Eisenacher Neonazis wird von der Justiz die Bildung einer terroristischen Ver­einigung vorgeworfen

Der Eisenach-Komplex

Die Generalbundesanwaltschaft hat Anklage gegen vier Eise­nacher Neonazis wegen Bildung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung erhoben. Zwei der Angeklagten sind Zeugen im Antifa-Ost-Verfahren gegen Lina E.
Kommentar Von

Sie wollten mit Gewalt einen »Nazi-Kiez« errichten und sich dort als »bestimmende Ordnungsmacht« etablieren, das Ziel ihrer Gruppe war »die Begehung von Körperverletzungsdelikten« und die »Tötung von Personen der linksextremen Szene«. Vergangene Woche gab die Generalbundesanwaltschaft mit dieser Begründung bekannt, dass sie gegen vier Mitglieder der rechtsextremen Kampfsportgruppe »Knockout 51« aus Eisenach Anklage erhoben hat. Leon R., Bastian A., Maximilian A. und Eric K. wird die Gründung und Mitgliedschaft in einer »kriminellen und terroristischen Vereinigung« vorgeworfen. Die vier Neonazis wurden bereits im April vergangenen Jahres bei einer bundesweiten Razzia festgenommen und sitzen seitdem in Untersuchungshaft.

Die Ermittlungen gegen die Gruppe und ihr Umfeld laufen bereits seit Januar 2021. Sie zeigen ein dichtes Netzwerk rechtsterroristischer Gruppen mit vielen personellen Überschneidungen, in dem Leon R. eine zentrale Rolle spielte. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei vom Mai vergangenen Jahres geht hervor, dass gegen Leon R., laut Bundesanwaltschaft Anführer und »Rädelsführer« von »Knockout 51«, ­parallel Ermittlungen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in und Unterstützung einer weiteren terroristischen Vereinigung, der »Atomwaffendivision Deutschland«, laufen. Er habe außerdem persönliche Kontakte zur verbotenen Nazi-Organisation »Combat 18 Deutschland«. Darüber hinaus gibt es ein weiteres Verfahren ­gegen fünf Beschuldigte wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung »Sonderkommando 1418«, das in Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen »Knockout 51« steht.

Polizei und Justiz haben dem faschistischen Treiben in der Stadt jahrelang tatenlos zugesehen.

In den Anklagepunkten der Bundesanwaltschaft gegen die Eisenacher Neonazis findet sich, bis auf die konkreten Tötungsabsichten gegenüber Linken, wenig Neues. Das Problem der rechtsextremen Gewalt in der braunen Mitte Deutschlands ist schließlich schon seit Jahren bekannt. Das Neue ist vielmehr, dass die Behörden gegen sie aktiv werden, und dann auch noch mit dem Paragraphen 129a des Strafgesetzbuchs (»Bildung terroristischer Vereinigungen«), dem schärfsten Instrument des Staats gegen nichtstaatliche politische Gewalt. Zuvor haben Polizei und Justiz dem faschistischen Treiben in der Stadt jahrelang eher tatenlos zugesehen. Diejenigen wiederum, die etwas gegen den rechten Terror unternommen haben sollen, stehen derzeit in Dresden vor Gericht. Viele der Angriffe, die der Gruppe um Lina E. vorgeworfen werden, zielten auf wichtige Exponenten der rechtsextremen Gewalt in Eisenach. Leon R. traf es gleich zweimal, einmal in der von ihm betriebenen Kneipe »Bull‘s Eye«, einmal vor seiner Haustür. Maximilian A. war bei beiden Angriffen ebenfalls an Ort und Stelle. Beide sagten daher im Prozess gegen Lina E. aus.

Leon R. gehört zusammen mit Maximilian A. somit zu den wichtigsten Zeugen im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren gegen Lina E. Das Urteil, das spätestens Ende Juni erwartet wird, könnte also auf den Aussagen von Neonazis gründen, die nun sogar von der Generalbundesanwaltschaft als mutmaßliche Rechtsterroristen eingestuft wurden und die sich verabredet hätten, Antifaschist:in­nen zu töten, wie jene, gegen die sie nun aussagen. Eine ihrer Gruppe vorgeworfene Tat hat sogar einen direkten Bezug zum Verfahren in Dresden: In der Nacht vor seiner Festnahme im April vergangenen Jahres brach Bastian A. einer Person die Nase, weil diese vor dem Oberlandesgericht Dresden Angaben zu »Knockout 51« gemacht hatte. Waren die rechtsextremen Zeugen schon zuvor äußerst unglaubwürdig, sind sie mit der Anklage wegen Rechtsterrorismus untragbar geworden.

Darüber hinaus kann man am Eisenach-Komplex im Antifa-Ost-Verfahren gut aufzeigen, dass es bei Auseinandersetzungen zwischen Antifaschist:innen und Neonazis in der Regel nicht darum geht, politische Meinungsverschiedenheiten mit Gewalt auszutragen, wie es auch in der Anklageschrift gegen Lina E. angedeutet wird. Sondern es geht darum, Nazis davon abzuhalten, das zu tun, was sie tun, wenn man sie nicht davon abhält: Menschen zu bedrohen, zu vertreiben, zu verprügeln oder gar zu töten, die in ihrer Vorstellung einer national befreiten Zone keinen Platz haben.