05.12.2024
Rosa Jellinek, politische Bildnerin und queere Jüdin, im Gespräch über Hamas-Anhängerinnen auf angeblich feministischen Demos

»Alle Themen werden vereinnahmt«

Der 25. November ist der Internationale Tag zur Beseitigung der ­Gewalt an Frauen. Weltweit wird gegen Femizide, Misshandlungen und Vergewaltigungen protestiert. In Berlin aber setzte eine als ­feministisch angekündigte Demonstration ein anderes Thema – die Sympathie für die Terrororganisation Hamas. Die »Jungle World« sprach darüber mit Rosa Jellinek, die sich als queere Jüdin gegen Antisemitismus in der LGBT-Szene einsetzt.

Sie haben am Tag nach dem 25. November einen Rant auf Instagram veröffentlicht. Was hat Sie so wütend gemacht?
Es gab eine Demonstration am Tag gegen patriarchale Gewalt unter dem Titel »Resist – by any means necessary«. Das eigentliche Thema aber war Palästina. Die Demonstration war unter anderem organisiert von der Alliance of Internationalist Feminists, die schon oft mit problematischen Aussagen aufgefallen ist. Ganz früh nach dem 7. Oktober haben sie die sexualisierte Gewalt der Hamas gegen israelische Frauen geleugnet und relativiert. Nach dieser Demons­tration postete die Internationalist Alliance of Feminists ein Foto einer Frau, wohl einer Teilnehmerin der Demonstration, die einen Sticker auf der Brust kleben hatte, auf dem »I love Hamas« stand. Also: Ich liebe eine Terrororganisation, die Israelis tötet und ­Palästinenser unterdrückt. Es gab außerdem einen Redebeitrag von jemandem von »Palästina spricht«, in dem es darum ging, den »­Widerstand« gegen »israelische Kolonisierer « zu unterstützen, und darum, dass der 7. Oktober der Tag war, an dem »Gaza aus dem Gefängnis ausgebrochen« sei.

Wie ist das zu erklären, dass Frauen sich so positionieren?
Ich erkläre mir das dadurch, dass eine komplexe Lage, in der es viele Ansichten gibt, sehr vereinfacht wird zu einer Gegenüberstellung der angeblichen Unterdrücker in Israel und der unterdrückten Paläs­tinenser:innen. Diese extreme Vereinfachung ist für viele Leute leicht zu verstehen und man will dann zu den vermeintlich »Guten« gehören – wer will das nicht? Außerdem glaube ich, dass sich viele Menschen im Laufe des vergangenen Jahres über soziale Medien politisiert haben. Dass das nicht gerade der beste Ort für Informationsgewinnung und ­Meinungsbildung ist, zeigt sich jetzt auch auf den Straßen.

»Was hat das Recht auf Abtreibung mit dem Krieg in Gaza zu tun?«

In der feministischen und auch in der LGBT-Szene ist wegen der Streitfrage Israel und Antisemitismus ein großer Bruch zu ­beobachten. Sehen Sie die Möglichkeit, dass man irgendwann wieder zusammenarbeiten kann bei Themen, die nichts mit ­Israel zu tun haben?
Die Konflikte sind nicht neu, die gab es auch schon in den nuller Jahren, sogar in den Achtzigern und Neunzigern. Und trotzdem kam es ja zu gemeinsamen Kämpfen in Bezug auf andere Themen, zum Beispiel das Abtreibungsrecht. Was es aber sehr schwer macht, wieder zusammenzukommen, ist, dass alle Themen vereinnahmt werden. Egal ob Kapitalismus, Klimaschutz oder das Patriarchat – alles soll sich angeblich im Thema »Free Palestine« vereinen. Das ist doch ein Verschwörungsnarrativ. Absurd. Was hat das Recht auf Abtreibung mit dem Krieg in Gaza zu tun?

Am Internationalen Frauentag und auch am 7. Oktober hat das antisemitismuskritische Bündnis »Feminism unlimited« ­eigene Demos veranstaltet. Wie bewerten Sie deren Arbeit?
Eigene Veranstaltungen sind gut, weil da unter anderem Jüdinnen und Juden geschützt sind, auch wenn sie sich zionistisch positionieren. »Feminism Unlimited« hat sehr umfassende, differenzierte Demos gemacht, bei denen es auch um die Frauen im Iran oder Kurdinnen ging, auch um Palästinenserinnen übrigens, nicht nur um »bedingungslose Israel-Solidarität«, wie es oft vorgeworfen wird.