»Der Islamismus macht sich in den Familien breit«
Geht es um Islamismus in Deutschland, wird meist über Terrorgefahr, Großdemonstrationen oder einschlägige Organisationen diskutiert. Wie äußert sich der Islamismus im Alltag deutscher Muslime, in der Familie, im Freundeskreis?
Auch Muslime assoziieren mit dem Islamismus vor allem Terroranschläge. Und selbst wenn Attentäter bekennende Muslime sind, wird meistens negiert, dass das etwas mit dem Islam zu tun hat. Es wird auch oft gesagt, dass es sich bei den Tätern nicht um wahre Muslime handele. Die Realität wird einfach verdrängt, vor allem deshalb, weil man sich mit dem Islamismus an sich nicht auseinandersetzen will. Er gilt als etwas Externes. Er ist für viele Muslime nicht der wahre Islam, denn der bedeutet für sie Frieden und hat in ihren Augen damit nichts zu schaffen.
Wie macht sich neben dieser Verdrängung in Familien und Freundeskreisen eine Hinwendung zum Islamismus bemerkbar?
Diese Hinwendung ist schon lange zu beobachten. Die im Verfassungsschutzbericht dem Islamismus zugeordnete türkeistämmige Millî Görüş beispielsweise ist im Leben dieser Einwanderergruppe stark verankert. In den Achtzigern und Neunzigern war zu beobachten, dass immer mehr Mädchen verhüllt in die Schule kamen oder nicht am Schwimmunterricht teilnehmen sollten. Der Salafismus hat wiederum in Moscheegemeinden Einfluss gewonnen, in denen sich junge Muslime zusammengefunden haben, die untereinander oft in deutscher Sprache und eben nicht in der Herkunftssprache der Eltern gepredigt haben. Damit wollten sich diese jungen Männer auf den Weg des »wahren Islam« begeben, nicht den des Islam ihrer Eltern.
Geht es also auch um Generationenkonflikte?
Ja. Menschen sind aus verschiedenen muslimischen Ländern nach Deutschland gekommen, als Studenten, als Gastarbeiter oder als Geflüchtete. Sie praktizieren den Islam ihrer Herkunft, den sie auch als Identitätsanker verstehen.
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