Erstmals seit fast 90 Jahren finden die Makkabi-Winterspiele wieder statt

Makkabi – auch wenn es schneit

Im bayerischen Ruhpolding werden im Januar die ersten die Makkabi-Winterspiele seit 1936 stattfinden. Über 50 jüdische Sportlerinnen und Sportler aus 20 Nationen treten dabei gegeneinander an.

»Wir schreiben Geschichte«, freut sich Alon Meyer. »Zum ersten Mal seit 1936 wird hier eine Tradition wiederbelebt«, so der Präsident von Makkabi Deutschland. Damit posi­tioniert sich der deutsche Ableger der weltweit aktiven jüdischen Sportbewegung als Vorreiter. Denn nach der Zerschlagung der jüdischen Sportbewegung durch den Nationalsozialismus zuerst in Deutschland und später in fast ganz Europa wurde die Makkabi-Bewegung zwar hierzulande 1965 offiziell neu gegründet, doch mit Ski und Rodel sah es eher mager aus, und das weltweit.

»Seit der Shoah ist der Wintersport ein weißer Fleck auf der Makkabi-Landkarte geblieben«, heißt es in einer Pressemitteilung des jüdischen Sportverbands. Genau das wollte man ändern und stellte deshalb die »Makkabi Deutschland Winter Games« auf die Beine, die nun vom 2. bis zum 9. Januar 2023 im bayerischen Ruhpolding stattfinden sollen.

Die erste Winter-Makkabiah 1933 in Zakopane stieß nicht überall auf Begeisterung. So forderte unter anderem die rechte Zeitung »Gazeta Warszawska« die polnische Jugend dazu auf, die »Verjudung der polnischen Wintersportanlagen« auf jeden Fall zu verhindern.

Über 350 Sportlerinnen und Sportler aus mehr als 20 Nationen werden erwartet, unter anderem aus Argentinien, Israel und den Vereinigten Staaten. Die längste Anreise dürfte wohl ein 16jähriger Australier haben, der beim Ski alpin antreten wird, sagte Alfi Goldenberg, der Vizepräsident von Makkabi Deutschland, der Jüdischen Allgemeinen. Auf ihn geht die Idee für die Winterspiele zurück. 16 Jahre ist auch das Mindestalter, um an den Wettkämpfen teilnehmen zu können.

Nach oben dagegen gibt es keine Begrenzung. Der älteste Teilnehmer heißt Shaul Ladany, kommt aus Is­rael und ist 86 Jahre alt. »Er hat die Shoah und das Olympia-Attentat 1972 überlebt«, berichtet Goldenberg. »Er hat sich noch nicht geäußert, ob er sportlich oder einfach nur so dabei sein wird.« Zur Auswahl hätte Ladany einiges: In sieben Sportarten sind Wettkämpfe geplant, darunter eher klassische Disziplinen wie Langlaufski und Eiskunstlauf. Aber auch Neuerem zeigt man sich aufgeschlossen, weshalb Snow-Volleyball und Laser-Biathlon ins Angebot aufgenommen wurden.

Die Makkabi-Bewegung kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Ihre Wurzeln reichen weit in das 19. Jahrhundert hinein, in die Zeit, als sich der Sport zu einer charakteris­tischen Freizeitgestaltung in den modernen Industriegesellschaften ent­wickelte. Und sie ist eng verwoben mit der jüdischen Emanzipation. Jüdinnen und Juden sahen im Sport Chancen, die gesellschaftliche Inklusion voranzutreiben sowie – wenn es um Wettkämpfe ging – an sozialer Akzeptanz und Prestige zu gewinnen. Zugleich wollte man den stereotypen Bildern des unsportlichen, körperlich schwachen Juden entgegentreten.

Nur hatte man die Rechnung ohne die Antisemiten gemacht. Denn in vielen Vereinen, vor allem in Deutschland und Österreich, gewannen Anhänger völkisch-nationaler Ideologien die Oberhand, so dass mancherorten sogar »Arierparagraphen« erlassen wurden, die Jüdinnen und Juden eine Mitgliedschaft verwehrten oder es ermöglichten, sie nachträglich auszuschließen. Also gründete man eigene Vereine. Den Anfang machte 1887 der Deutsch-Österreichische Turnverein in Wien, dessen Name aber noch nicht auf Jüdisches schließen lässt. Das sollte sich bald ändern. So hieß der erste in Deutschland ins Leben gerufene Sportclub Jüdischer Turnverein Bar Kochba. Das war 1898.

