Homestory

Homestory #39

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Heizen ist neuerdings ein Trendthema, über das sich alle Welt unterhält wie früher über den neuen Wong-Kar-wai-Streifen oder die neue Tocotronic-Scheibe. Dass man seine Wohnung auch mit Teelichtern heizen kann, las man schon vor Jahren in den Kreuzberg-Reportagen von Klaus Bittermann, hielt es damals aber für eine ­urbane Kuriosität. Mittlerweile boomen auf Youtube Bauanleitungen, wie man das Heizen mit Teelichtern perfektioniert. Man braucht dazu nur Kerzen, Blumentöpfe, Eisenbeschläge, eine Bohrmaschine und etwas handwerkliches Geschick. Mit der original Kreuzberger Kerzenheizung hat das pfiffige Heimwerker-Öfchen eigentlich nur entfernt zu tun. Ohnehin funktioniert Erstere nur in Kombination mit reichlich Dosenbier, lauwarmen Ravioli und bei laufendem Fernseher.

In der Redaktion reichte bisher die Wärmeabstrahlung der Computer, um die Büros auf Temperatur zu halten. Dampfiger Tee, heißer Kaffee und Jacken sorgten ebenso für Wohlbefinden wie das dringend empfohlene regelmäßige Stoßlüften, das die am Fenster rauchenden Kollegen und Kolleginnen freundlicherweise übernommen haben. Darüber, was unter den gegebenen Umständen die ­tolerable Raumtemperatur ist, gehen die Meinungen aber doch auseinander. Kälte ist erst dann störend, wenn die Finger keine Zigaretten mehr drehen können, definiert eine Kollegin die zumutbare Temperatur. Von daheim sind einige von uns ohnehin schon einiges gewöhnt. Auch in Hausprojekten und WGs geht energiebewusstes Heizen vor muckelige Wärme. Wer wie eine Kollegin ein paar Winter im Eisbärinnenzimmer einer Berliner WG verbracht hat, lässt sich von leichter Herbstkühle im Büro schon mal gar nicht aus der Ruhe bringen. Heiße Öko-Tipps aus dem Homeoffice sind: Pulswärmer zu tragen, Decke um die Beine zu wickeln, Doppelwollsocken, Wärmflasche, im Bett zu bleiben und aufwändiges Kochen, Braten und Rösten, um den Backofen hochzufahren. Die ofengeröstete Tomatensuppe, die der Kollege empfiehlt, ersetzt noch keine Wärmepumpe, soll aber lecker sein. Und kann den Kollegen über die Zeit retten, bis der Kohlenhändler die letzten Briketts rausrückt. Trotz Jacken und bester Vorsätze muss die Redaktion an dieser Stelle dennoch gestehen: Anfang der Woche wurde im Office das erste Mal die Heizung angestellt. Aber wirklich nur, weil es gerade keine Teelichter gab.