Im rumänischen Fußball wurden immer schon politische Konflikte ausgetragen

Staat, Spiele, Gewalt

Erst importiert, dann politisiert und schließlich dämonisiert: Die vergangenen 100 Jahre des rumänischen Fußballs waren geprägt von staatlicher Kontrolle, politischen Konflikten, aber auch Ekstase und Gewalt.

Der Fußball wurde wohl von Studenten nach Rumänien gebracht. Aus dem Westen gelangte die Sportart erst nach Transsylvanien (Siebenbürgen) und breitete sich von dort langsam auch im Königreich Rumänien aus, das sich 1881 kurz nach der Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich konstituiert hatte.

Nach der offiziellen Historiographie des rumänischen Fußballs wurde das erste Spiel 1888 in Arad, damals noch Österreich-Ungarn, gespielt; seit 1920 gehört die Stadt zu Rumänien.

Von den Vereinen, die vor 1944 im alten Königreich gegründet wurden, existieren kaum mehr welche. 

Der Fußballclub CFR Cluj wurde 1907 gegründet als Kolozsvári Vasutas Sport Club (Eisenbahn-Sportclub Klausenburg; Kolozsvár ist der ungarische, Cluj der rumänische Name der Stadt, die CFR ist das Eisenbahnunternehmen des rumänischen Staats). Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs gehörte die Stadt ebenfalls zu Österreich-Ungarn.

1919 wurde dann von rumänischen Professoren in Cluj ein weiterer Fußballverein gegründet: Universitatea (oder einfach nur »U«) Cluj. Die Gründung von U Cluj war Teil der sogenannten Rumänisierung, also der Bekämpfung der kulturellen und ökonomischen Dominanz Ungarns in der Region Cluj.

Das wird vor allem dadurch deutlich, dass U Cluj, zusammen mit der dazugehörigen rumänischen Universität, von 1941 bis 1944 von den ungarischen »Besatzern«, wie es aus rumänischer Sicht heißt, aus Cluj verbannt wurde und nach Sibiu umziehen musste; Cluj und weitere Gebiete hatte Rumänien 1940 auf Druck Deutschlands und Italiens an Ungarn abtreten müssen. CFR Cluj durfte dagegen bestehen bleiben, was rumänische Nationalisten bis heute als schlimmen Affront empfinden.

Von den Vereinen, die vor 1944 im alten Königreich gegründet wurden, existieren kaum mehr welche. Farul Constanța (gegründet 1920 als SPM Constanța), Rapid Bukarest (1923, als CFR Bukarest) und Petrolul Ploiești (1924, als Juventus Bukarest) sind die letzten relevanten Überbleibsel der vorkommunistischen Zeit. Sie alle sind Arbeiterclubs, gegründet von Hafenarbeitern, Eisenbahnern oder Beschäftigten in der Ölindustrie. Anders als viele jüngere Vereine verfügen diese Clubs über eine für ­rumänische Verhältnisse sehr große und historisch gewachsene Anhängerschaft.

Der Stalinismus und die Struktur des Wett­bewerbs

Mit dem Beginn der stalinistischen Ära, der 1965 Nicolae Ceaușescu und sein Nationaler Kommunismus folgten, erlebte der rumänische Fußball eine Wende. Vor allem mit der Gründung staatlicher Vereine wie Steaua oder Dinamo Bukarest änderte sich die komplette Struktur des Wett­bewerbs. Bei den 59 Meisterschaften, die zwischen 1946 und 2007 statt­fanden, gewannen Steaua und Di­na­mo (beziehungsweise deren Vor­gängerclubs) bei insgesamt 41mal den Titel: Steaua 23mal, Dinamo 18mal.

