Fossil mit Fragezeichen
Früher waren es einfachere Zeiten. Mit Variationen dieses Stoßseufzers füllen abgehalfterte Promis ganze Bestseller voller Klagen, dass man(n) sich ja gar nicht mehr traue, Frauen anzugrabschen, Kinder zu schlagen oder rassistische Begriffe zu verwenden.
Tatsächlich war aber früher vieles simpler – zumindest, wenn man in die Entstehungszeit des vielzelligen Lebens zurückgeht und den Körperbau der allerersten Tiere betrachtet. Die als besonders urtümlich geltenden Schwämme etwa besitzen weder Muskel- noch Nerven- oder Sinneszellen; auch Körperachsen sucht man vergeblich.
Tatsächlich war früher vieles simpler – zumindest, wenn man in die Entstehungszeit des vielzelligen Lebens zurückgeht und den Körperbau der allerersten Tiere betrachtet.
Im geologischen Zeitalter des Ediacarium vor 635 bis 541 Millionen Jahren traten dann Organismen auf den Plan, die schon klarer strukturiert, aber nach heutigen Maßstäben trotzdem recht einfach aufgebaut waren: Manche erinnerten an Farnwedel, die mit Stielen am Meeresgrund verankert waren, andere ähnelten mehrkammerigen Luftmatratzen. Ihre Verwandtschaftsverhältnisse zu heutigen Lebewesen sind weitgehend ungeklärt.
Hilfreich für die Detektivarbeit könnte da ein jüngst beschriebenes Fossil aus dieser Zeit sein, das in der namensgebenden Ediacara-Formation in Australien entdeckt wurde: Das 555 Millionen Jahre alte, Quaestio simpsonorum getaufte Tier weist Merkmale sowohl seiner Zeitgenossen als auch von heute noch
existierenden Gruppen des Tierreichs auf.
Gattungsnamen Quaestio - lateinisch: Frage
Einen Verdauungstrakt besaß es wohl nicht; vermutlich nahm es Nährstoffe über seine Körperoberfläche auf wie die meisten Ediacarier. Modern – nach sehr großzügigen Maßstäben – mutet hingegen der asymmetrisch-zweiseitige Körperbau an: Der Organismus weise »eine Struktur ähnlich einem Fragezeichen in der Mitte seines Körpers auf, die zwischen der linken und rechten Seite unterscheidet«, so das Forschungsteam, das deshalb auch den Gattungsnamen Quaestio (lateinisch: Frage) wählte.
Auch vorne und hinten sowie Bauch- und Oberseite lassen sich unterscheiden, außerdem war das Lebewesen, anders als viele seiner Nachbarn, offenbar beweglich und nahm Signale seiner Umwelt wahr, was als Indiz für die Existenz eines Nervensystems gewertet wird.
Zweiseitige Tiere
Eine solche Kombination von Merkmalen finde sich heutzutage ausschließlich bei den Bilateria, schreibt die Arbeitsgruppe in ihrer Studie – also den zweiseitigen Tieren, die so ungefähr seit dem Kambrium vor 541 bis 485 Millionen Jahren die große Mehrheit all dessen ausmachen, was so kreucht und fleucht.
Ob Quaestio aber wirklich zu unserer näheren Verwandtschaft gehört oder es sich um einen Fall von konvergenter Evolution handelt, ist ebenso unklar wie seine taxonomische Stellung innerhalb der Ediacara-Fauna, und auch sonst gibt das Fragezeichentier noch viele Rätsel auf. Aber wenigstens nervt es dabei nicht so wie die lebenden Fossilien des Unterhaltungsbetriebs.