14.11.2024
Donald Trump hat radikale Pläne für seine zweite Amtszeit

Trump mit Plan

Massenabschiebungen, Kontrolle der Bundesbehörden und Strafverfolgung, Ende der Klimapolitik: Dieses Mal ist Donald Trump besser auf seine Regierungsübernahme vorbereitet als vor acht Jahren und will seine Vorstellungen kompromisslos durchsetzen.

Von nichts spricht Donald Trump lieber als vom Gewinnen, und entsprechend euphorisiert wirken seinen Anhänger derzeit. Er hat es wieder einmal geschafft – gegen alle seine Kritiker, gegen eine mit einer Milliarde US-Dollar finanzierte Wahlkampagne der Demokraten, gegen die angeblich von seinen Feinden kontrollierten Medien. Und während die Demokraten wie gelähmt wirken, spürt man in den rechtspopulistischen Medien fast schon Vorfreude auf das kommende Chaos.

»Es wird riesige Konflikte geben«, meinte etwa Jesse Watters, Moderator beim Sender Fox News, in einer Sendung am Freitag voriger Woche. Er sei optimistisch, dass Trump die versprochenen Massenabschiebungen auch verwirklichen werde, denn dafür sei die Bundesbehörde ICE zuständig. »Aber überall werden Kameraleute sein, die sichergehen, dass sie Bilder davon einfangen, wie die ICE-Beamten kommen und die Leute abholen.« Das werde nicht schön aussehen, so Watters, aber »die haben es auch verdient, dass man sie abholt«. Alexandra Ocasio-Cortez »wird auch da sein und sich an den Migranten festketten. Das wird hysterisch. Aber manchmal muss Dad eben harte Sachen machen.«

Trump als »Dad«, der hart durchgreift und die Migranten rausschmeißt, und Trumps Anhänger, die sich hämisch über die hilflose Empörung der Linksliberalen amüsieren – diese Wunschvorstellung sagt vielleicht mehr aus über die Motive einiger Trump-Wähler als jede Wahlumfrage.

Beamte in der Exekutive oder der Militärführung, die nicht tun, was der Präsident von ihnen verlangt, müssten eben ersetzt werden, hatte der zukünftige Vizepräsident J. D. Vance vor der Wahl angekündigt.

Auf kaum etwas beharrte Trump im Wahlkampf so wie auf dem Versprechen, bis zu 20 Millionen Migranten abzuschieben. Kamala Harris redete von schärferen Grenzkontrollen und einem harten Vorgehen gegen Drogenhandel – eine der vielen Fragen, bei denen sie deutlich konservativer auftrat als noch vor vier Jahren, denn auch 55 Prozent der Bevölkerung sagen mittlerweile, sie wollten weniger Einwanderung. Trump hetzte regelrecht gegen Flüchtlinge und Migranten. »Das sind militärische Invasionen ohne Uniformen«, sagte er in einer seiner letzten Wahlkampfreden und sprach von Städten, die »erobert und besetzt worden sind«. Er soll jetzt unter anderem planen, einen nationalen Notstand an der Grenze auszurufen, damit die Armee bei Abschiebungen eingesetzt werden kann.

Als Trump 2016 an die Macht kam, hatte er noch den Großteil der öffentlichen Meinung gegen sich und stieß auf Widerstand selbst innerhalb der eigenen Partei. Dieses Mal soll alles anders werden: Trump ist entschlossen, seine Regierung mit loyalen Funktionären zu besetzen, seine Partei steht hinter ihm und er hat eine neue Generation von nationalpopulistischen Politikern um sich geschart, wie seinen seinen zukünftigen Vize-Präsidenten J. D. Vance. Beamte in der Exekutive oder der Militärführung, die nicht tun, was der Präsident von ihnen verlangt, müssten eben ersetzt werden, kündigte Vance in einem Interview vor der Wahl an.