Diese Dominanz wird besonders interessant, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass Steaua Bukarest der Militärverein des Vertei­digungsministeriums war und Dina­mo der Verein der Polizei. Ein klarer Vorteil, wenn öffentliche Gelder zur Kader­zusammenstellung benutzt werden können und unliebsame Gegner, vor allem die Teams, die das umgarnte und gleichzeitig doch mit Misstrauen betrachtete Proletariat verkörperten, durch Spielmanipulation besiegt werden können. So sind die Titelgewinne von UTA Arad, Rapid Bukarest, Petrolul Ploiești wie auch von Universitatea Craiova in dieser Zeit eigentlich kleine Wunder.

Aber auch die Zeit von Dinamo Bukarest sollte irgendwann zu Ende sein, da sich Familie Ceaușescu bei­nahe gänzlich auf Steaua konzen­trierte – so sehr, dass Sohn Valentin Ceaușescu in den achtziger Jahren das Management des Vereins übernahm. Vom System ausgekungelter Siege und den korrupter Schiedsrichter profitierte dann beinahe ausschließlich Steaua. Dass vor allem Steaua auch nach der Hinrichtung des Ehepaars Ceaușescu zu Weihnachten im Jahr 1989 und dem formalen Ende des realsozialistischen Regimes noch lange an der Spitze des rumänischen Fußballs thronen sollte, hatte vor allem mit der besseren ökonomischen Ausgangslage und wohl auch mit weiterhin betriebener Schiedsrichterbestechung zu tun.

Kein Interesse am Wohlergehen von Minderheiten

Obwohl auch vor der Zeit des Ceaușescu-Regimes die Mannschaften aus Cluj nie Meister wurden, spielten sie vor allem als Rivalen und Austräger des weiterschwelenden ungarisch-rumänischen Konflikts eine große Rolle. Auch in der kommunistischen Zeit spielten die Clubs von Cluj konstant in der obersten rumänischen Liga. U Cluj gewann 1965 sogar einmal den Pokal. Doch wo sind sie hin, die Vereine aus den ehemals ungarischen Territorien Rumäniens?

Der Nationale Kommunismus, dem ein einheitliches Rumänentum vorschwebte, aber auch schon seine stalinistische Vorläufer, waren nicht unbedingt interessiert an dem Wohlergehen von Minderheiten. Auf dem Papier waren alle Bürger und Bürgerinnen Rumänen. Von wenigen positiven Auswirkungen abgesehen führte das zu kultureller Unterdrückung von Minderheiten. Beim Fußball galt diese Unterdrückung besonders der ungarischen Minderheit, vor allem unter Ceaușescu wurde die Sportart zu einer Demonstration der Überlegenheit der Rumänen. Mit anderen Worten: Der Versuch der kulturellen Homogenisierung der Bevölkerung schickte Fußballvereine aus den 1919/1920 hinzugewonnen ungarisch und auch deutsch geprägten Gebieten des alten rumänischen Königreiches de facto in die Irrelevanz.

Die Ultras von Rapid Bukarest singen bis heute ein Lied, in dem sie den Tod Ceaușescus feiern, da er jetzt nicht mehr befehlen kann, dass Steaua ein Spiel gewinnen muss.

Fernab von nach 1989 wieder heftig aufflammenden ethnonationalistischen Konflikten war Klassenkampf ebenso ein Aspekt des rumänischen Fußballs. Der Enthusiasmus oder, weniger wohlwollend ausgedrückt, die Akzeptanz der Bevölkerung für das Regime schwand mit der Zeit. So manifestierte sich auch der Unmut über Ceaușescu und vor allem seinen Einfluss auf das Spiel in den Stadien. Besonders die traditionellen Arbeiterclubs und deren Anhänger wurden zu hör- und sichtbaren Gegnern des Regimes. Logischerweise fand man solche dagegen nicht bei den Clubs, die zuvor jahrzehntelang von der Einflussnahme profitiert hatten. Bis heute hält sich dieser Konflikt, wenn auch nur symbolisch. So singen zum Beispiel die Ultras Rapid Bukarests einen Song, in dem sie den Tod Ceaușescus feiern, da er jetzt nicht mehr befehlen kann, dass Steaua ein Spiel gewinnen muss.

