Die AfD und das braune Brandenburg
Diesmal wurde die AfD zwar nicht stärkste Kraft wie kürzlich in Thüringen. Doch das Ergebnis von 29,2 Prozent bei der Landtagswahl in Brandenburg am Sonntag feierte die AfD trotzdem. »Jetzt geht’s ab, wir schieben sie alle ab« lautete der Text eines KI-generierten Schlagersongs, der bei der Wahlparty der AfD in Potsdam gespielt wurde. Dazu tanzte ein grinsender Mann in der Menge. Auf dem Schild, das er hochhielt, war zu lesen: »Millionenfach abschieben«.
Die AfD hat im Landtag künftig 30 von 88 Sitzen. Sie hat damit eine Sperrminorität, kann also alle Entscheidungen blockieren, für die es eine Zweidrittelmehrheit braucht – Verfassungsänderungen zum Beispiel oder die Ernennung von Landesverfassungsrichtern.
Verein Zukunft Heimat »länderübergreifendes Scharnier«
Die Wahl in Brandenburg zeigt einmal mehr: Immer extremere Positionen und Rhetorik sind für die AfD eher förderlich als hinderlich, insbesondere im Osten der Republik. Am Spitzenkandidat der Partei in Brandenburg, Hans-Christoph Berndt, kann man das deutlich erkennen. Der 68jährige Mediziner trat 2018 in die AfD ein.
Er behauptet, dass er sich erst 2015 politisiert habe, im Zusammenhang mit den damals verstärkt die EU erreichenden Fluchtbewegungen. In dem Jahr gründete er den Verein Zukunft Heimat, den der Verfassungsschutz des Landes Brandenburg als »länderübergreifendes Scharnier« unterschiedlicher Gruppen »von der gewaltbereiten Hooligan- und Kampfsportszene bis hin zu führenden Köpfen des intellektuellen Rechtsextremismus und der AfD« einordnet.
Im Wahlkampf forderte die AfD-Landtagsabgeordneten Lena Kotré, eine privatwirtschaftliche »Abschiebeindustrie« aufzubauen.
Nach Angaben des Verfassungsschutzes wirkte bei dem Verein auch der Neonazi Marcel Forstmeier mit – ein ehemaliges NPD-Mitglied und Kopf der 2012 verbotenen Nazi-Kameradschaft »Widerstandsbewegung in Südbrandenburg«, zu der die Gruppe »Spreelichter« gehörte, die Proteste und Flashmobs veranstaltete. 2020 begründete der brandenburgische Verfassungsschutz in einem 112seitigen vertraulichen Vermerk, warum der AfD-Landesverband ein rechtsextremer Verdachtsfall sei. Darin hieß es – der Spiegel zitierte daraus –, der AfD-Spitzenkandidat Berndt werde »in Teilen von Forstmeier massiv beeinflusst bzw. sogar gesteuert«.
Mit dieser Verbindung wurde Berndt kürzlich im Gespräch mit der Welt konfrontiert. Seine Antwort: Er wünsche sich, dass es »mehr so anständige Menschen gibt«, wie Forstmeier einer sei. Der habe als Jugendlicher Kampagnen gemacht, die »sehr erfolgreich« gewesen seien, woraufhin die Kameradschaft »als Neonazis geframt und verboten« worden sei. Der AfD-Spitzenkandidat versuchte kurz vor der Landtagswahl also nicht einmal, einen Anschein von Distanz zu wahren.
Auch die Wahlwerbung der AfD-Landtagsabgeordneten Lena Kotré hatte es in sich. Sie forderte, Geflüchtete von öffentlichen Veranstaltungen auszuschließen, DNA-Tests bei Personen ohne Pass durchzuführen und eine privatwirtschaftliche »Abschiebeindustrie« aufzubauen. Als Werbegeschenk ließ sie einen Kubotan produzieren und bei Veranstaltungen verteilen, einen einseitig geschärften Metallstab, der in manchen Ländern als Waffe gilt und verboten ist. In einem Interview mit dem ZDF-Fernsehmagazin »Frontal« kündigte sie an, eine Anleitung nachzuliefern, »wie man diese Dinger besonders gut verwenden kann«. Kotré gewann das Direktmandat im Wahlkreis Barnim III nördlich von Berlin.
