Hund frisst Hausaufgaben
Im Büro gibt es eine ungeschriebene Regel: Der Chef entschuldigt sich nie. Es ist fast schon wie ein sportliches Event oder dieses Spiel, bei dem man nicht blinzeln darf. Aber der Chef ist ein wirklich standhafter Typ, der immer einen charmanten Weg findet, eine Entschuldigung zu vermeiden. Ein wenig fühlt es sich an, als trete er ständig im Ausreden-Bingo an.
Vergangene Woche kam der Chef zu spät bei einem Team-Workshop. Alle saßen schon beisammen und warteten fast eine halbe Stunde. Statt sich zu entschuldigen, erklärte er, dass der Verkehr »im Prinzip ein ganzes Konzept der Zeitverschwendung« sei. Alle nickten zustimmend, während manche wohl innerlich schon an den nächsten Stau auf dem Weg zur Kaffeemaschine dachten.
Als der Chef einmal versehentlich ein wichtiges Dokument gelöscht hatte, witzelte er statt einer Entschuldigung: »Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Dann müssen wir eben improvisieren.«
Vielleicht ist es eine andere Generation, in der Chefs weder die Herrscher der Aktenordner noch die lustigen Dudes am Tischkicker sind. Studien zeigen, dass die Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Führungsstil eher gering sind.
Bei alldem kann man zu dem Schluss kommen, dass Macht bedeutet, sich keine Fehler einzugestehen. Wer am wenigsten mächtig ist, muss sich nämlich ständig entschuldigen: für den kalten Kaffee, das fehlende Druckerpapier oder die knappe Deadline.
Natürlich kann es auch ein Zeichen von Stärke sein, wenn man Fehler zugeben kann. Im beschriebenen Fall liegt es aber vielleicht nicht ausschließlich an der Macht oder der Hierarchie im Betrieb. Besagter Chef ist als Mensch beispielsweise eigentlich ganz nett. Sein Verhalten hat wohl eher damit zu tun, dass er ein Typ ist, der Angst hat, seine Autorität zu verlieren.
Neulich kam es in Hinblick darauf zu einem wirklichen Erweckungserlebnis. Ich hatte vor drei Jahren als freie Mitarbeiterin einige Interviews für ein akademisches Forschungsprojekt geführt. Vergangenen Monat rief mich die damalige Leiterin an, um sich bei mir für den Stress im Projekt zu entschuldigen. Sie habe damals Druck weitergegeben, das sei nicht okay gewesen. Sie hoffte, dass ich ihre Entschuldigung annehme.
Reflexion und Stärke
Das war verblüffend! Vielleicht ist es eine andere Generation, in der Chefs weder die Herrscher der Aktenordner noch die lustigen Dudes am Tischkicker sind. Studien zeigen, dass die Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Führungsstil eher gering sind.
Aber vielleicht hat es doch auch etwas mit Geschlecht zu tun. Keine Ahnung, wie es Ihnen geht, aber so viel Reflexion und Stärke kenne ich von männlichen Vorgesetzten nicht. Man sollte das mit empirischer Forschung begleiten.