Iran droht, will aber reden
Auffällige Betriebsamkeit kennzeichnet die iranische Außenpolitik in diesem Spätherbst. Ob es nun etwas zu bedeuten hat oder nicht, jedenfalls begannen die verstärkten diplomatischen Aktivitäten nach dem Wahltag in den USA.
Zunächst meldete die New York Times ein Treffen zwischen dem iranischen UN-Botschafter Amir Saeid Iravani und Elon Musk, der inzwischen zum Berater des kommenden US-Präsidenten aufgestiegen ist. Über den Inhalt des Gesprächs wurde weiter nichts bekannt; Donald Trump ließ verlauten, er äußere sich nicht zu »privaten« Angelegenheiten, während von offizieller iranischer Seite schlicht dementiert wurde, dass überhaupt ein Treffen stattgefunden habe.
Aktiv wurde der Iran auch in Reaktion auf die Ergebnisse der turnusmäßigen Sitzung des Gouverneursrats der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) Ende November. Die Vertreter Frankreichs, Deutschlands, Großbritanniens und der USA hatten angekündigt, eine Resolution gegen die fortwährenden Regelverstöße durch den Iran einzubringen. Falls der Iran bis zum Frühjahr 2025 keine schlüssigen Erklärungen etwa für Indizien für die Existenz geheimer Anlagen liefert, sieht die Resolution vor, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einzuschalten.
Der frühere Parlamentspräsident Ali Larijani appellierte an Trump, mit dem Iran ein Atomabkommen auszuhandeln
Der Iran war zu einem Zugeständnis bereit: Beim Verzicht auf eine Verabschiedung der Resolution werde er seine Produktion von hochangereichertem Uran drosseln, andernfalls werde es jedoch eine »proportionale Reaktion« geben. Die Resolution wurde im Gouverneursrat mit 19 gegen drei Stimmen bei zwölf Enthaltungen angenommen, Russland, China und Burkina Faso stimmten mit nein.
Irans Außenminister Abbas Araghchi reagierte mit der Ankündigung, man werde 6.000 weitere Zentrifugen installieren – zusätzlich zu den bereits vorhandenen 10.000. Gleichzeitig appellierte der frühere Parlamentspräsident Ali Larijani an Trump, mit dem Iran ein Atomabkommen auszuhandeln. Neue Drohungen stieß Araghchi am Rande einer UN-Tagung Ende November in Lissabon aus: Der Iran könnte seine Nukleardoktrin ändern und sich atomar bewaffnen, falls die früheren UN-Sanktionen gegen sein Land wieder in Kraft gesetzt würden.
Urananreicherung dient nur militärischen Zwecken
Äußerungen wie die des Ministers, von der iranischen Nachrichtenagentur Irna ausführlich wiedergegeben, waren in dieser Form bisher nur von Politikern aus der zweiten Reihe zu vernehmen gewesen. Jetzt ist es also offiziell, und einen Spielraum für Interpretationen gibt es nicht. Möglicherweise ungewollt räumt Araghchi damit ein, dass der enorme Aufwand der Urananreicherung, der im Iran betrieben wird, keinen friedlichen, sondern militärischen Zwecken dient.
Dazu passt seine Behauptung, der Iran besitze bereits die Fähigkeit, Atombomben herzustellen, und habe nur bisher keinen Gebrauch davon gemacht. Nicht zuletzt bricht er eine angebliche Fatwa des Obersten Führers Ali Khamenei, wonach der Islam Massenvernichtungswaffen verbiete, auf den sehr weltlichen Sachverhalt einer Nukleardoktrin herunter. Die vermeintliche Fatwa erwähnt er mit keinem Wort. In Wahrheit war sie von Anfang an ein Instrument der Täuschung.
Frühere Sanktionen gegen den Iran reaktivieren
Araghchis Äußerungen dienten der Einstimmung auf neu aufgenommene Sondierungsgespräche in Genf, zwischen Diplomaten Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens mit dem Iran. Da die europäischen Regierungen im Gegensatz zu den USA immer noch Vertragspartner im Wiener Atomabkommen (JCPOA) sind, haben sie die Möglichkeit, den darin vorgesehenen sogenannten Snapback-Mechanismus in Gang zu setzen und alle früheren Sanktionen gegen den Iran zu reaktivieren, ohne dass erneut UN-Beschlüsse darüber gefasst werden müssten.
Die USA besitzen diese Option nicht mehr, da sie in Trumps erster Präsidentschaft aus dem JCPOA ausgestiegen sind. In elf Monaten läuft die Frist für einen Snapback jedoch aus: Die Europäer müssen sich demnächst entscheiden.
In dieser Situation werden die Diplomaten versucht sein, wieder einmal über die Anzahl von Zentrifugen, die Reichweite von Raketen und die Aufhebung von Sanktionen und Exporterleichterungen zu verhandeln. Dies alles ist Zeitverschwendung, solange im Gaza-Streifen israelische Geiseln festgehalten und mit Ermordung bedroht werden. Das ist derzeit das einzige Thema, das es mit iranischen Unterhändlern zu besprechen gibt. Wenn das nicht möglich ist, heißt es eben abzuwarten, bis die Geiseln frei sind.