Trumps Spiel nicht mitspielen
Donald Trump tritt erneut an, um Präsident der USA zu werden, und auch in der EU regieren vermehrt Rechtspopulisten und erstarken die Rechtsextremisten. Was sind die Ursachen dieses rechten Aufschwungs und was könnte ihn aufhalten? Lars Quadfasel stellte zunächst fest, dass der Aufstieg des Rechtspopulismus und seiner Protagonisten vom Format Donald Trump keine Besonderheiten der USA darstellen. Georg Seeßlen beschrieb den Erfolg Donald Trumps als Ausdruck der dunklen Seite des Amerikanischen Traums (36/2024). Jörg Finkenberger analysierte das Erstarken des Rechtspopulismus als Folge der Krise bürgerlicher Politik, die auch die Sozialdemokratie längst erfasst hat (38/2024).
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Donald Trump wiederholte kürzlich seine Behauptung, Kamala Harris, die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, habe sich früher als indischstämmig verstanden und sei erst kürzlich dazu übergegangen, sich selbst als schwarze Frau zu vermarkten.
Das ist, wie üblich, grober Unfug und eigentlich nicht der Rede wert. Trumps Wortmeldungen oszillieren schließlich oft zwischen wirr und offenkundig falsch. Interessant war allerdings Harris’ Reaktion, als Trump diese Behauptung zum ersten Mal äußerte. Bei einem Wahlkampfauftritt kommentierte sie lapidar, dass es sich bei Trumps Einlassungen um die üblichen denunziatorischen Falschbehauptungen gehandelt habe. Mit der Botschaft, Amerika habe etwas Besseres verdient, hakte sie das Thema lässig ab.
Auf den ersten Blick sieht dieses Scharmützel unbedeutend aus, schließlich lebt Trump von Beschimpfungen und Lügen, mit denen die Demokrat:innen umgehen müssen – jahrelang hatte er beispielsweise die Verschwörungstheorie verbreitet, Barack Obama sei nicht in den USA geboren und deshalb nicht berechtigt, Präsident zu sein. Das politische Klima ist vergiftet, sachliche Gespräche sind oft unmöglich.
Und dennoch war etwas neu. Harris begegnete dem Trump’schen Unsinn nicht auf die bislang übliche Weise. Sie stellte nichts richtig und rechtfertigte sich nicht. Sie warf Trump seinen Rassismus nicht vor und entlarvte ihn nicht als Lügner.
Trump-Anhänger »weird« zu nennen, trifft diese womöglich deshalb, weil es auf des Kandidaten gruselig verspielten Charakter verweist, der allen bekannt ist, auch dessen Fans.
Diese gelassene Haltung hat System. Tim Walz, Harris’ Kandidat für die Vizepräsidentschaft, bekam viel Aufmerksamkeit, weil er Trump und dessen Anhänger als weird umschrieb. Das Wort ist schwer zu übersetzen, meint aber eine Mischung aus schräg, absonderlich und albern. Diese Rahmung hat sich bewährt und wurde zum Mittel der Wahl, um Trumps Unsinn – seinen bullshit, wie es im Englischen heißt – links liegen zu lassen. Rechtspopulistische Medien wie Fox News oder News Max schäumten vor Wut, wussten aber offenbar nicht, wie auf diese Taktik zu reagieren sei.
Harris’ souveräne Reaktion hatte drei Vorteile. Harris vermied es erstens, Trumps Aussage zu wiederholen. Sie diskutierte seine Ausfälle nicht und trug so auch nicht dazu bei, den Humbug medial präsent zu halten. Dafür gibt es keinen Bedarf: Wer immer noch nicht weiß, was von Trump zu halten ist, will es nicht wissen.
Wenig sinnhaftes Geschwätz
Zweitens setzen Harris und Walz genau das voraus. Aufklärung über die Abgründe des politischen Gegners ist nicht mehr nötig, weil die klar zu sehen sind. Das ist erfrischend. Immer wieder erklärt zu bekommen, dass Trump und die politische Rechte rassistisch, unsachlich und unanständig sind, ermüdet nur. Und dass die meisten Aussagen von Trump wenig sinnhaftes Geschwätz sind, war spätestens seit Beginn seiner Amtszeit 2016 nicht mehr zu übersehen.
Wer annimmt, das Publikum wisse mittlerweile Bescheid, vermeidet drittens den Tonfall der Belehrung und nimmt die Leute im gleichen Moment auf eine andere, wenn man so will demokratische Weise ernst. Wir alle, sagt Harris im Grunde, wissen doch, was gespielt wird. Damit umgeht sie die beim Wahlvolk unbeliebte elitäre Geste, wie sie in der Wahrnehmung vieler Republikaner eng mit dem Namen Hillary Clinton verbunden ist.
Trumps Fans glauben sein Gerede
Die Unsicherheit, von der Trumps Anhänger befallen werden, wenn sie nur »Ihr seid weird« hören, lässt eine weitere Vermutung zu: Auch sie wissen eigentlich Bescheid und fühlen sich ertappt. Selbst die meisten Trump-Fans dürften wissen, dass dessen Aussage in der Fernsehdebatte mit Kamala Harris, die Demokraten würden Abtreibungen »nach dem neunten Schwangerschaftsmonat« befürworten, nicht stimmen kann; dass nicht »mehr als 100 Prozent aller neuen Jobs an Migrant:innen« gehen können und dass Kommunismus und Untergang nicht unausweichlich sind, wenn Harris die Wahl gewinnt. Obwohl sie es besser wissen, glauben seine Fans an Trumps Gerede. Dieser Zustand ist tatsächlich weird.
