Homestory #08/2025
»Talent borrows, genius steals«, sangen Tocotronic vor zehn Jahren in Anspielung auf einen Ausspruch Oscars Wildes. Zitate, Plagiate, Notate, aus gegebenem Anlass geht es hier um notwendige Appropriationen und den Schrecken des Fußnotenapparats.
Im Zeitungswesen herrschen ja vergleichsweise lockere Sitten, was den Umgang mit fremdem Wissen und Ideen angeht. Hat man sich nach dem Studium von der Universität in den Journalismus gerettet, ist man dem fummeligen Fußnotensetzen erst mal entkommen. Quellenangaben und Anmerkungen packt man direkt in den laufenden Text – und gut ist!
Vorwürfe eines Plagiatjägers, Vizekanzler Robert Habeck habe in grauer Vorzeit in seiner Doktorarbeit gegen die gute wissenschaftliche Praxis verstoßen, sind unbegründet. Die Universität Hamburg jedenfalls prüfte und winkte ab.
Gut ist gilt nun auch für die Dissertation von Robert Habeck. Vorwürfe eines Plagiatjägers, der Vizekanzler habe in grauer Vorzeit in seiner Doktorarbeit gegen die gute wissenschaftliche Praxis verstoßen, sind unbegründet. Die Universität Hamburg jedenfalls prüfte und winkte ab.
Habeck soll aber bei Gelegenheit einige beanstandete Stellen – es geht dabei um Sekundärzitate, Zitate also, die er nicht dem Originalwerk, sondern der nicht genannten Sekundärliteratur entnommen hat – nachbessern. Am Sinn dieser wissenschaftlichen Zitierregeln zweifelt niemand, am Sinn bezahlter Fußnotenschnüffelei schon.
Die Freiheit des Zitierens im Journalismus
»Haha, ich wusste nicht mal, dass er ’nen Doktor hat«, meint ein Kollege zu dem auf X geposteten Video, in dem der Vizekanzler die Vorwürfe gegen ihn öffentlich machte. Jetzt aber schon. Auch der eingängige Titel ist in aller Munde: »Die Natur der Literatur«. Untertitel: »Zur gattungstheoretischen Begründung literarischer Ästhetizität«. Eine Leseprobe gibt’s im Netz. In komplizierten Sätzen geht es um die unterschiedlichen Darstellungsmuster in der Literatur (vor allem bei Hölderlin) und in den Neuen Medien.
Apropos vergleichende Betrachtungen: In der Kunst, im Pop wird das Plagiieren nicht so eng gesehen. »Es gibt für mich keine Zitate«, meinte Ingeborg Bachmann, sondern nur Sätze, »die ich selbst gerne geschrieben hätte«. Die meisten Journalisten und Journalistinnen kennen das Gefühl. Aber Stopp! Die Freiheit des Zitierens ist im Journalismus eben nicht grenzenlos. Vier eiserne Sonderregeln hat die Jungle World: 1. Nicht mehr als drei Adorno-Zitate pro Ausgabe. 2. Mindestens ein Marx-Zitat pro Monat, 3. Keine Zitate aus unseriösen Quellen. 4. Und absolut keine Zitate aus dem Focus.