Romantik auf dem Wanderweg

Happy Ending

Walk on the Wild Side. Zwei Schwule – ein Wanderweg.

Was Ingo Zamperoni mit dem Pacific Crest Trail zu tun hat? Als US-Kor­respondent der ARD drehte er vor einigen Jahren eine Reportage über den Weitwanderweg, die in Deutschland recht bekannt wurde. Zamperoni trifft darin auf verschiedene Menschen, die sich am PCT versuchen. Er stellt unter anderem ein deutsches heterosexuelles Paar vor, wobei die Frau die Wanderung nur antritt, weil es der Lebenstraum ihres Ehemanns ist, einmal von Mexiko nach Kanada zu laufen. Am Ende ist allerdings sie diejenige, die voller Begeisterung und Elan die Organisation für die beiden übernimmt, denn körperliche Beschwerden nehmen seine ganze Aufmerksamkeit in Beschlag.

Wahrscheinlich hat es die Ehe der beiden aufblühen lassen und sie schwärmen nun in Nostalgie von ihrem gemeinsamen Abenteuer. Was unbestreitbar ist: eine solche gemeinsame Reise kann eine krasse Bestandsprobe für ein Paar sein – schließlich hängt man rund um die Uhr aufeinander.

Ist man alleine auf dem Trail, machen sich nach einigen Monaten zweierlei Dinge bemerkbar: das eigene Berührungsdefizit und, im Gegensatz dazu, die Pärchen, die sich mittlerweile überall zusammengefunden haben und sich der sogenannten Trail Romance hingeben. Von Umzügen ist die Rede, es werden gar Heiratsanträge in stinkenden Klamotten auf eisigen Gipfeln ­gemacht. Ja, das Leben auf dem Trail hat auch durchaus seine romantischen Seiten. Rückblickend könnte man fast meinen, der PCT sei eine Heiratsvermittlung. Gehört man allerdings zu jenen, denen solche Zweisamkeiten verwehrt bleiben, macht sich nach einiger Zeit ein Mangel bemerkbar. Man entwickelt eine Sehnsucht nach Berührung, nach einem anderen Körper, nach Sex. Zwar lässt sich der Trieb recht einfach besänftigen, der Wunsch nach Zärtlichkeit allerdings nicht.

Wieder zu Hause angekommen, werden dann zahlreiche ­Dating-Apps heruntergeladen, und auch auf dem Trail ist das natürlich eine Option. Voraussetzung: Man ist halt gerade nicht auf dem Trail, sondern zum Einkaufen in einer kleinen Ortschaft, hat gerade seine wenigen Klamotten gewaschen und ausgiebig geduscht, und last but not least: Internetempfang. Ist das alles erfüllt, können einem abenteuerliche Dinge ge­schehen. Ein nächtlicher, romantischer Ausflug zu einer warmen Quelle mitten in der Wildnis, die natürlich nur nackt besucht werden darf. Spontane Übernachtungen bei ebenso liebeshungrigen Einheimischen, die sich auch auf mehrere Tage ausdehnen können und mit der Frage enden, ob man nicht gleich ganz einziehen möchte (Green Card included). Oder die Einladung zu einer Massage, die dem malträtiertem Rücken des Wanderers doch sicherlich wohltun würde. Das Angebot mit offensichtlicher Aussicht auf ein Happy Ending wurde dann nicht wahrgenommen, zur Not muss man auch mal selbst Hand anlegen und dabei an Ingo denken.

Stellte man sich noch vor Antritt des Trails romantische Abende mit ebenso einsamen Wandergefährten vor, sieht die Realität (leider) anders aus. Brokeback Mountain Boys? Fehl­anzeige! Ganz so queer ist der PCT dann doch nicht. Die einsamen Stunden konnte man aber auch gut gaynießen. Vielleicht ist man doch eco-sexual? Denn schließlich führt man die größte Romanze wohl eindeutig mit dem Trail selbst, und man lässt ihn am Ende ungern zurück. Genauso wie die geneigte Leserschaft, von der wir uns hiermit verabschieden und uns natürlich über Fanpost und Heiratsanträge freuen. Leben Sie wild und bedenken Sie stets: Das Wandern ist der Schwuppe Lust.