ob ihnen diese Solidarität dann allerdings hilft, ist eine andere Frage. Das hängt davon ab, ob es der EU doch noch gelingt, ihre rechtsstaatliche Verfasstheit zu bewahren, oder ob es ihre Mitgliedstaaten nach US-ameri­kanischen Vorbild nach einer rechts­libertären Faschismusvariante gelüstet, die sich innen- wie außenpolitisch allein am Recht des Stärkeren orientiert.

Putin, Trump und die AfD sind sich in diesem Ansinnen einig. Was sich indes die Linkspartei oder auch die deutsche Linke insgesamt von impe­rialen Autokraten, rechtslibertären Machtmenschen und ihrem Gefolge erhoffen, bleibt ihr Geheimnis.