16.01.2025
Die abtrünnige moldauische Region Transnistrien erhält keine Gaslieferungen aus Russland mehr

Winter ohne Heizung

Das abtrünnige moldauische Gebiet Transnistrien orientiert sich an Russland, erhält aber seit Anfang des Jahres keine Gaslieferungen mehr von dort. Hunderttausenden von Menschen mangelt es an Gas und Strom.

Die Republik Moldau und vor allem die abtrünnige Region Transnistrien im Osten, am linken Ufer des Dnister und der Grenze zur Ukraine, befinden sich seit Jahresbeginn in einer Energiekrise. Der russische Energiekonzern Gazprom hat seine Erdgaslieferungen zum 1. Januar eingestellt. Zum Jahresende 2024 war ein Transitabkommen der Ukraine mit Gazprom ausgelaufen war, das die Ukraine nicht verlängert hat. Diesen Schritt hatte das Land zuvor mehrfach angekündigt. Das moldauische Parlament hatte deshalb bereits am 16. Dezember 2024 einen 60tägigen landesweiten Ausnahmezustand im Energiesektor ausgerufen.

Gazprom wiederum hatte am 28. Dezember angekündigt, die Gaslieferungen nach Moldau zum Jahreswechsel einzustellen, begründete das jedoch nicht mit dem auslaufenden Abkommen, sondern damit, dass der größte moldauische Energiekonzern Moldovagaz seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem bestehenden Vertrag nicht nachkomme. Gazprom hält selbst eine Mehrheitsbeteiligung an Moldovagaz. Gemäß dem bis Oktober 2026 gültigen Vertrag müsste Gazprom eigentlich Gas nach Moldau liefern. Zur Route durch die Ukraine gäbe es auch eine Alternative: Gas könnte durch die Türkei, Bulgarien und Rumänien nach Moldau geliefert werden.

Das prorussische Transnistrien hatte sich nach einem kurzen Krieg 1992 infolge des Zerfalls der Sowjetunion von Moldau abgespalten. Nach wie vor sind dort etwa 1.500 russische Soldaten stationiert.

Moldau hat sich bereits vor zwei Jahren von Direktimporten russischen Gases losgesagt, um seine Abhängigkeit zu verringern, und auf dem europäischen Markt Gas eingekauft. Das russische Gas ging seitdem ausschließlich an Transnistrien. Allerdings bezog Moldau weiterhin einen Großteil seines Stroms vom in Transnistrien gelegenen, ehemals sowjetischen Kraftwerk Cuciurgan (auch bekannt unter dem russischen Namen Kutschurgan), das mit russischem Gas betrieben wurde.

Das prorussische Transnistrien hatte sich nach einem kurzen Krieg 1992 infolge des Zerfalls der Sowjetunion von Moldau abgespalten. Nach wie vor sind dort etwa 1.500 russische Soldaten stationiert, als zweite Staatsflagge dient die russische Trikolore. Transnistrien wird jedoch nicht einmal von der Russischen Föderation als Staat anerkannt. Für die russischen Gaslieferungen zahlte Transnis­trien nicht, was Russland bislang hinnahm, um seinen Einfluss dort zu sichern.

Am 1. Januar wurde in den Städten Transnistriens die Versorgung mit Fernwärme und Warmwasser abgestellt, das gespeicherte Gas darf nur noch für die Zubereitung von Nahrung verwendet werden – es reicht Angaben der transnistrischen Regierung zufolge noch bis Ende Januar. Das Kraftwerk Cuciurgan wurde zwar auf Kohle umgestellt, deren Vorrat bis Mitte Februar reichen soll, dabei wird jedoch deutlich weniger Energie gewonnen als im Gasbetrieb. Seit dem 3. Januar kommt es deshalb zu Stromabschaltungen. Fabriken stehen still und Bildungseinrichtungen sind in den Fernunterricht gewechselt.

Russland will Annäherung Moldaus an die EU verhindern

Seit Anfang Januar kauft Moldau des Großteil seines Stroms in Rumänien. Im Sommer dieses Jahres stehen in Moldau Parlamentswahlen an. Bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Herbst hatte die bisherige EU-freundliche Präsidentin Maia Sandu sich gegen die kremlnahen Kandidaten durchgesetzt. Auch ein Referendum darüber, den EU-Beitritt als Staatsziel in der Verfassung festzuschreiben, war im Oktober erfolgreich, wenn auch nur knapp. Russland hatte die Wahl und das Referendum sowohl mit Desinformation als auch mit direkter finanzieller Unterstützung ihm ergebener Aktivisten und Politiker beeinflusst, um eine Annäherung Moldaus an die EU zu verhindern.

In diesem Zusammenhang sieht die moldauische Regierung die derzeitige Gaskrise. Ministerpräsident Dorin Recean sprach von »Gaserpressung durch den Kreml«; Russland versuche, Moldau zu destabilisieren. Der ukrainische Journalist Serhij Sydorenko schrieb in einem Artikel der Online-Zeitung Jewropejska Prawda am 7. Januar, er halte es für wahrscheinlich, dass Russland die Gaslieferungen an Transnistrien bald teilweise wiederaufnehmen, dies aber als Errungenschaft eines kremlnahen Politikers darstellen werde: »Das Ziel des Kremls ist es, die derzeitige proeuropäische Regierung der Republik Moldau durch eine prorussische zu ersetzen und Transnistrien unter Bedingungen wieder in die Republik Moldau zu integrieren, die eine erneute Hinwendung des Landes zum Westen unmöglich machen.«

Kurzsichtige Politik der Regierung Moldaus

Eugen Muravschi vom moldauischen Think Tank Watchdog kritisierte auf Anfrage der Jungle World die kurzsichtige Politik der Regierung Moldaus. Sie kommuniziere kaum die Idee, dass derzeit eine Chance für eine Wiedereingliederung Transnistriens bestehe. Das erwecke den Eindruck, sie wolle, »dass diese besondere Energiekrise so schnell wie möglich vorbei ist, auch wenn dies bedeutet, dass Russland die Kontrolle in Transnistrien wiedererlangt«.

Obwohl Gazprom die Gaslieferungen jederzeit wiederaufnehmen könnte, versuchen Russland und Transnistrien, Moldau als alleinigen Schuldigen an der Krise und deren Nutznießer darzustellen. So sagte der transnistrische Präsident Wadim Krasnoselskij am 8. Januar, Transnistrien werde nicht auf die Knie fallen und um Beitritt zu Moldau betteln.

Auch die Slowakei und Ungarn, zwei EU-Staaten mit kremlnahen Regierungen, sind von der Einstellung der russischen Gaslieferungen durch die Ukraine betroffen. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico drohte, als Vergeltung die Notstromversorgung der Ukraine einzustellen, die Hilfe für ukrainische Geflüchtete zu kürzen oder das Vetorecht in der EU zu gebrauchen, um zukünftig Hilfe für die Ukraine zu verhindern.