30.01.2025
Der Horror des Wahlkampfes

Homestory #05/2025

Beim Philosophieren über die schlimmsten Wahlplakate fragt sich die Redaktion nicht nur: Verlindnert Habeck jetzt? Sondern sogar: Verlindnern wir jetzt etwa auch?

Vor den Folgen des unbedachten Öffnens der Wohnungstür haben schon viele gewarnt. Etwa 1980 die Band Abwärts: »Montag klopft es an die Tür/ Und Arafat steht neben dir.«

Im selben Jahr lehrte John Carpenter mit dem Film »The Fog«, dass man sich zumindest vergewissern sollte, ob da nicht womöglich ein Untoter steht – und die sind ja immer schwerer von den vermeintlich Lebenden zu unterscheiden.

Auch in weniger dramatischen Fällen war das Öffnen der Tür früher ein Glücksspiel. »Hallo, ich kam gerade hier vorbei. Oh, ihr seid beim Essen. Bleib ruhig sitzen, ich weiß, wo die Teller stehen« – so konnte es kommen.

Ein Redakteur entkam nur knapp dem Gespräch mit Ferat Koçak (Linkspartei), der vor seiner Wohnungstür herumschlich.

Aber auch: »Hallo, ich war gerade in der Nähe. Hab ein paar Bier und was zum Kiffen mitgebracht.« Doch die Zeiten, in denen Freund:innen überraschend zu Besuch kamen, sind vorbei. Heutzutage klingeln unangemeldet nur noch Paketbot:innen, Zeugen Jehovas – und derzeit Wahlkämpfer:innen.

Wenn also der Wahlkämpfer zweimal klingelt, gilt es, Ruhe zu bewahren und die Tür nicht zu öffnen. So entkam ein Redakteur knapp dem Gespräch mit Ferat Koçak (Linkspartei), der vor seiner Wohnungstür herumschlich.

Nicht allen Zumutungen des Wahlkampfs kann man so leicht entgehen, schließlich sind die riesigen Wahlplakate kaum zu übersehen. Welches ist das Schlimmste? Die Ansichten in der Redak­tion Ihrer Lieblingszeitung sind geteilt.

Es wird gegrübelt: »Schwierige Frage. Die Linkspartei läuft da bei mir außer Konkurrenz, denn die ist ja seit eh und je dafür bekannt, die hässlichsten Plakate mit den dümmsten Sprüchen diesseits der AfD aufzuhängen.«

Ein Urteil lautet: »›Alles lässt sich ändern‹ von der FDP ist gruselig, eigentlich eine offene Drohung.« Oder gebührt der Preis doch dem überlebensgroßen Robert Habeck und seiner »Zuversicht« in Kombination mit »Ein Mensch. Ein Wort«? Die Text-Bild-Schere ist bemerkenswert, denn zuversichtlich sieht er wirklich nicht aus, und rasiert hat er sich auch nicht. Verlindnert er?

Volt lässt Lindner als zögerlichen Bedenkenträger dastehen

Bei den Außenseitern treten noch die Plakate von Klasse gegen Klasse (»mehr wie ein Stoppschild«) in ernsthafte Konkurrenz mit denen der großen Parteien, während Volt mit dem Slogan »Holen wir uns die Zukunft zurück« Ambitionen zeigt, die Christian Lindner als zögerlichen Bedenkenträger dastehen lassen.

Die Aufhebung der für uns Primat:innen bislang verbindlichen linearen Zeit, damit man eine Zukunft heranschaffen kann – das ist mal ein mutiger und innovativer Vorschlag. Aber kriegen die das hin? Und wenn wir uns einfach so die Zukunft für unsere Gegenwartszwecke aneignen und sie verbrauchen, bevor sie da ist: Ist das nachhaltig? Fragen über Fragen.

Nun aber heißt es in der Schlussproduktion: »Alles geben. Auch für deinen Job.« Ups, das war ja ein FDP-Slogan. Verlindnern wir jetzt auch? Nein, sicher nicht, da sind wir vollkommen zuversichtlich.