Wenn die New York Times das dann als faschistischen Coup bezeichne, »muss uns das kaltlassen«, fügte er hinzu. Am 5. November hat Trump Hochrechnungen zufolge um die zwei Millionen Stimmen mehr erhalten als Kamala Harris, dazu gewannen die Republikaner Mehrheiten im Senat und höchstwahrscheinlich auch im Repräsentantenhaus. Trump nennt diesen im historischen Vergleich immer noch eher knappen Wahlsieg ein »präzedenzloses und historisches Mandat«.

America First Policy Institute statt Heritage Foundation

Was er mit dieser Machtfülle anstellen will, ist in weiten Teilen noch unklar. Trump gibt gerne monumentale Versprechen ab (»Drain the swamp!«, »Build the wall!«, »Mass deportations!«), hält sich bei den Details aber eher zurück. Viele der Ziele seiner Unterstützer in der Republikanischen Partei, von strengen Abtreibungsverboten bis hin zu Kürzungen bei Wohlfahrtsprogrammen, würden auch kaum eine Mehrheit finden, wenn man sie den Wählern direkt vorlegen würde.

Dementsprechend distanzierte sich Trump im Wahlkampf verärgert von der über 900 Seiten langen Programmschrift »Project 2025« der erzkonservativen Heritage Foundation, deren Kader und Ideen schon seine erste Regierung stark geprägt hatten. Denn »Project 2025« gab den Demokraten reichlich Munition an die Hand, um vor der wirtschaftsliberalen, teilweise christlich-fundamentalistischen und autoritären »Trump-Agenda« zu warnen.

Statt Heritage ist jetzt das erst 2021 gegründete America First Policy Institute (AFPI) am aktivsten in die Planungen für Trumps Regierung eingebunden. Dessen Vorschläge sind jedoch kein bisschen harmloser: Abtreibungen sollen erschwert, die Regeln für das Tragen von Waffen gelockert und die Ölförderung soll ausgebaut werden; zudem rät man dazu, dass die USA aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 austreten.

Volle Kontrolle über die Strafverfolgungsbehörden

Wer Medicaid in Anspruch nehmen muss, das Bundesprogramm zur Gesundheitsversorgung für Bedürftige, soll zum Arbeiten gezwungen werden können. Außerdem geht das AFPI noch weiter als »Project 2025« bei Vorschlägen, wie die Kontrolle des Präsidenten über die Exekutive ausgeweitet werden soll: Beamte von Ministerien und Bundesbehörden sollen jeglichen Kündigungsschutz verlieren, also willkürlich ausgetauscht werden können.

Mark Paoletta, der für Trump die Übernahme des Justizministeriums orga­nisiert, ist ebenfalls ein großer Verfechter der Idee, dass der Präsident volle Kontrolle über das Ministerium und damit auch die nachgeordneten Strafverfolgungsbehörden haben sollte, obwohl Letzteres seit dem Watergate-Skandal und weiteren Affären der Nixon-Ford-Ära in den siebziger Jahren durch entsprechende Reformgesetze in Zukunft verhindert werden sollte. »Präsident Trump wird das Justizministerium nicht für politische Zwecke verwenden, also um gegen Individuen vorzugehen, nur weil sie politische Gegner sind«, versicherte Paoletta zwar vergangene Woche, aber das ist natürlich genau, was befürchtet wird.

Mit dem letzten Justizminister in Trumps erster Amtszeit, William Barr, überwarf sich der damalige Prä­sident, nachdem Barr öffentlich gesagt hatte, dass seine Ermittler keine Belege für Betrug bei der Präsidentschaftswahl 2020 gefunden hätten. »Wie zur Hölle konntest du mir das antun?« fuhr Trump ihn damals an, wie später der Atlantic berichtete.

