Terror in der Bourbon Street
Für US-amerikanische Sicherheitsexperten waren die Anschlagspläne des jungen Österreichers Beran A. alarmierend. Der 19jährige hatte im Sommer 2024 geplant, Fans von Taylor Swift umzubringen, das Konzert des Popstars in Wien wurde schließlich abgesagt. Dass ein bis dato eher unauffälliger junger Mann ganz plötzlich zum potentiellen Massenmörder werden wollte, wurde allgemein als Anzeichen gedeutet, dass eine neue Terrorwelle drohe.
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt ist der »Islamische Staat« (IS), seit er kein Territorium mehr kontrolliert wie in Raqqa oder Mossul von dem aus er die Anschläge im Ausland koordinieren kann, dazu übergegangen, bei Tiktok und anderen sozialen Medien Propaganda gezielt an junge Menschen zu richten. Die Terrorismus-Expertin Rita Katz sagte kürzlich der Washington Post: »Der ›Islamische Staat‹ ist immer noch sehr relevant, vor allem unter jungen Leuten«, und sei online mittlerweile wesentlich einfacher zu finden als noch vor einigen Jahren. Dazu trage bei, dass Social-Media-Unternehmen nicht mehr so wachsam in Bezug auf terroristische Inhalte seien wie früher und sie entsprechend weniger stark ausfilterten.
Jabbar benutzte Smart Glasses von Meta, die es ihm ermöglichten, sich unauffällig umzuschauen und für ihn interessante örtliche Besonderheiten zu dokumentieren.
Neben Jugendlichen gelten aber insbesondere auch ältere Männer mit psychischen und privaten Problemen als anfällig für Anwerbungsversuche von Terroristen. Wie Taleb A., der beim Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt sechs Menschen tötete – und wie Shamsud-Din Jabbar, der am Neujahrstag in New Orleans mindestens 14 Menschen umbrachte. Beide Männer nutzten Leihautos für ihre Terroranschläge und kundschafteten ihr Zielgebiet im Hinblick auf mögliche Sicherheitslücken zuvor genau aus.
Schon voriges Jahr hatte das US-amerikanische Department of Homeland Security (DHS) Einzelgänger und kleine Gruppen als die gefährlichsten potentiellen Täter ausgemacht, weil sie mit vergleichsweise einfach zu beschaffenden Waffen wie Macheten, Gewehren oder Autos den größtmöglichen Schaden anrichten könnten, ohne viel Training oder Vorbereitung zu benötigen.
Im November 2021 hatte ein Mann mit einem SUV während einer Weihnachtsparade in Waukesha, Wisconsin, sechs Menschen getötet und 62 weitere verletzt. Später stellte sich heraus, dass er diversen Verschwörungstheorien anhing. Vor Gericht versuchte er erfolglos, sich mit dem Argument zu verteidigen, ein sovereign citizen zu sein, ein souveräner Bürger also, für den staatliche Gesetze und Vorgaben angeblich nicht gelten. Er wurde schließlich zu mehreren Hundert Jahren Gefängnis verurteilt.
Zu Attacken in den USA während der Weihnachtszeit aufgerufen
Auch jüngst sahen die Sicherheitsbehörden während der Weihnachtszeit eine erhöhte Terrorgefahr. Am 6. Dezember 2024 hatten FBI, Homeland Security und das nationale Zentrum für Terrorismusbekämpfung der USA in einem gemeinsamen Informationsbulletin publik gemacht, dass unter anderem zum IS gehörende Medien zu Attacken in den USA und anderen westlichen Ländern während der Weihnachtszeit aufgerufen hatten.
Jabbar war FBI-Erkenntnissen zufolge im Oktober und im November 2024 von Houston in Texas, wo er mit seiner Familie lebte, nach New Orleans gefahren und hatte dort unter anderem am späteren Tatort Videoaufnahmen gemacht. Dazu benutzte er Smart Glasses von Meta, die es ihm durch die Computerunterstützung ermöglichten, sich unauffällig umzuschauen und für ihn interessante örtliche Besonderheiten zu dokumentieren.
Ob Flüge nach Kairo und ins kanadische Ontario im Jahr zuvor auch schon mit seinen Terrorplänen in Zusammenhang standen, ist noch unklar. Die US-Geheimdienste werten derzeit aus, mit wem er Kontakt hatte.
Nicht alles lief nach Plan
Doch trotz der minutiösen Vorbereitung verlief der Terroranschlag in New Orleans nicht ganz nach Plan. Eigentlich hatte Jabbar geplant, erst möglichst viele Feiernde zu überfahren, dann aus dem Auto zu steigen und Überlebende zu erschießen. Außerdem wollte er fliehende Menschen mit Hilfe von kurz zuvor entlang der Bourbon Street platzierten Sprengfallen töten. Dort hatte er rund eine Stunde vor dem Anschlag zwei mit Sprengstoff gefüllte Kühltaschen aufgestellt.
Nur eine Unachtsamkeit verhinderte einen von Jabbars geplanten Sprengstoffanschlag: Statt wie vorgeschrieben einen elektronischen Zünder zu benutzen, versuchte er erfolglos, das explosive Material mit einem elektronischen Feuerzeug zu zünden, bevor er schließlich von der Polizei erschossen wurde. Die andere Kühltasche war nach Angaben eines FBI-Agenten von einer nicht involvierten Person an einen anderen Ort gebracht worden.
