Die Bundesregierung lässt sich vom iranischen Regime erpressen

Deutsche Leisetreterei

Die Bundesregierung hält sich mit Unterstützung des Protests im Iran zurück, denn sie spekuliert immer noch auf eine Erneuerung des Nuklearabkommens JCPOA. So lässt sie sich vom Regime erpressen.
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In seiner Rede vor der UN-Vollversammlung am 21. September solidarisierte sich US-Präsident Joe Biden mit dem Kampf der Frauen im Iran. Am Tag darauf verhängte die US-Regierung Sanktionen gegen ranghohe Vertreter des iranischen Polizei- und Repressionsapparats, der für den gewaltsamen Tod der am 16. September verhafteten Jina Mahsa Amini verantwortlich ist.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach am selben Tag wie Biden vor den Vereinten Nationen. Doch er erwähnte in seiner 16minütigen Rede die Aufstände und Repressionen im Iran mit keinem Wort. Tagelang hüllte sich auch seine Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Schweigen, bevor sie am 26. September Irans Botschafter einbestellte und die Absicht bekanntgab, beim nächsten EU-Außenministertreffen Mitte Oktober Sanktionen zu beantragen.

Am 29. September debattierte der Bundestag über die »Proteste im Iran nach dem Tod von Mahsa Amini in Polizeigewahrsam«. Einerseits feierte man mit salbungsvollen Reden den Todesmut der iranischen Frauen. Andererseits wollte sich das Regierungslager zur Frage, was der iranische Aufstand für die deutsche Iran-Politik bedeute, nicht weiter äußern – mit einer Ausnahme: Der aus dem Iran stammende Abgeordnete und FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai rief die Regierung dazu auf, den »naiven Kuschelkurs« zu beenden und »eine fundamental andere Iran-Politik« in die Wege zu leiten: Der Iran stehe »heute am Rande einer Revolution und das Mullah-Regime der Islamischen Republik am Rande des Zusammenbruchs«.

Es blieb den Rednerinnen und Rednern der Unionsfraktion vorbehalten, Deutschlands Iran-Politik der zurückliegenden Wochen zu kritisieren: Des Kanzlers UN-Auftritt sei »mehr als beschämend« gewesen, so die Abgeordnete Annette Widmann-Mauz (CDU). Interessanter wurde es, als Norbert Röttgen (CDU) über die Ursache »dieser Leisetreterei« sprach: »Der Grund ist das Nuklearabkommen, der sogenannte JCPOA«, den Joint Comprehensive Plan of Action. Als ehemaliger Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses ist Röttgen bestens informiert: »Um das Nuklearabkommen nicht zu gefährden«, habe sich die Bundesregierung »dazu entschieden, gegenüber dem Regime zurückhaltend zu sein«.

Das aber sei ein Fehler, fuhr Röttgen fort: »Die junge Generation, die dieses Regime satt hat und die jetzt unter der Führung der Frauen für ihre Freiheit und Würde kämpft, ist die Zukunft des Iran und nicht dieses Regime«, rief er in Richtung Regierungsbank. »Indem Sie so stark auf den JCPOA setzen, sagen Sie auch implizit, unausgesprochen, dass Sie auf das Regime als Verhandlungspartner auch in der Zukunft setzen.«

Es ist sogar noch schlimmer: Indem die Bundesregierung auf eine Wiederaufnahme des JCPOA spekuliert, erklärt sie sich bereit, den Schlächtern, die die iranische Bevölkerung massakrieren, zusätzliche Gelder in Milliardenhöhe zur Verfügung zu stellen, wenn infolge einer Übereinkunft die internationalen Wirtschaftssanktionen gelockert werden würden.

Sie geht damit den Machthabern in Teheran auf den Leim. Denn täglich wird deutlicher, dass das Regime das Interesse an einer Wiederbelebung des Atomabkommens verloren hat. Es will den Rückbau seiner nuklearen Infrastruktur um jeden Preis verhindern.
Deshalb erhob der Oberste Führer Ali Khamenei immer neue Forderungen, von denen er wusste, dass sie keine US-Regierung erfüllen würde. Deshalb setzte er im vergangenen Jahr mit Ebrahim Raisi einen Gegner des Atomabkommens als Präsidenten durch. Deshalb gehen all seine wirtschaftlichen Planungen von einer Fortsetzung der Sanktionen aus.

Offenkundig glauben die Machthaber in Teheran, dass die Vorteile der Atomwaffenentwicklung die Nachteile westlicher Sanktionen überwiegen. Unter Hochdruck entwickeln sie Verfahren, die allein für die Herstellung von Atomwaffen von Bedeutung sind: etwa die Anfertigung von Uranmetall oder die Herstellung von Uran mit einem Anreicherungsgrad von 60 Prozent.

Gleichzeitig aber scheut das Regime keinen Aufwand, den Anschein von Verhandlungsbereitschaft aufrechtzuerhalten, um ein Abkommen möglich erscheinen zu lassen. Das zahlt sich doppelt aus: Erstens kann das Regime seinen Griff nach der Atombombe mit der Beteuerung bemänteln, man wolle mit dem Ausbau der nuklearen Waffentechnologien lediglich Verhandlungsdruck ausüben. Und zweitens kann es die anderen Mächte mit der Drohung, die Verhandlungen abzubrechen, erpressen oder – wie im deutschen Fall – zu freiwilliger Leisetreterei veranlassen.

Als Israels Ministerpräsident Jair Lapid Mitte September Deutschland besuchte, forderte er die Bundesregierung auf, ihre Bemühungen um das Atomabkommen einzustellen. Olaf Scholz widersprach und erklärte, dass er keinen baldigen Abschluss der Atomgespräche erwarte. Er will den Dialog mit dem Verbrecherregime offenkundig retten, egal was geschieht. Dabei ist längst klar, dass nur ein Regimewechsel die iranische Atombombe verhindern kann.

Bidens Solidarisierung mit den iranischen Frauen zeigt an, dass die iranischen Erpressungsversuche bei ihm nicht länger verfangen. Es wäre an der Zeit, dass die USA die Verhandlungen über ein neues Atomabkommen für gänzlich gescheitert erklären.