Mediale Krise
Der Investor Elon Musk, der als reichster Mensch der Welt gilt, hat mit der von ihm geleiteten, von US-Präsident Donald Trump neu installierten Behörde für Regierungseffizienz (Department of Government Efficiency, kurz Doge) für mächtig Aufsehen gesorgt. Als eine ihrer ersten Handlungen hat Doge Pläne zur Abwicklung der unabhängigen US-Behörde für Entwicklungshilfe (USAID) erstellt. USAID besteht seit 1961 und nahm unter Aufsicht des US-Außenministeriums bislang eine wichtige Rolle in der US-Außenpolitik ein; die Behörde betrieb in mehreren Weltregionen Programme zur Demokratisierung, aber auch zur Privatisierung.
Auf Basis der Pläne aus dem Hause Musk ließ Trumps neue Regierung ab dem 24. Januar für zunächst 90 Tage den Großteil der Mittel von USAID einfrieren. Nur knapp 300 Mitarbeitende von insgesamt 10.000 sollten demnach weiterhin ihre Arbeit verrichten dürfen. Am Freitag blockierte ein US-Gericht zunächst bis zum 14. Februar die Entlassung von über 2.000 Mitarbeiter:innen in den USA und den Abzug von Mitarbeiter:innen aus dem Ausland.
USAID-Gelder gingen auch an Organisationen,die in der Ukraine, Russland und Belarus aktiv waren beziehungsweise sind.
USAID-Gelder gingen auch an Organisationen, die in der Ukraine, Russland und Belarus aktiv waren beziehungsweise sind. Allein seit Beginn der russischen Vollinvasion beliefen sich die Mittel für die Unterstützung ziviler und staatlicher Einrichtungen in der Ukraine auf über 30 Milliarden US-Dollar. Neben humanitärer und medizinischer Hilfe wie Impfkampagnen und Programmen für HIV-Infizierte waren Mittel zum Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur vorgesehen. Zudem finanzierte die US-Behörde kulturelle Veranstaltungen und Förderprogramme, beispielsweise für junge Künstler:innen, sowie internationale Initiativen, die ukrainische Behörden bei der Untersuchung möglicher russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine unterstützen.
Besonders gravierend dürfte sich der plötzliche Wegfall von Fördermitteln auf zahlreiche nichtstaatliche ukrainische Medien auswirken. Einige deckten Angaben verschiedener ukrainischer Medienschaffender zufolge bis zu 80 Prozent ihrer Ausgaben mit US-amerikanischen Geldern; die von dem im Jahr 2000 ermordeten ukrainischen Journalisten Heorhij Gongadse gegründete mehrsprachige Online-Zeitung Ukrajinska Prawda bestreitet rund zehn Prozent der Redaktionskosten über USAID.
Wikileaks zufolge hängen 90 Prozent der ukrainischen Medien von der Finanzierung durch USAID ab
In der vergangenen Woche hatte Wikileaks auf X Dokumente veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass über 6.200 Journalist:innen bei 707 verschiedenen Medien und 279 nichtstaatlichen Medienprojekten in der Ukraine aus USAID-Mitteln bezahlt wurden. Den Angaben von Wikileaks zufolge sind es sogar 90 Prozent der ukrainischen Medien, die von der Finanzierung durch USAID abhängen.
Nicht viel besser steht es um etliche russische Exilmedien. In gewisser Weise führt die neue US-Regierung weiter, was der russische Staatsapparat vor Jahren mit der Kriminalisierung und Verdrängung oppositioneller Medien aus Russland begonnen hatte.
Die Reaktionen der exilrussischen Oppositionellen darauf fallen gemischt aus. Während der im brasilianischen Exil lebende rechtslibertäre Oppositionspolitiker Michail Swetow regelrecht frohlockte – schließlich lieferten die aus den USA finanzierten ukrainischen Medien ihm zufolge ohnehin nur reine Propaganda –, schlugen andere Alarm. Andrej Piwowarow war Geschäftsführer der von Michail Chodorkowskij gegründeten Organisation Offenes Russland, bis diese 2021 aufgelöst wurde, und saß drei Jahre in russischer Haft, bevor er im August vergangenen Jahres im Rahmen eines großangelegten Gefangenenaustauschs freikam.
