Der Spieler-Nachwuchs und die Trainerausbildung beim DFB

Der DFB und die Ausbildung

Der DFB hat in Sachen Fußballerausbildung in den vergangenen Jahren einige Dinge korrigiert. Ziemlich praxisfern gestaltet sich hingegen die Reform der Trainerausbildung.

Der Weg eines talentierten und ehrgeizigen Spielers gestaltet sich häufig wie folgt: Amateurverein, DFB-Stützpunkt, dann spätestens mit 15 Jahren in ein Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) eines Profivereins. Das heißt: Wer es mit 15 noch nicht gepackt hat, genauer: von den NLZ begutachtet und für geeignet befunden wurde, ist raus.

Es gibt allerdings immer wieder Profis, die nicht diesen Weg gegangen sind. Die übersehen oder falsch bewertet wurden, die vielleicht auch keine Lust darauf hatten, ihre Pubertät in einem NLZ zu verbringen. Bekanntestes Beispiel: Nationalspieler Robin Gosens (Inter Mailand), der als A-Junior zunächst noch für die Jugend des Amateurvereins VfL Rhede kickte. Jetzt wird schnell gerufen: Ein Einzelfall! Ob das wirklich so ist, weiß man nicht, da ja spätestens ab dem Erreichen der Altersgrenze für U15-Mannschaften kaum noch außerhalb der NLZ gesichtet wird.

Dass ein guter Jockey in seinem vormaligen Leben kein gutes Pferd gewesen sein muss, hat sich hinlänglich herumgesprochen. Das Punktesystem des DFB zur Qualifizierung zum A-Trainerschein bevorzugt jedoch unter anderem Erstligaspieler.

Möglicherweise gehen dem DFB ja auch jedes Jahr ganz viele Gosens durch die Lappen. Deshalb ist es richtig, den Nachwuchsspielern in den Amateurclubs einen zweiten ­Bildungsweg anzubieten. Panagiotis »Joti« Chatzialexiou, beim DFB »Sportlicher Leiter der Nationalmannschaften«, berichtete einmal im Interview mit dem Magazin 11 Freunde von neuen Auswahlmannschaften mit Spielern nur aus Amateurklubs, die er in das Wettbewerbssystem integrieren möchte.

»Dort können sie sich gegen die Leistungszentren präsentieren. Das ist alles sehr komplex und verzahnt.« Den Amateurspielern werde so ein zweiter Weg angeboten, der ihnen persönlich und dem deutschen Fußball insgesamt zugutekomme.

Auch Chatzialexiou sieht das Problem, dass dem Fußball die »flüsternden Talente« verloren gehen: »Bislang ging die Förderung in den DFB-Stützpunkten nur bis zur U15, sie soll nun bis zur U19 für jene Spieler verlängert werden, die nicht in den Leistungszentren spielen, sondern bei ambitionierten Amateurvereinen.«

Als Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt – wie auch etwa der 1. FC Union Berlin – ihre »zweiten Mannschaften« abschafften, um Geld zu sparen sowie in der Annahme, wer mit 17, 18 nicht schon große Klasse sei, aus dem werde nichts mehr, ging Jürgen Klopp auf die Barrikaden: »Das ist eine Katastrophe. Das ist eine ganz schlimme Entscheidung.« Spielern werde damit Raum und Zeit für Entwicklung genommen. »Spätentwickler«, das heißt Spieler, die mit 18 oder 19 noch körperliche (und andere) Defizite haben, fielen dadurch durchs Netz und würden nicht weiter gefördert. Nur wenige Spieler sind in dem Alter schließlich schon in der Lage, auf höchstem Niveau zu kicken. Der Sprung zu den Männern, wo sie gegen Spieler antreten, die zehn Jahre älter sind, kommt für viele zu früh und ist zu groß. Wer seine U23 abschafft, verschenkt diese Spieler. Und hat keine Möglichkeiten, den jungen Spielern, die noch nicht ins Zentrum des Kaders der ersten Mannschaft vorgerückt sind, Einsatzzeiten zu geben.

Einige Spitzenvereine haben auch damit begonnen, ihre Haltung zu Reservemannschaften im Männerbereich zu überdenken. Seit dem Sommer 2022 hat Eintracht Frankfurt wieder eine zweite Mannschaft. Markus Krösche, Sportvorstand des Vereins und einer der klügsten Sportdirektoren im hiesigen Fußball, sagte dazu den Fußball-News: »Das ist für uns ein Meilenstein. Das war der letzte Schritt, der uns nach der U19 gefehlt hat, um optimale Aus­bildung betreiben zu können.« Es gehe dem Verein darum, dass »die jungen ­Spieler, auch aus jüngeren Jahrgängen, so früh wie möglich im Männerbereich spielen können«.

