»Die Stadt ohne Juden«
Gestern, morgen und übermorgen
Von Jorghi Poll
Als Hugo Bettauer am 10. März 1925 vom 21jährigen Zahntechnikergehilfen Otto Rothstock während einer Sprechstunde in der Redaktion der Zeitschrift Bettauers Wochenschrift. Probleme des Lebens mit fünf Schüssen in Brust und Arme tödlich verletzt wurde und 16 Tage später im Alter von 52 Jahren im Allgemeinen Krankenhaus Wien starb, stellte dies den traurigen Endpunkt einer jahrelangen Hetzkampagne der konservativen und deutschnationalen Gesellschaftsschichten und Medien gegen Hugo Bettauer dar – allerdings entgegen der damaligen Annahme nicht das Ende seiner Wirkungsgeschichte.
Otto Rothstock, der kurz vor seiner Tat aus der NSDAP ausgetreten war und danach von NS-nahen Anwälten und Freunden unterstützt worden ist, wurde in Österreich schlagartig berühmt und als »Volksheld« gefeiert. Seine Tat, den kalkuliert geplanten Mord, versuchte man in den einschlägigen Medien nicht nur zu bagatellisieren, sondern sogar zu rechtfertigen, als »Befreiungstat« durch das »zwingende Gebot« einer »Empörung« und »brennheißen Wut über Missbräuche, die wir leider schon wie etwas Selbstverständliches empfinden« (Neue Freie Presse, 11. März 1925), mit der Folge, dass Rothstock in einem grotesken Gerichtsverfahren als »zur Gänze der Sinne beraubt« zur Internierung in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke Am Steinhof verurteilt wurde. Dort verbrachte er 20 Monate, dann entließ ihn ein Bescheid des Obersten Gerichtshofes zurück in die Freiheit.
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