16.01.2025
Was sich Donald Trump und Elon Musk vom Rechtspopulismus in Europa versprechen

Destabilisierung per Smartphone

Elon Musk und andere im Umfeld Donald Trumps wollen über soziale Medien rechtspopulistische Kräfte in der EU stärken. Dass das dort vor allem zu instabilen politischen Verhältnissen führt, ist das strategische Ziel.

Bibelkenner wissen es: Am Anfang war das Wort. Dann schuf erst Gott die Welt und schließlich Axel Springer Die Welt (also die Zeitung), auf dass in dieser rechtzeitig zu Weihnachten 2024 wieder einmal das Wort verkündet werden solle. Ein mutmaßlich KI-generierter Text aus 626 Wörtern, als dessen Autor ein in Südafrika geborener US-amerikanischer Multimilliardär zeichnete, dessen finanzielle und inzwischen auch politische Macht ihn zunehmend gottgleich erscheinen lässt. Jedenfalls ihm selbst. Und also sprach beziehungsweise schrieb er von seinem Thron herab, dass Deutschland lange genug die Fron der Demokratie erduldet habe und die Wähler nach 80jähriger Entsagung dringend wieder eine rechtsextreme Partei an die Macht bringen müssten.

Da ging ein Heulen und Zähneklappern durchs Land und all die niederen Geister aus Politik und Medien warfen eilfertig ihr Wort gegen seines, um … ja, warum eigentlich? Hat man denn immer noch nicht verstanden, wie die Kommunikationsstrategie der Neuen Rechten funktioniert? Dass jede Reaktion, gleich ob Empörung, argumentative Gegenrede oder partielles Entgegenkommen, den von ihr gesetzten Themen überhaupt erst Relevanz verleiht?

Elon Musk hat wahrscheinlich Tränen gelacht

Den Anfang machte Jan Philipp Burgard, zu diesem Zeitpunkt bereits designierter Chefredakteur der Welt, der Elon Musks Meinungsbeitrag mit einem eigenen konterkarierte, den er gar nicht hätte schreiben müssen, wenn man Musks einfach nicht publiziert hätte. Burgard attestierte Musk, dieser habe die drängenden Probleme des Landes (wenig überraschend: »Migrations-, Energie- und Sozialpolitik«) durchaus trefflich benannt, doch mit seiner Wahlempfehlung für die AfD die falsche Lösung angeboten. Schließlich fordere diese Partei doch den wirtschaftlich selbstmörderischen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union und kungele mit Despoten wie Wladimir Putin oder Xi Jinping. Gerade den USA müsse das doch missfallen, oder?

Elon Musk, Burgard zufolge »das größte unternehmerische Genie unserer Zeit«, wird bei dieser Entgegnung wahrscheinlich Tränen gelacht haben, sofern er sie überhaupt gelesen hat. Denn selbstverständlich hat er ebenso wenig Interesse an einer prosperierenden deutschen Wirtschaft wie an einer stabilen EU. Zumindest in dieser Frage liegt die neue Regierung Trump auf einer Wellenlänge mit Russland und China.

Damit »America great again« wird, müssen in erster Linie alle Konkurrenten kleiner, zerstrittener, beherrschbarer werden. Trumps Strategie lautet: »divide et impera« – teile und herrsche.

Wer glaubt, es gehe Trump und Musk geostrategisch vorrangig darum, die eigene rechtslibertäre Ideologie zu exportieren, der irrt. Damit »America great again« wird, müssen in erster Linie alle Konkurrenten kleiner, zerstrittener, beherrschbarer werden. Trumps Strategie lautet: divide et impera – teile und herrsche. Deshalb befeuerte er in seiner ersten Amtszeit nach Kräften den Austritt Großbritanniens aus der EU – nicht obwohl, sondern weil klar war, dass der sowohl die Briten als auch die EU wirtschaftlich schwächen würde.