Bei der Namensgebung nahm man seither oftmals auf biblische oder nachbiblische Helden Bezug. »Vereinsnamen lauteten ›Samson‹, ›Gideon‹, ›Bar Kochba‹, ›Hasmonäer‹ oder begannen mit hebräischen Worten, die Stärke und Kraft zum Ausdruck bringen, wie Hakoah (›Die Kraft‹) oder Gibor (›Held‹)«, schreibt der israelische Historiker Moshe Zimmermann. »Auch der Name Makkabi, der in Anlehnung an die mythologische Gestalt des jüdischen Freiheitshelden Judas Makkabäus gewählt wurde, war bereits vor dem Ersten Weltkrieg als Vereinsname geläufig«, so Zimmermann weiter. »Der Rückgriff auf historische Figuren diente der Legitimation des Sports in der jüdischen Gemeinschaft.«

Der Arzt Max Nordau prägte damals zudem den Begriff des »Muskeljuden« – Sport diente ihm auch dazu, sich zu fit zu machen für den Aufbau der nationalen jüdischen Heimstätte in Palästina. Dort hatten sich seit 1906 erste jüdische Sportvereine etabliert, die 1912 im Dachverband Makkabi zusammenkamen. 1914 zählte man zwischen Mittelmeer und Jordan bereits zehn solcher Vereine mit über 500 Mitgliedern. Einer ihrer Funktionäre, Yosef Yekutiel, kam schließlich 1923 – Palästina war inzwischen britisches Mandatsgebiet geworden – auf die Idee, Wettkämpfe auszutragen, an denen sich nicht nur jüdische Sportbegeisterte beteiligen sollten, sondern auch arabische und britische.

Anlässlich des damals bevorstehenden 1800. Jahrestags des Bar-Kochba-Aufstands gegen die Römer startete Yekutiel 1928 eine weitere In­itiative. 1932 sollten jüdische Jugendliche aus der ganzen Welt nach Tel Aviv kommen, um sich dort sportlich zu messen. Rund 390 Sportlerinnen und Sportler aus 17 Nationen folgten der Einladung zur ersten Makkabiade, die später dann Makkabiah genannt wurde – also unwesentlich mehr, als zu den anstehenden Winterspielen in Bayern erwartet werden. Seit 1950 finden die Makkabiot (so der Plural) im Vierjahresrhythmus in Israel statt. Parallel dazu gab es die Europäischen Makkabi-Spiele, erstmals 1929 in Prag, 1930 in Antwerpen – dann war bis 1959 Pause. Seit 1966 gibt es die Pan American Maccabiah Games und seit 1982 eine Junior Carnival ­genannte Version für Australien und Neuseeland.

Auch Winter-Makkabiot gab es. Weil Palästina aus klimatischen Gründen jedoch ein denkbar schlechter Austragungsort für Ski- oder Eiskunstlaufturniere ist, traf man sich dafür im östlichen Europa, und zwar erstmals 1933 im polnischen Zakopane und dann wieder 1936 im tschechoslowakischen Banská Bystrica. In Polen zählten die Veranstalter 250 Teilnehmer aus acht Nationen – Palästina war damals übrigens nicht vertreten. Drei Jahre später waren es bereits rund 2 000 Sportlerinnen und Sportler aus zwölf Nationen, die in die tschechoslowakische Tatra ­anreisten.

Jüdinnen und Juden mit Wintersportambitionen waren häufig mit ganz besonderen Herausforderungen konfrontiert. Denn in vielen alpinen Gebieten hieß es damals: »Unser Hotel ist judenrein!« Im Gebirge wurde man schnell scheel angesehen. Anders als Fußball oder Leichtathletik ist Skifahren nun einmal mit dem Vorhandensein einer gewissen Infrastruktur verbunden und nur in bestimmten Regionen möglich. Auch die erste Winter-Makkabiah 1933 in Zakopane stieß nicht überall auf Begeisterung. So forderte unter anderem die rechte Zeitung Gazeta Warszawska die polnische Jugend dazu auf, die »Verjudung der polnischen Wintersportanlagen« auf ­jeden Fall zu verhindern.

Die Veranstalter und Schirmherren der anstehenden Winterspiele sehen dagegen optimistisch in die Zukunft. So schreibt Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland: »Vielleicht werden die ersten Makkabi Winter Games sogar zum Exportschlager und wir ­sehen bald jüdischen Sportlerinnen und Sportler auf dem israelischen Berg Hermon um Medaillen wetteifern?«