Beim Umweltgipfel in Gabun hofierte der französische Präsident Emmanuel ­Macron afrikanische Autokraten

Grüne Lunge in Öl

Beim One Forest Summit in Gabun und anschließenden Besuchen in drei weiteren afrikanischen Staaten traf der französische Präsident Emmanuel Macron auch mit altgedienten Autokraten zusammen.

Artenschutz ist eines der wichtigsten Themen der Gegenwart. Doch gilt dieser Schutz auch für bedrohte Spezies wie Präsidenten auf Lebenszeit? Diese Frage wurde indirekt durch das Gipfeltreffen One Forest Summit aufgeworfen, das am Mittwoch und Donnerstag voriger Woche in Libreville, der Hauptstadt Gabuns, stattgefunden hat.
In vielen afrikanischen Staaten begrenzen mittlerweile Verfassungsbestimmungen die Amtszeit der Präsidenten. Aber es gibt sie noch, die altgedienten Herrscher, die um keinen Preis der Macht entsagen möchten. Da wäre beispielsweise Teodoro Obiang, Jahrgang 1942, seit 1979 Präsident des ebenfalls erdölreichen und diktatorisch regierten Nachbarstaats von Gabun, Äquatorialguinea. Oder Denis Sassou-Nguesso, Jahrgang 1943, der in der Republik Kongo (bekannt auch unter dem Namen Kongo-Brazzaville) ebenfalls 1979 die Macht übernahm, sie aber 1992 für fünf Jahre verlor, weil sich Pascal Lissouba erdreistet hatte, sich mit demokratischen Mitteln zu seinem Nachfolger wählen zu lassen. Sassou-Nguesso ließ eine solche Schmach nicht auf sich sitzen und putschte sich 1997 ins Amt zurück (Offensiv in La Défense, Jungle World 43/1997).

Ali Bongo, Jahrgang 1959, ist erst seit 2009 Präsident Gabuns – allerdings als Repräsentant einer politischen Dynastie. Er setzt die Herrschaft seines in jenem Jahr nach 42jähriger Präsidentschaft verblichenen Vaters Omar Bongo (Die Beziehungen zwischen Frankreich und Gabun: Frankreich verliert einen Freund, Jungle World 25/2009) fort, der seit 1960 wichtige Ministerämter innehatte und ab 1967 als Staatspräsident amtierte.

Flagranten Fall von Greenwashing

Bongo und Emmanuel Macron – Jahrgang 1977, seit 2017 französischer Staatspräsident, gewissermaßen ein Novize – waren die beiden Organisatoren des internationalen Gipfels, der am 1. und 2. März stattfand. Die Abhaltung des One Forest Summit war am Rande des ansonsten mit wenigen Ergebnissen ­abgeschlossenen COP27-Gipfels zur Klimapolitik im November vorigen Jahres im ägyptischen Sharm el-Sheikh beschlossen worden.

Kritiker, unter ihnen Marc Ona, der bekannte gabunische Umweltschützer, Gründer der NGO Brainforest und des NGO-Netzwerks Environment Gabon sowie Ehrenbürger von Lyon, sprechen allerdings von einem flagranten Fall von greenwashing für eine Diktatur, deren Macht und innenpolitische Klientel­politik weiterhin auf der Ausbeutung fossiler Brennstoffe basiert: 80 Prozent der Exporteinnahmen Gabuns werden mit Erdöl und Erdgas generiert. Auch besonders umweltschädliche Techniken wie Fracking werden bei der Förderung eingesetzt.

Der französisch-gabunische Doppelstaatsbürger und Unternehmer Bernard Christian Rekoula berichtete in den so­zialen Medien ausführlich über ökologische Desaster in diesem Zusammenhang, darunter eine größere Ölpest Anfang 2022 am Cap Lopez, verursacht von der größten Förderfirma des Landes, Perenco, und eine nahezu gleichzeitige Katastrophe rund 100 Kilometer landeinwärts. Seit November lebt er, nachdem er ernstzunehmende Todesdrohungen erhalten hatte, im französischen Exil.

Dennoch hält sich Gabun viel darauf zugute, in der Region Zentralafrika umweltpolitisch vorbildlich zu handeln. Anfang der nuller Jahre richtete das Land zehn Nationalparks ein. Die dort angestellten »Öko-Wächter«, wie das Parkpersonal genannt wird, traten allerdings am ersten Tag des Gipfels wegen ausbleibender Lohnzahlungen und unzureichender Mittelausstattung in den unbefristeten Streik.

Raubbau am Wald

Gabun verweist vor allem darauf, dass es seine Wälder nicht abgeholzt habe, die als Teil der »grünen Lunge« des Kongobeckens zur Absorption von CO2 aus der Atmosphäre beitragen. Tatsächlich sind bislang noch 88 Prozent der Landesfläche von Wäldern bedeckt, was auch darauf zurückzuführen ist, dass das Staatsgebiet etwa von der Größe Großbritanniens mit 2,2 Millionen Menschen nur dünn besiedelt ist und sich die Bevölkerung an der Küste konzentriert. Allerdings wird in vielen Gebieten Raubbau am Wald betrieben. Seit den nuller Jahren gibt es ein Zertifizierungsverfahren, das den Kahlschlag bedrohter Baumarten verhindern soll, jedoch vielfach umgangen wird.