Auch Trumps betont freundschaftlicher Umgang mit dem russischen Despoten Wladimir Putin, der mit der Annexion der Krim 2014 bereits deutlich verhaltensauffällig geworden war, erklärt sich über die destabilisierende Potentiale für Europa, die Trump in einer aggressiven Politik Russlands erkannte. Der Trumpismus, das belegte auch Elon Musks Verhalten, als er das ideologische Rangewanze des FDP-Parteivorsitzenden Christian Lindner (»mehr Musk und Milei wagen«) kalt abtropfen ließ, braucht keine schwächelnden Gleichgesinnten, sondern potente Erfüllungsgehilfen.

Auch bei dem Live-Gespräch mit AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel auf seiner Plattform X, das dem Welt-Artikel folgte, ging es Musk vor allem darum, Wahlkampfhilfe für eine Partei zu leisten, deren Wirken die Handlungs- und Koalitionsspielräume der anderen Parteien immer weiter verringert. Dass Alice Weidel als Vertreterin des rechtslibertären Flügels der AfD in vielen Fragen ähnlich tickt wie er, mag das Gespräch für Musk angenehmer gemacht haben.

Merz: Musk »übergriffig und anmaßend«

Strategisch gesehen wäre es ihm aber auch egal, wenn sich der eher illiberal-völkische Flügel um Björn Höcke langfristig durchsetzen würde. Denn genau wie Putin sehen Trump und Musk die in vielen europäischen Ländern reüssierenden rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien schlicht als nützlichen Destabilisierungsfaktor für die EU. Für wirklich profitable Deals kann man am besten solche Verhandlungspartner gebrauchen, die politisch und wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehen.

Das alles ist kein Geheimwissen, Trump und sein neuer Berater Musk haben sich immer wieder zu dieser Strategie bekannt und auch keinen Zweifel daran gelassen, dass sie bereit sind, ihre Verfügungsgewalt über wichtige Internetplattformen entsprechend zu nutzen. Umso verstörender, wenn der Kanzlerkandidat der CDU/CSU, Friedrich Merz, Musks Wahlkampfhilfe für die AfD in ehrlicher Entrüstung »übergriffig und anmaßend« nennt, als ginge es hier um nichts weiter als eine persönliche Verfehlung.

Geradezu erfrischend wirkte dagegen die Replik des noch amtierenden Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) auf Musks Wahlempfehlung: »Auf Social-Media-Plattformen sind ja viele unterwegs, die mit schrillen Sprüchen Aufmerksamkeit erregen wollen. Da gilt: Don’t feed the troll.« Einerseits stimmt das, andererseits fragt man sich – wie so oft bei Scholz –, ob er die Brisanz der Lage wirklich nicht sieht. Es geht ja nicht um einen einzelnen Troll, sondern um gigantische Trollnetzwerke – nicht nur auf Musks X, sondern auch bei Facebook und Instagram von Mark Zuckerbergs Konzern Meta, der nun ebenfalls zu der Haltung zurückkehrt, dass Meinungsfreiheit die Freiheit zu Hassrede und Fake News umfasst.

Auch Tiktok könnte bald Musk gehören

Und auch Tiktok könnte bald Musk gehören: Weil die USA ein Gesetz erlassen haben, das es dem chinesischen Konzern Bytedance verbietet, die Plattform in den USA zu betreiben, soll die chinesische Regierung Berichten zufolge darüber nachdenken, zumindest den US-Teil des Geschäfts an Musk zu verkaufen. Bedenkt man, wie einflussreich die russischen Propaganda- und Desinformationskampagnen in den vergangenen Jahren waren, ohne dass Putin einen so direkten Einfluss auf die Social-Media-Netzwerke gehabt hätte, wie es Trumps Unterstützer haben, kann einem angst und bange werden.