Wie Jabbar in den Besitz von Sprengstoff kam, ist derzeit noch unklar. Während seiner Zeit in der US-Armee von 2006 bis 2015 hatte er mit explosiven Materialien wohl keinen Kontakt. Auch welchen Sprengstoff er genau benutzte, ist noch unklar.
Konversion zum Islam
Edward Davis, der während eines Terroranschlags 2013 auf den Marathonlauf in Boston Kommissar der örtlichen Polizeibehörde war und mittlerweile Inhaber einer Security-Firma ist, befürchtet weitere Terroranschläge. Er empfiehlt Privatpersonen nicht nur bei großen Veranstaltungen wie Filmpreisverleihungen und Sportereignissen, sondern auch bei Kirchenbesuchen und in Einkaufszentren, ihre Umgebung wachsam im Auge zu behalten und sich, sobald man ein Problem vermutet, möglichst schnell zu entfernen. »Mich wundert es immer sehr, wenn Leute anfangen zu filmen, wenn zum Beispiel Schüsse zu hören sind, statt so schnell wie möglich zu fliehen«, sagte Davis der Washington Post. Genau dieses Verhalten hatte Jabbar offenbar einkalkuliert, als er seine Sprengfallen platzierte.
Mordphantasien hatte er überdies wohl schon länger gehabt: Auf einer Pressekonferenz am 2. Januar erklärte Christopher Raia, stellvertretender Direktor der Abteilung Counterterrorism beim FBI, dass Jabbar selbst gesagt habe, er sei im Sommer 2024 dem IS beigetreten. In kurz vor dem Anschlag bei Facebook hochgeladenen, mittlerweile gelöschten Videos habe der 42jährige zudem darüber gesprochen, dass er zunächst geplant habe, seine Familie zu einer nicht näher spezifizierten Feier einzuladen, um sie dann vollzählig umzubringen. Ihm sei es schließlich aber wichtiger gewesen, eine Tat zu begehen, die für Schlagzeilen über den »Krieg zwischen Gläubigen und Ungläubigen« sorge.
Jabbar, der christlich erzogen wurde, konvertierte vor vielen Jahren zum Islam. Auf selbstgedrehten Videos während der Fahrt nach New Orleans schwor er dem IS die Treue, eine Flagge des IS führte er neben Waffen und Sprengsätzen bei der Amokfahrt mit sich.
Typischer IS-Täter
Gerichtsaufzeichnungen zufolge hatte Jabbar wohl jede Menge private Probleme. Seine erste Ehe war 2012 gescheitert, seine ehemalige Frau und die beiden erwachsenen Töchter hatten keinen Kontakt mehr zu ihm. Die zweite Ehefrau erwirkte 2020 ein Gerichtsurteil gegen ihn, in dem ihm jeglicher Kontaktversuch verboten wurde.
2022 hatte er in einer E-Mail an den Anwalt seiner zweiten ehemaligen Frau finanzielle Probleme geschildert, von denen allerdings nicht ganz klar ist, ob er sie nicht im Rahmen des Scheidungsverfahrens übertrieben hatte: Mit den Hypothekenzahlungen für sein Haus sei er sehr im Rückstand, es drohe womöglich die Zwangsvollstreckung. Ein von ihm gegründetes Unternehmen mache Verlust, dazu habe er rund 16.000 Dollar Kreditkartenschulden.
Der Terrorismusexperte Bruce Riedel, der mehr als 30 Jahre für die CIA arbeitete, sieht in Jabbar einen typischen IS-Täter. Ein Mann mittleren Alters, der wütend und verbittert über sein Leben sei und mit einem solchen Anschlag seine Wut zu befriedigen versuche. Diese Sorte von Terroristen haben im Gegensatz zu im Internet islamistisch radikalisierten Jugendlichen wie dem 19jährige Beran A. in der Regel genug finanzielle Ressourcen, um Anschläge sorgfältig zu planen und die entsprechenden Mittel dafür zu besorgen.
In den USA wächst derzeit die Angst vor möglichen Nachahmungstätern. Während der kommenden Monate finden dort gleich mehrere Großereignisse statt, die weltweit übertragen werden.
In den USA wächst derzeit die Angst vor möglichen Nachahmungstätern. Während der kommenden Monate finden dort gleich mehrere Großereignisse statt, die weltweit übertragen werden. Seit dem 4. Januar laufen bereits Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Präsidenten Jimmy Carter, zu dem Spitzenpolitiker und royale Prominenz aus dem In- und Ausland erwartet werden. Am 20. Januar findet die Amtseinführung von Präsident Donald Trump statt. Schließlich soll der Super Bowl am 9. Februar in New Orleans stattfinden und am 4. März die Karnevalsfeier Mardi Gras.
Experten betonen allerdings, dass die ganz großen Events schon im Normalfall durch zum Beispiel Überflugverbote und starke Präsenz von Sicherheitskräften an Ort und Stelle gut genug geschützt sein dürften. Einzeltäter würden sich daher vermutlich eher auf Feste und Veranstaltungen von eher lokaler oder regionaler Bedeutung konzentrieren, bei denen die Sicherheitsvorkehrungen nicht so professionell gehandhabt werden, wie die jüngsten Anschläge in Europa und in den USA zeigen.