09.01.2025
Das österreichische Schmierentheater, das einen FPÖ-Kanzler ermöglicht

Noch ein Mitglied im Club der illiberalen Demokratien

Österreich bekommt aller Voraussicht nach mit FPÖ-Chef Herbert Kickl einen bekennend extrem rechten Kanzler.

Was in Wien Anfang Januar geschehen ist, ist so verblüffend platt und dämlich, dass es wirkt, als hätten sich die Vertreter der bürgerlichen Parteien bemüht, die schlichtesten vulgärmarxistischen Faschismustheorien zu bestätigen. Es sieht aus, als hätten Industrielle und Banken – offenbar berauscht vom globalen Rechtstrend – ihrem vorrangigen parteipolitischen Sachwalter, den Neos, den Auftrag gegeben: »Keinen Millimeter den Roten!« Auch in der konservativen ÖVP fühlten sich vor allem die Provinzfürsten der Partei einer ähnlichen Linie verpflichtet.

Und so scheiterten nach 96 Tagen die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos aus dem Grund, dass ÖVP und Neos der SPÖ, die in fast allen Belangen nachgegeben hatte, selbst eine eher symbolische Sonderabgabe auf die Rekordgewinne verweigerten, die österreichische Banken in den vergangenen Jahren eingefahren hatten.

Am 3. Januar stellte sich die Neos-Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger, in Mimik und Gestus an die unselige britische Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss erinnernd, vor die Kameras und sagte, man müsse leider wegen der Sozialdemokraten, bei denen es an »Reformwillen« mangele, die Verhandlungen abbrechen. Zwei Tage später beendete auch die ÖVP die Koalitionsverhandlungen und argumentierte ähnlich: Man habe es ja versucht, sei aber an der SPÖ und ihren »leistungsfeindlichen« Positionen gescheitert, verkündete die Partei auf X.

Der ÖVP-Vorsitzende und bisherige Bundeskanzler Karl Nehammer habe, so war von Verhandlern zu hören, durchaus versucht, eine Regierung ohne Rechtsextreme zustande zu bringen, sei aber von seiner eigenen Partei sabotiert worden. Genauer: von jenen fünf Landesparteiobleuten, die bereits in einer Koalition mit der FPÖ sind.

Nach diesem Schmierentheater hatte der ÖVP-Vorsitzende und bisherige Bundeskanzler Karl Nehammer genug und kündigte seinen Rückzug aus dem Amt und aus der Parteiführung an. Nehammer habe, so war von Verhandlern zu hören, nämlich durchaus versucht, eine Regierung ohne Rechtsextreme zustande zu bringen, sei aber von seiner eigenen Partei sabotiert worden. Genauer: von jenen fünf Landesparteiobleuten, die bereits in einer Koalition mit der FPÖ sind. Bundespräsident Alexander Van der Bellen wandte sich am 5. Januar an die Bevölkerung und sagte, er werde am folgenden Tag FPÖ-Bundesobmann Herbert Kickl »zu einem Gespräch einladen«. So geschah es, Kickl erhielt vom Bundespräsidenten den Auftrag zur Bildung einer Regierung.

Österreich könnte sich somit bald dem auch im westlichen Lager stetig wachsenden Club der illiberalen Demokratien anschließen – etwa nach dem Modell Ungarns oder der Slowakei. Und dies in einer Zeit, in der mit dem Triumph Donald Trumps in den USA das wichtigste weltpolitische Korrektiv verlorengegangen ist.

Kapitalisten ohne Interesse an der Konkurrenzfähigkeit des Standorts 

Um zu verstehen, warum die ÖVP und die Neos die Verhandlungen mit der SPÖ platzen ließen und lieber einem EU-feindlichen, Russland zugewandten rechten Demagogen wie Kickl das Land überantworten, ist ein Blick auf den Zustand des Kapitalismus in Österreich lehrreich. Der Immobilien-Tycoon René Benko und der Industriekapitalist Stefan Pierer (KTM) haben beide Pleiten hingelegt, die sie vor wenigen Jahrzehnten ins Armenhaus geführt hätten.

Dank der in den neunziger Jahren eingeführten Privatstiftungen, auf die weder Fiskus noch Gläubiger Zugriff haben, führen beide Herren aber weiterhin ein Luxusleben, als wäre nichts geschehen. Wer viele Millionen, manchmal auch Milliarden in Stiftungen geparkt hat, interessiert sich nicht für die Konkurrenzfähigkeit des Standorts oder gar für die Inlandsnachfrage. Alles, was Unternehmer dieser Art umtreibt, ist der Wunsch, dass niemand ihre Sparschweine antaste.

Dann wäre da noch der Bankensektor. In Österreich tritt er vor allem in Gestalt der Raiffeisen-Banken auf, der keinerlei Interesse daran hat, einen Teil seiner enormen Krisengewinne zur Sanierung des österreichischen Staatshaushalts beizutragen. Dieser weist ein Defizit von 20 Milliarden Euro auf, in erster Linie verursacht durch nicht gegenfinanzierte Geschenke an die Unternehmen, die die ÖVP-geführten Regierungen seit 2018 gemacht haben. Zudem hegt die Raiffeisen-Gruppe sicherlich große Sympathien für Kickls Russland-Vorlieben: Sie ist die größte westliche Bank in Russland, einige Milliarden Euro sind dort eingefroren.