Dieser Kampf der vom Regime ungeliebten Vereine war jedoch mit dem Sturz des Ceaușescu-Regimes nicht zu Ende. Die privilegierte Ausgangslage von Dinamo und Steaua sicherten ihnen auch in den Folgejahren die meisten Titel und auch die Neunziger waren durch und durch von Korruption und Einflussnahme geprägt. Daran änderte auch die neu strukturierte erste Liga nichts, in welche nur Vereine dürfen, die sich in Privatbesitz befinden. Rackets dominierten nicht nur bis 1989 den Staatsapparat, sondern auch das ab 1990 priva­tisierte Staatsvermögen.

So war und ist es teils noch heute völlig normal, dass Politiker und die Patrone der Vereine sich vor allem Hooligans und Ultras zunutze machten. Ganz besonders in den nuller und zehner Jahren wurden Hooligans und Ultras von den Vereinsbossen in deren Firmen angestellt. Die extremen Fans wurden auch schnell zu Handlangern für Politiker. So gibt es mehrere gesicherte Fälle, in denen vor allem Hooligans als Security für Lokalpolitiker arbeiteten. Ein effek­tives Mittel, um auf Veranstaltungen Kritiker einzuschüchtern und Protest zu unterbinden.

Proteste im postkommunistischen Rumänien

Die zehner Jahre erlebten auch die größten Proteste in der Geschichte des postkommunistischen Rumäniens. Zum einen die Proteste gegen eine geplante Goldmine in den ­Karpaten und zum anderen riesige Proteste gegen ein Gesetz, das Korruption quasi straffrei machen würde. In beiden Fällen kam es zu hef­tigen, gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Polizisten und Demonstranten, für die im Nachhinein Ultras und Hooligans verantwortlich gemacht wurden. Bis heute kursieren Gerüchte, dass die Hools und die Ultras speziell engagiert worden seien, um Unruhe zu stiften und ­einen Vorwand für Polizeigewalt zu schaffen. Beweise gibt es dafür nicht.

Vor allem seit den Protesten gegen das Korruptionsgesetz werden die Gesetze zu fußballrelevanten Themen wie Pyrotechnik und Ausschreitungen im Stadion immer wieder verschärft. Interessant hierbei ist, dass sich Repression in ­Schüben alle vier Jahre besonders bemerkbar macht. Warum? Fragt man das die ortsansässigen Ultras, gibt es dafür nur einen Grund: die Wahlen. Es scheint so, als würde der Staat alles versuchen, um in den Wahljahren Stärke und Kontrolle zu signalisieren.

2024 wurde ein neues Gesetz vorgelegt, das den Einsatz von Pyrotechnik im Stadion mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. 

So auch 2024. Nach drei Jahren, die bis auf einen Zwischenfall im Jahr 2022 außergewöhnlich ruhig verliefen, kam es 2024 zu regelrechten Hausdurchsuchungswellen, dazu wurde ein neues Gesetz vorgelegt, das den Einsatz von Pyrotechnik im Stadion mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Außerdem kam es zu großen Polizeieinsätzen und Schikanen bei Fußballspielen.

Der Höhepunkt des Konflikts zwischen den Ultras und dem, was sie mehr oder minder berechtigt als Polizeistaat betiteln, war eine Aktion kurz vor der EM. Beim Testspiel zwischen Rumänien und Liechtenstein schlossen sich beinahe alle Ultraszenen Rumäniens zu einem Protestmarsch zum Stadion und einer anschließenden Protestaktion während des Spiels zusammen. Was gut orga­nisiert begann, wurde dann jedoch immer mehr zu einem Fest des Nationalismus, bei dem sich der Fokus vom Protest hin zum Abfeiern des Rumänentums mit heftigen Bekundungen von Feindschaft gegen Ungarn verlagerte. Trotzdem meldete sich der Verband anschließend bei den organisierten Szenen und fragte nach Vorschlägen für Modifikationen des Gesetzestextes. Vielleicht erlebt der rumänische Fußball ja nun ein neues Zeitalter.