»Die Grenzen der Solidarität ausweiten«
Worum geht es bei den Veranstaltungen der Gruppe Masar Badil (MB)?
Von ihrem Selbstverständnis her ist MB eine Organisation, die sich an die gesamte palästinensische Diaspora richtet. Es geht häufig darum, die Teilnehmer darauf einzuschwören, dass die Solidarität mit Palästina jegliche Form des Widerstands umfassen müsse. In den Seminaren, für die MB ranghohe Funktionäre der Hamas, des Palästinensischen Islamischen Jihad oder der jemenitischen Houthi-Rebellen einlädt, gibt man sich demütig. Diese Führer betonen, wie wichtig Demonstrationen in Europa für die palästinensische Sache seien.
In welchem Verhältnis steht MB zu anderen palästinensischen Gruppen?
Unserer Einschätzung nach schließt die Gruppe direkt an die sogenannten Ablehnungsfronten an, die es in der palästinensischen Nationalbewegung seit den siebziger Jahren gibt. Also an die fraktionsübergreifenden Bündnisse von Linken, Islamisten und anderen Fraktionen, die jede Verhandlung und jedes Zugeständnis an Israel ablehnen. Dabei bemerkt man eine deutliche Nähe zur Terrorgruppe PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas); zum Beispiel ist der langjährige Generalsekretär und Gründer der PFLP, George Habash, in der Bildsprache besonders präsent.
Wie viele Mitglieder hat die Gruppe in Deutschland?
Wir gehen davon aus, dass MB international eine mittlere zweistellige Anzahl von Kadern hat und dass es in Deutschland etwa vier Leute gibt, die auch Funktionen bei MB haben. Und dann gibt es Unterstützer, die ich in Deutschland auf eine mittlere zweistellige Anzahl schätzen würde, die sich im Umfeld dieser Personen bewegen und zu Demonstrationen kommen.
»Es wäre für die zuständigen Behörden ratsam zu prüfen, ob es Verstöße gegen das Verbot von Samidoun gibt, weil MB möglicherweise als Ersatzorganisation begriffen werden muss.«
Sie schreiben in Ihrer Dokumentation, dass ein Aktivist von MB bei der Besetzung an der Humboldt-Universität beteiligt gewesen sei und mindestens zwei weitere an den Protesten außerhalb des Gebäudes, darunter Zaid »Abdulnasser« T. Dem ZDF hat T. die Teilnahme seiner Gruppe an der Besetzung bestätigt: Sie hätten die Studenten dort aufgefordert, »radikale Entscheidungen« zu treffen, darunter jene, alle Beziehungen zu dem »Gebilde« Israel vollständig abzubrechen.
Aus den Diskursen der Neuen Rechten kennt man die Idee eines politischen Kampfs um den vorpolitischen Raum – das ist etwas, auf das auch MB letztlich abzielt. In unserer Veröffentlichung zitieren wir einen in Schweden lebenden Aktivisten, der bezüglich der Programmatik seiner Gruppe ganz klar sagt, es gehe darum, die Grenzen der Solidarität auszuweiten, was auch den bewaffneten Widerstand für Palästina mit einschließen soll. Letztlich können wir es natürlich nicht abschließend beantworten, aber es ist jedenfalls eine sehr interessante Frage, wie sehr diese Diskursverschiebung in Deutschland auch tatsächlich von MB aktiv beeinflusst wurde.
Was sollte nun folgen?
Es wäre für die zuständigen Behörden ratsam zu prüfen, ob es Verstöße gegen das Verbot von Samidoun gibt, weil MB möglicherweise als Ersatzorganisation für Samidoun begriffen werden muss. Eine weitere Frage wäre, ob es strafbar ist, dass in Deutschland sitzende Aktivisten Seminare organisieren, in denen mit Funktionären der verbotenen Hamas gesprochen wird und in denen diese für ihre Ideen werben.