Die bisher üblichen Versuche, dem Problem beizukommen, hatten nur bedingt Erfolg: Sachliche Gegenargumente und die seit einigen Jahren populären fact checks haben kaum irgendwen aus den Fängen der Trump’schen Affektmanipulationen loseisen können. Vielleicht ist der neue Umgang der Demokraten, der mit dem Begriff weird verbunden ist, so erfolgreich, weil das, was die Trump-Anhänger tun, wie ein Spiel funktioniert.
Was man im Spiel tut, muss sich nicht an seinem Realitätsgehalt messen lassen, es ermöglicht eine Verantwortungslosigkeit, die viele als befreiend erleben dürften.
Ein Spiel ist weder bedeutungsloser Spaß noch profaner Ernst, sondern es löst Leidenschaften und Gefühle aus, stiftet Gemeinschaft und schafft alternative Wirklichkeiten, indem es ermöglicht, Haltungen einzunehmen, die man in einem anderen Kontext kaum vertreten könnte. Was man im Spiel tut, muss sich nicht an seinem Realitätsgehalt messen lassen, es ermöglicht eine Verantwortungslosigkeit, die viele als befreiend erleben dürften – schließlich müssen auch Trump-Fans in der Regel im persönlichen Alltag einigermaßen vernünftig agieren und dürften es dementsprechend genießen, sich gehen zu lassen, wenn es sich um Politik handelt.
Das soll selbstredend nicht bedeuten, die brutale Wirklichkeit dieser Politik als spielerisch oder gar spaßig zu verharmlosen. Es geht vielmehr um den Versuch, den Zirkus besser zu verstehen: Nicht ständig auf rechte Provokationen zu reagieren und stattdessen ein simples weird zurückzugeben, trifft Trump-Anhänger womöglich deshalb, weil es auf des Kandidaten gruselig verspielten Charakter verweist, der allen bekannt ist, auch Trumps Fans selbst.
Den Zirkus besser verstehen
J. D. Vance, Trumps ziemlich schräger Kandidat für die Vizepräsidentschaft, legte kürzlich unabsichtlich offen, wie das Spiel gespielt wird. In einem Interview mit CNN über den von ihm behaupteten vermeintlichen Skandal, dass Einwander:innen aus Haiti in der Stadt Springfield Haustiere essen, sagte er: »Wenn ich Geschichten erfinden muss, um die Aufmerksamkeit der amerikanischen Medien auf das Leiden der einheimischen Bevölkerung zu lenken, dann werde ich das tun.«
Das dreiste Spiel hat reale Folgen: In der Kleinstadt in Ohio kam es unter anderem zu einer Serie von Bombendrohungen und einem Aufmarsch der rechtsextremen Gruppe Proud Boys. Die verschwundene Katze Miss Sassy ist mittlerweile unversehrt nach Hause zurückgekehrt. Deren Besitzerin hatte mit ihrem bei Facebook veröffentlichtem Verdacht, ihr Haustier sei von ihren haitianischen Nachbar:innen gegrillt worden, den Grundstein für Trumps und Vances Behauptungen geliefert.
Wenn Markus Söder (CSU) etwa vor einer »Zwangsveganisierung Bayerns und Deutschlands« warnt, nutzt er ersichtlichen Unsinn zur Stimulierung politischer Affekte. Man darf durchaus annehmen, dass dies die meisten Zuhörer schon erkennen. Wer dennoch applaudiert, ist weird.
Trumps Art hat längst auf die europäische und deutsche Politik abgefärbt. Wenn Markus Söder (CSU) etwa vor einer »Zwangsveganisierung Bayerns und Deutschlands« warnt, nutzt er ersichtlichen Unsinn zur Stimulierung politischer Affekte. Man darf durchaus annehmen, dass dies die meisten Zuhörer schon erkennen. Wer dennoch applaudiert, ist weird. Es könnte interessant sein, was passieren würde, wenn man allgemein gelassen annähme, dass der Unsinn nicht entlarvt werden muss.
Allerdings bleiben insbesondere die medialen Strukturen bestehen, die Trump und seinem Politikstil, neben anderen Dingen, zum Aufstieg verholfen haben. Eine aus Erregung Gewinn schöpfende politische Ökonomie der Medien ermöglicht, dass der bullshit immer wieder große Aufmerksamkeit bekommt.
Streit zu inszenieren, zu polarisieren und Emotionen und Empörung auszulösen, verspricht bekanntlich Klicks und Quoten. Dafür braucht es widerstreitende Positionen, dafür müssen schroffe Konflikte inszeniert werden. Sachlichkeit ist langweilig und deshalb unwirtschaftlich.
Übrig bleiben Affekte
Die neuen technischen Möglichkeiten, mit denen etwa deep fakes üblich werden, verschärfen die Lage zusätzlich. Beweise können in Zweifel gezogen werden, weil sich alles fälschen, aber auch alles Reale als fake diskreditieren lässt.
Damit dürfte sich die Tendenz weiter verschärfen, nur das zu glauben, was ins eigene Weltbild passt. Die ökonomischen und die technischen Entwicklungen digitaler Medien erschweren also systematisch den Abgleich medialer Inhalte mit dem, was man landläufig Realität nennt.
Übrig bleiben womöglich nur Affekte. Diese als weird zu qualifizieren, ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung, die entsprechende Haltung würde auch der hiesigen Debatte guttun. Die medialen Strukturen allerdings nützen grundsätzlich dem Unsinn und lassen befürchten, dass der Trumpismus seinen Namensgeber überdauern wird.