»Objektive Voraussetzungen für eine Revolution«
Nur eine Woche vor der Wahl fand ein Vernetzungstreffen des extrem rechten Diskussionszirkels Metapol statt, den ehemalige NPD-Kadern gegründet haben. Moderiert hat das Treffen, das sich dem Thema »Regime-Change« widmete, Tim Krause – ein Beisitzer im Landesvorstand der AfD Brandenburg, Potsdamer Stadtverordneter und Direktkandidat im Wahlkreis Potsdam I (wo er erwartungsgemäß unterlag). Über das Treffen berichtete die Taz in einer gemeinsamen Recherche mit dem Medienprojekt Recherche-Nord.
Bei Metapol wirkt unter anderem Pierre Dornbrach mit, ein ehemaliger Schulungsleiter der NPD-Jugendorganisation Junge Nationalisten. »Es entwickeln sich gerade ernsthafte objektive Voraussetzungen für eine Revolution«, hieß es im Ankündigungstext. Welche Art »Revolution« den Veranstaltern des Treffens unter Krauses Moderation vorschwebt, lässt der Shop des an Metapol angegliederten Verlags erahnen. Dort werden Bücher mit Titeln wie »Der weiße Ethnostaat« vertrieben, dessen Autor 2019 für die NPD kandidierte.
Ein weiterer Referent war der Taz zufolge Erik Ahrens, der beim diesjährigen Europawahlkampf für die Tiktok-Kampagne der AfD zuständig war, vor allem für den Spitzenkandidaten Maximilian Krah. Nachdem Ahrens kürzlich eine Anleitung dafür veröffentlicht hatte, Tiktok-Videos tanzender Mädchen zu manipulieren, indem man sie mit einem Pro-AfD-Lied unterlegt, distanzierte sich sogar die AfD von ihm.
»Kampf um das Überleben der eigenen Rasse«
Ahrens veröffentlicht Texte auf dem Blog von Metapol. In seinem jüngsten Beitrag von Anfang September schrieb er: »Einen Kampf um das Überleben der eigenen Rasse führt man unmöglich in wohligen Rauschzuständen.« Auffällig bei Ahrens sind – neben dem expliziten Sprechen über »Rasse« und »Genetik« – misogyne Versatzstücke, die an das Incel-Milieu erinnern.
Das nimmt in den sozialen Medien teils groteske Züge an, etwa wenn Ahrens Merkmale einer »genetisch linken Frau« aufzählt, die »nicht monogam« sei, »Tattoos« habe oder »geisteskrank« sei. In einem anderen Post forderte er, dass es »oberste Priorität« sein müsse, das »Testosteron der Deutschen wieder zu steigern«. Beim Seminar am 14. September sollte er darüber referieren, wie Influencer rechte Weltanschauung verbreiten können.
Dornbrach wurde bereits im vergangenen Jahr für eine Strategietagung der Jugendorganisation der AfD, der Jungen Alternative, als Redner eingeladen. Im vorigen Sommer dokumentierte Recherche Nord eine Veranstaltung von Metapol im thüringischen Guthmannshausen. Dort trat unter anderem Erik Lehnert als Redner auf. Der war Geschäftsführer des Instituts für Staatspolitik (IfS), bis dieses sich im Mai selbst auflöste, und ist nun Mitarbeiter der AfD-Fraktion in Brandenburg.
Sammelbecken für geschulte Neonazis
Der frühere Vorsitzende der AfD Brandenburg, Andreas Kalbitz, stolperte 2020 noch über seine Vergangenheit in der 2009 verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ). Doch ein Blick über die Landesgrenzen zeigt, dass dies heutzutage kein Hindernis mehr darstellt. In Roßlau, einem Ortsteil der Doppelstadt Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt, wurde im Sommer dieses Jahres mit Laurens Nothdurft ein früherer Führungskader der HDJ mit AfD-Parteibuch zum Ortsbürgermeister gewählt. Von den Medien mit diesem Umstand konfrontiert, schob er dies schlicht mit dem Satz beiseite: »Meine Vergangenheit ist hinlänglich bekannt.«
Sein Bruder Felix, der wie auch beider Vater ebenfalls eine HDJ-Vergangenheit hat, arbeitete der Taz zufolge 2013 für die Brandenburger Landtagsfraktion unter Andreas Kalbitz, war später im Bundestag für den damaligen AfD-Co-Vorsitzenden Alexander Gauland tätig und ist heutzutage nach Angaben des MDR als einer von vier Mitarbeitern mit HDJ-Vergangenheit bei der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt angestellt. Wenigstens im Osten der Republik scheint die AfD zum Sammelbecken für geschulte Neonazis geworden zu sein. Das versucht die Partei auch kaum noch zu verschleiern – bei den Wahlen schadet es ihr ohnehin nicht.