Krösche hat auch noch ein anderes Thema in der Nachwuchspolitik angepackt: »Wir haben die klare Idee, dass wir das große Ganze verbessern wollen, indem wir uns auf das kleinste Teil fokussieren: auf den Spieler. Weniger auf die Mannschaft und das Ergebnis.«

In der Trainerausbildung schlägt der DFB einen völlig anderen Weg ein. Noch schlimmer: Talent ist hier kein Kriterium. Die Zulassung zur ­A-Lizenz erfolgt nach einem Punktesystem. Ein Erstligaspieler bekommt pro Saison fünf Punkte angerechnet. Julian Nagelsmann, der Trainer von FC Bayern München, hätte in einer solchen Spielerbewertung nicht einen Punkt bekommen, denn seine Kar­riere als Erwachsener fiel verletzungsbedingt aus. Keine guten Karten ­hätte in dieser Kategorie auch Thomas Tuchel gehabt. Und Jürgen Klopp hätte hier als Zweitligaspieler deutlich weniger Punkte geholt als Mario Basler, Stefan Effenberg oder Mehmet Scholl – keiner von denen wusste als Trainer zu glänzen.

Dass ein guter Jockey in seinem vormaligen Leben kein gutes Pferd gewesen sein muss, hat sich eigentlich hinlänglich herumgesprochen. Aber es kommt noch krasser. Ein Oberligatrainer (5. Liga, formell die zweithöchste Amateurklasse, de facto aber die höchste Klasse unterhalb des professionellen Spielbetriebs) bekommt pro Saison nur einen Punkt. Wer aber ein Diplom in Sportwissenschaft in der Tasche hat, wird mit 15 Punkten honoriert, Erzieher und Physiotherapeuten mit fünf Punkten.

Wenn der DFB auf diese Weise Punkte verteilt, dann sei die Frage erlaubt, warum nicht auch ein Studium der Literaturwissenschaften mit Punkten honoriert wird. Auffallend viele große Trainer waren und sind literarisch bewandert – man denke nur an Pep Guardiola. Das ist jetzt keineswegs ironisch gemeint. In der ­Literatur lernt man viel über Menschen und wie diese ticken.

Daniel Niedzkowski, Ausbildungsleiter Pro-Lizenz – der am höchsten bewerten Trainerlizenz – beim DFB, behauptet, die Reform habe »die Trainererfahrungen als gewichtigste Säule gestärkt«. Das ist eine aparte Sicht der Dinge: Wenn der Bewerber für die A-Lizenz, die nötig ist, um ­einen Regionalligisten bei den Männern zu trainieren, fünf Jahre lang in der Oberliga trainieren muss, um auf die Punktzahl des Kindergärtners oder Physiotherapeuten zu kommen, dann ist genau das Gegenteil der Fall.

Wer als Trainer nach oben will, sollte deshalb nicht in erster Linie Erfahrung im Spiel und in der Mannschaftsführung sammeln, sondern ein Studium der Sportwissenschaft (Voraussetzung: Abitur), zumindest aber eine Ausbildung als ­Erzieher oder Physio absolvieren.

Im Kicker vom 17. Mai 2021 kritisierte Oliver Ruhnert, der Manager von Union Berlin, die NLZ-Politik des DFB und lobte die Nachwuchsarbeit des Viertligisten Preußen Münster: »Preußen Münster ist ein Paradebeispiel für einen Verein ohne NLZ, der seit Jahren in allen Altersklassen in der ­Jugend-Bundesliga spielt – und das richtig gut. Die fallen gemäß DFB-Konzept einfach raus, sind aber viel, viel besser als viele Leistungszentren.«

Die Münsteraner müssen sich Erfolge im Nachwuchsbereich viel härter erarbeiten als andere Clubs. Ein Verein wie Preußen Münster kann nicht Spieler mit Verträgen locken und an sich binden. Er muss Spieler besser machen. Dabei arbeiten die Trainer unter deutlich schlechteren Bedingungen als ihre NLZ-Kollegen – Finanzen, Infrastruktur wie sonstigen Support betreffend.

Möglicherweise ist es aber sogar von Vorteil, wenn man sich als junger Trainer nicht auf etablierte Strukturen verlassen kann. Eigentlich müssten die Preußen-Trainer besser bewertet werden als die NLZ-Angestellten. Und woher weiß der DFB, dass in den NLZ die größten Trainertalente sind?

Die U23 der Preußen ist derzeit Spitzenreiter in der Oberliga West­falen (ebenso wie ihre Altersgenossen von Eintracht Frankfurt in Hessen), darf aber nicht aufsteigen, da die Profimannschaft nur eine Liga höher spielt.

Vermutlich wird sie ihre Spitzenposition auch nicht halten, denn es geht ja primär um Ausbildung und Weiterentwicklung. Spieler werden in das Profiteam hochgezogen, U19-Spieler getestet und so weiter. Würden die Trainer eine Liga tiefer arbeiten, aber in einem NLZ, würden sie mehr Punkte einsammeln.

Was dem Fußball und der Ausbildung helfen würde, wäre, dem DFB das Monopol in Sachen Trainerausbildung zu entziehen. Monopole stehen für Stillstand oder eindimen­sionale Entwicklungen. Was spricht gegen unterschiedliche Ausbildungsschulen, so dass ein Verein dann selbst entscheiden kann, ­welchen Trainer er aus welcher Schule bevorzugt?

Die Realität ist aber oft: Ein Verein hat einen Kandidaten im Blick, der jedoch leider nicht über die notwendige Lizenz für die Liga verfügt. Er darf sich nur aus dem Pool der A-Lizenz-Inhaber und Fußballlehrer bedienen – und verpflichtet einen Trainer, der nicht wirklich zu seiner Idee passt. Und der seine Lizenz zu einem Zeitpunkt erworben hat, bevor der DFB das Nadelöhr nach oben etablierte.