Aufenthaltstitel russischer Exilant:innen stehen in Frage
Nun erläuterte er in einem Kommentar für die inzwischen in Amsterdam ansässige Online-Zeitung Moscow Times einige absehbare Folgen der Kürzungen. Er gab zu bedenken, dass in vielen Fällen Aufenthaltstitel russischer Exilant:innen an ihre Arbeitsverträge gebunden seien. Der abrupte Wegfall ihrer Lebensgrundlage stelle deshalb auch ihren weiteren Verbleib an ihren derzeitigen Lebensorten in Frage. Asylanträge zu stellen, helfe den betroffenen Medienschaffenden wenig, da der Flüchtlingsstatus mit vielen Einschränkungen verbunden sei. Aber längerfristig, so Piwowarow optimistisch, werde sich sicherlich alles wieder stabilisieren; alle Programme abzuschalten, könne auch Trump sich nicht leisten.
Medienprojekte mit einem diversifizierten oder spendenbasierten Finanzkonzept sind derzeit in einer etwas besseren Lage. Um Aufmerksamkeit und Spenden müssen sie dabei selbstverständlich genauso buhlen wie andere um Förderanträge. Und diese Projekte arbeiten oftmals unter extrem prekären Bedingungen.
Auf die Nachricht von den Kürzungsplänen der Regierung Trump kündigten Chodorkowskij und der in Israel lebende russische Geschäftsmann Boris Simin, der als Sponsor zahlreicher oppositioneller Initiativen bekannt ist, an, einen Teil der bereits bewilligten, aber noch nicht ausgezahlten Gelder für russische und ukrainische Projekte zu übernehmen. Zunächst sagten sie dies allerdings nur für 90 Tage zu. Für ihren spontan eingerichteten Hilfsfonds stellen sie 500.000 beziehungsweise 100.000 US-Dollar aus ihrem Vermögen bereit.
Vermehrte Kontrolle von Inhalte
Simin begründet das damit, dass er insbesondere den Beitrag russischer investigativer Exilmedien, aber auch Menschenrechtsarbeit und Think Tanks als Teil politischer oppositioneller Tätigkeit für existentiell erachte und nicht gefährdet sehen wolle. Außerdem sei ihm daran gelegen, Bildungs- und Menschenrechtsprojekte in der Ukraine zu unterstützen, darunter auch Projekte für Opfer häuslicher Gewalt.
Kritiker:innen monierten, dass es durch finanzielle Macht zu vermehrter Kontrolle von Inhalten kommen könne; ihnen entgegnete Simin, dass nicht er, sondern ein eigens einberufenes siebenköpfiges Gremium über eingehende Anträge entscheide. Er wies zugleich darauf hin, dass er nur eine Übergangslösung anbieten könne, auf keinen Fall sei der Hilfsfonds in der Lage, USAID zu ersetzen.
Der in den USA lebende russische Ökonom Wladislaw Inosemzew kritisierte die Medienarbeit russischer Oppositioneller im Ausland grundsätzlich, diese hätte keinerlei Einfluss auf die Geschehnisse in Russland.
Der in den USA lebende russische Ökonom Wladislaw Inosemzew kritisierte die Medienarbeit russischer Oppositioneller im Ausland grundsätzlich, diese hätte keinerlei Einfluss auf die Geschehnisse in Russland. Wenn schon Geld ausgegeben würde, dann besser für die gesellschaftliche Integration der nach Kriegsbeginn und wegen politischer Verfolgung aus Russland Emigrierten in die Länder, in die sie geflohen sind.
Diese grundsätzliche Ablehnung von Oppositionsarbeit, die auf Spenden oder Fördergelder angewiesen ist, teilt der im litauischen Exil lebende ehemalige Menschenrechtsanwalt Michail Benjasch. »Ich halte nichts von professionellem Aktivismus«, sagte er auf Telegram – er werde als Sanitärtechniker nun jedenfalls weitaus besser bezahlt als zuvor von Menschenrechtsorganisationen.