Homestory

Homestory #04/23

Wenn die Deadline naht und die Ideen fehlen, kann man als Autor schon mal davon träumen, sich Hilfe zu suchen. An der Uni soll es ja durchaus Studentinnen und Studenten geben, die in diesem Fall auf Ghostwriter zurückgreifen. Ein Redakteur der Jungle World hatte diesen Job früher mal. Er hatte für eine Agentur gearbeitet, aber nur kurz – die Bezahlung war dann doch zu gering, um sich mit langweiligen Uni-Hausarbeiten herumzuschlagen.

Inzwischen blüht wohl auch diesem Wirtschaftszweig das, was seit Beginn des Kapitalismus immer wieder Teile der Arbeiterschaft den Arbeitsplatz gekostet hat: die Automatisierung. Der menschliche Ghostwriter – mit seinen Schwächen, seiner Unzuverlässigkeit, und vor allem: Kosten – könnte bald der Vergangenheit angehören. Heutzutage kann man seine Uni-Arbeit von Künstlicher Intelligenz (KI) schreiben lassen, etwa mit dem frei zugänglichen Chat GPT, das seit kurzem sehr beliebt ist. Wer noch skeptisch ist, sollte zwei aktuelle Nachrichten bedenken. Zum einen hat kürzlich ein Professor an der renommierten Wharton Business School eine KI probeweise eine Abschlussprüfung schreiben lassen – und sie hat problemlos bestanden. Nun gut, eine Business School ist ja auch wie gemacht für Roboter, und schließlich hat auch Donald Trump oft mit seinem Abschluss an der Wirtschaftsuniversität Wharton geprahlt. Wie schwer kann also schon sein? Allerdings – und das ist die zweite Nachricht – hat Microsoft Anfang der Woche angekündigt, mehrere Milliarden Dollar in Open AI, den Hersteller von Chat GPT, zu investieren.

Ist KI also vielleicht doch die Zukunft? Werden bald auch die Kopfarbeiter durch Maschinen ersetzt? Genaueres dazu erfahren Sie im Themenschwerpunkt dieser Ausgabe – an dieser Stelle ist vielleicht eine bescheidenere Frage interessant: Kann Chat GPT womöglich auch eine Homestory schreiben? In der Jungle World hatten wir einen solchen Versuch tatsächlich schon mal unternommen. Vor einem Jahr haben wir eine KI einen Sporttext schreiben lassen. »Nicht ganz treffsicher, was die Fakten angeht«, sei die KI, stellte unser Autor damals fest. Das ist im Journalismus natürlich ungünstig, aber bei einer Homestory – so kann man sich das schönreden – vielleicht zweitrangig. Also hin zur Website von Chat GPT, wo man eigentlich die KI kostenlos benutzen kann. Doch seit Tagen geht dort nichts, die Website sei überlastet, heißt es. Womöglich lassen gerade Schüler und Studentinnen auf der ganzen Welt die KI hart schuften – oder Olaf Scholz, der ständig neue Ausreden sucht, warum er keine Leopard-Panzer an die Ukraine liefern kann. Wie dem auch sei – die Homestory muss eigenhändig geschrieben werden. Fürs Erste wird die Jungle World weiterhin von Menschen ­gemacht.