Der einzige der im Februar zur Wahl stehenden Kanz­ler­kandidaten, der diese Gefahr zumindest benennt, ist Robert Habeck (Grüne). Im Interview mit dem Spiegel sagte er: »Die Kombination von ungeheurem Reichtum, der Kontrolle über Informationen und Netzwerke, dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz und dem Willen, Regeln zu ignorieren, ist ein Frontalangriff auf unsere Demokratie.« Den fatalen Irrglauben an einen nur erratisch und aus Unkenntnis agierenden Musk wischt er beiseite und beschreibt die neue US-Regierung zutreffend als Teil der weltweiten rechtspopulistischen Bewegung.

Von korrekter Analyse bis zu funktionierenden Gegenstrategien ist es indes ein weiter Weg. Klar könnte die EU, wie Habeck fordert, bei der Kontrolle der sozialen Medien nicht nur Zähne zeigen, sondern auch »beißen«, aber will sie das überhaupt? In Ungarn regiert der völkische Rechtspopulist Victor Orbán, in der Slowakei der linkspopulistische Putin-Freund Robert Fico, in Italien die als »postfaschistisch« klassifizierte Partei Fratelli d’Italia.

EU kein verlässliches Bollwerk zum Schutz »westlicher Werte«

Österreich wird demnächst wohl vom – gemäß Eigenbezeichnung – »Volkskanzler« Herbert Kickl (FPÖ) regiert, und selbst in Frankreich müssen immer bizarrere parteipolitische Manöver ausgeführt werden, um die rechtsextreme Partei Rassemblement national von der Macht fernzuhalten. Wie ein verlässliches Bollwerk zum Schutz dessen, was man einst »westliche Werte« nannte, sieht das wahrlich nicht aus.

Zudem ist da der immense Einfluss der gerade reihenweise sich mit Trump verbrüdernden US-amerikanischen Unternehmen auf die weltweite (also auch europäische) Wirtschaft: weg von Klimaschutz, Diversität, Inklusion und den letzten Resten sozialer Verantwortung, hin zu einem offenen Sozialdarwinismus in einem sowohl außenpolitischen als auch innergesellschaftlichen Krieg aller gegen alle. Wer also bislang dachte, der Kapitalismus ließe sich irgendwie zum Wohle von Mensch und Umwelt regulieren, kann diese immer schon absurde Hoffnung endlich fahren lassen.

Bleibt die Frage, ob es in dieser Situation vielleicht auch linke Gegenstrategien gibt. Dummerweise sieht es nicht danach aus. Augenscheinlich fällt vielen zur derzeitigen Entwicklung nicht mehr ein, als ihre X-, Facebook- und Instagram-Aktivitäten zu Bluesky oder Mastodon zu verlagern.

Bleibt die Frage, ob es in dieser Situation vielleicht auch linke Gegenstrategien gibt. Dummerweise sieht es nicht danach aus. Augenscheinlich fällt vielen in der linken und linksliberalen Blase zur derzeitigen Entwicklung nicht mehr ein, als ihre X-, Facebook- und Instagram-Aktivitäten zu Bluesky oder Mastodon zu verlagern. Musk und Zuckerberg werden das in ihren Bilanzen wohl kaum registrieren. Auch der Rechtspopulismus, der auf den großen Plattformen um sich greift, und die damit einhergehende Umwertung aller Begriffe, nach der etwa Faktenchecks nun »Zensur« heißen (Zuckerberg), wird man durch Wegsehen nicht bremsen.

Um zum Schluss noch mal die Bibel zu bemühen: Das Scheiden von Licht und Finsternis passiert ganz vorne, im Alten Testament. Dass hingegen am Anfang das Wort gewesen sei, ist eine Idee aus dem Neuen Testament, an dessen Ende wiederum eine ziemlich irre und grausige Apokalypse steht. Die weltliche Analogie dazu beschreibt der stramm rechtsextreme frühere Berater Trumps, Steve Bannon, mit Blick auf Elon Musk so: »Geld und Informationen sind die beiden taktischen Atomwaffen der modernen Politik – und er kann beide in bisher ungekanntem Maßstab einsetzen. (…) Es gibt keine Mitte-links-Regierung in Europa, die diesem Ansturm standhalten kann.«