Der Gipfel erlaubte es Emmanuel Macron, unter einem ethisch einwandfreien Vorwand, dem des Eintretens für Umwelt- und Klimaschutz, mit den alternden Autokraten in diesem vormals von Frankreich kolonisierten Teil Afrikas aufzutreten, in dem der französische Einfluss noch immer groß ist. Gänzlich neu ist diese PR-Idee allerdings nicht. Am 27. Juli 2007 ließ der konservative Präsident Nicolas Sarkozy sich mit Omar Bongo im gabunischen Regenwald ablichten. Greenwashing gab es schon, bevor der Begriff allgemein gebräuchlich wurde.

Gabun gibt sich als Vorreiter in Umweltfragen, das Land besitzt zehn Nationalparks. Die dort angestellten »Öko-Wächter« traten allerdings am ersten Tag des Gipfels in den unbefristeten Streik.

Bemerkenswert ist, dass bei diesem Gipfeltreffen, bei dem der französische Staatspräsident als offizieller Mitveranstalter auftrat, eine französisch-griechische Journalistin ausgeschlossen werden konnte. Maria Malagardis, auf Afrika spezialisierte Mitarbeiterin der linksliberalen Pariser Tageszeitung Libération, hatte sich für die Präsidentenreise Emmanuel Macrons akkreditieren lassen. Doch ihre zahlreichen Versuche, sich online für den One Forest Summit anzumelden, blieben erfolglos. Acht Tage vor Gipfelbeginn erhielt sie schließlich eine E-Mail mit einer formellen Absage. Aus dem Élysée-Palast verlautbarte gegenüber der Internetzeitung Mediapart dazu, man habe die französische Botschaft in Libreville eingeschaltet, damit diese die gabunischen Dienste kontaktiere und eine Lösung finde. Es blieb jedoch bei der Visumsverweigerung.

Die Visite Emmanuel Macrons in Libreville war eine Station der Reise in das teilweise französischsprachige Zentralafrika, die ihn innerhalb von vier Tagen in vier Länder führte. Nach Gabun standen noch Angola, die Republik Kongo und im Anschluss die Demokratische Republik Kongo (DRK) auf dem Programm.

Macron: Frankreich wolle »neue Partnerschaft«

Eine Visite bei dem Potentaten Denis Sassou-Nguesso stand also an. Offiziell sollte es nur ein Arbeitstreffen sein und unter anderem dem Gedenken an Charles de Gaulle dienen, der 1944 im Zuge der Offensive von den französischen Kolonien aus, vor der Vertreibung der NS-Besatzer aus dem europäischen Staatsgebiet Frankreichs, die historische »Rede von Brazzaville« hielt. Doch in Brazzaville hielt der alternde Diktator Sassou-Nguesso einen Staatsempfang für Macron ab und platzierte diesen in einer Luxuslimousine, was dem französischen Präsidenten laut Bekunden regierungsnaher Medien etwas Verdruss bereitet haben soll. Solche Bilder dementierten die von Macron gewünschte Botschaft, wonach Frankreich auf Abstand zu den Diktatoren ­seines früheren kolonialen »Hinterhofs« gegangen sei.

Diese Absicht bekräftigte Macron vor seiner Abreise in einer programmatischen Rede am 27. Februar. Darin kündigte er an, Frankreich wolle zu einer »neuen Partnerschaft« übergehen, angeblich auf Augenhöhe. Dies hatten allerdings bereits mehrere französische Staatspräsidenten vor ihm in nahezu identischen Worten verkündet, am lautesten übrigens der Konservative Sarkozy bei seinem Amtsantritt 2007. Tatsächlich sind durch den globalen Freihandel und den relativen Machtverlust Frankreichs die neokolonialen Bande zu »Françafrique« geschwächt worden, doch übt Frankreich weiterhin in vielen Regionen Afrikas großen Einfluss aus und ist nicht nur ein Handelspartner unter vielen.

Macron kritisierte die wachsende Einflussnahme Chinas und Russlands auf dem afrikanischen Kontinent. Er kündigte zwar nicht den Abbau einer der vier französischen Militärbasen auf dem Kontinent an – derzeit sind im Senegal, der Côte d’Ivoire, Gabun und Djibouti rund 3 000 französische Soldaten ständig stationiert –, wohl aber, dass die Anzahl französischer Soldaten dort »verringert« werden solle; mit Ausnahme der Basis in Djibouti, die eventuell verstärkt werden soll. Künftig sollen die Basen von französischen und afrikanischen Soldaten gemeinsam betrieben werden, so Macron. Einen Zeitplan oder nähere Zahlen dazu nannte er nicht.