Aktienkurse auf Höchstständen

Wie schon 2015 stiegen direkt nach Bekanntwerden von Trumps Wahlsieg die Aktienkurse auf Höchststände, besonders bei Erdölkonzernen und der Gefängnisindustrie, die auch an Abschiebungen verdient. Dabei hat Trump auch Pläne, die Kapitalvertretern nicht gefallen dürften, zum Beispiel seine fixe Idee, mit hohen Einfuhrzöllen (60 Prozent für China, zehn Prozent für alle anderen Länder) die Verschiebung der fertigenden Industrie in Billiglohnländer weniger rentabel zu zu machen. Zumindest vorerst halten Investoren das offenbar für eine leere Drohung und freuen sich stattdessen auf die geplanten Steuersenkungen und De­regulierungen.

In Umfragen gaben viele Trump-Wähler an, dass die wirtschaftliche Entwicklung für sie wahlentscheidend gewesen sei – nicht alle sind schließlich so direkt wie der Taliban-Funktionär Inamullah Samangani, der auf X anerkennend schrieb, die »Amerikaner sind nicht bereit, die Führung ihres großartigen Landes einer Frau zu übergeben«.

Doch tatsächlich setzte sich der seit Jahrzehnten andauernde Trend fort, dass die Demokraten immer mehr zur Partei der Wähler mit Universitätsabschluss und hohem Einkommen werden, während Trump bei ärmeren Wählern dazugewann. Vor allem Parteilinke bei den Demokraten argumentieren deshalb, die Inflation sei wahlentscheidend gewesen: Das Leiden unter den hohen Preissteigerungen nach der Covid-19-Pandemie, während Konzerne weiter hohe Gewinne machten, habe dazu beigetragen, die frustrierte Arbeiterschaft weiter von den Demokraten zu entfremden. Trump verspricht ihnen zwar keinen Sozialstaat, aber niedrigere Energiekosten und einen Wirtschaftsboom.

Ressentiments freien Lauf lassen

Die Geschichte lässt sich allerdings auch andersherum erzählen: Noch während der Pandemie setzte die Regierung Biden riesige Ausgabenprogramme auf, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Sie investierte in Industrieförderung und war die gewerkschaftsfreundlichste Regierung seit Jahrzehnten. Kein westliches Land hat sich so gut von der Rezession der vergangenen Jahre erholt wie die USA, und direkt vor der Wahl war die Zukunftserwartung der Konsumenten so positiv wie seit vier Jahren nicht mehr. All das würde eher für die Theorie sprechen, dass viele in der Krise für die Demokraten stimmen, und wenn sie glauben, es sich leisten zu können, ihren Ressentiments erneut freien Lauf zu lassen, wieder für Trump.

Tatsächlich stiegen wegen der niedrigen Arbeitslosigkeit unter Biden die Löhne des untersten Segments des Dienstleistungsproletariats am stärksten. Das hatte zur Folge, dass viele Dienstleistungen – Taxifahrten, Kinderbetreuung et cetera – teurer wurden. Im Fast-Food-Bereich stiegen die Stundenlöhne von 2020 bis 2023 um 23 Prozent, aber damit auch die Preise der Burger – weil die Konzerne die gestiegenen Lohnkosten an die Verbraucher weitergaben, trug dies zur Inflation bei. Und auch Trumps Einfuhrzölle würden – ebenso wie die Abschiebung von Millionen migrantischer Arbeitskräfte – gerade die Preise für den Konsum heftig in die Höhe treiben. Solche praktischen Widersprüche kommen bei Trump einfach nicht vor.

Was auch immer die Gründe für Trumps Wahlerfolg sind, es liegt auf der Hand, dass es den Demokraten ­immer weniger gelingt, breite Unterstützung zu gewinnen. Entsprechend ratlos und demoralisiert wirken sie. Die Hoffnung, dass Trumps Politik mit einer zweiten Wahlnieder­lage endgültig diskreditiert würde, hat sich nicht erfüllt. Vielmehr scheint es, als finge er gerade erst an.