Die Netflix-Doku über Shimon Peres ist zu glatt geraten

Der Mann, der Israel bewaffnete

Ein neuer Dokumentarfilm widmet sich dem israelischen Politiker Shimon Peres. Das bewegte Leben des ehemaligen Minister- und Staats­präsidenten, der das israelische Atomprogramm startete und einen nicht lang andauernden Frieden mit der PLO aushandelte, wird allerdings oberflächlich und konventionell erzählt.

Irgendwann Anfang der vierziger Jahre fährt ein Auto von Tel Aviv nach Haifa. Darin sitzen ein Mittfünfziger und ein junger Mann. Letzterer ist schwer enttäuscht, denn der ältere ist einfach eingeschlafen. Als er aufwacht, scheint er sich nicht ­sicher zu sein, wer der Junge neben ihm ist, und hält ihm einen kleinen Vortrag darüber, warum Lenin der bessere Anführer als Trotzki war. Die Antwort: Trotzki konnte keine Entscheidungen treffen. Dann schläft der Mann wieder ein.

So schilderte Shimon Peres, der damals um die 20 Jahre alt gewesen sein muss, seine erste Begegnung mit David Ben-Gurion, seinerzeit Vorsitzender der Partei der Arbeiter von Eretz Israel (Mapai), der führenden Kraft der zionistischen Bewegung – und eines der großen Vorbilder von Peres, damals Generalsekretär der Arbeiterjugend. Ben-Gurion schien sich später doch zu erinnern, wer der junge Mann war, den er gebeten hatte, ihn auf der Fahrt zu begleiten: 1947 beauftragte er Peres, ein Jahr lang die Personal- und Waffenbeschaffung der Haganah zu übernehmen. »Dieses Jahr dauerte 20 Jahre«, sagte Peres in einem In­terview, das als Grundlage für einen nun auf Netflix erschienenen Dokumentarfilm über sein Leben dient.

Peres’ Biographie ist typisch für die Gründer­generation Israels: vor dem Krieg eingewandert, Leben und Arbeit im Kibbuz, Karriere in der Arbeiterpartei.

Peres, am 2. August 1923 im damals polnischen Dorf Wiszniew, dem heutigen belarussischen Wischnewa, als Szymon Perski geboren, war jahrzehntelang bis zu seinem Tod 2016 einer der bedeutendsten und prägendsten Politiker Israels. Seiner Biographie widmet sich die bereits 2018 produzierte zweistündige Dokumentation »Hört nie auf zu träumen: Das Leben und das Vermächtnis von Shimon Peres«. Der formal konservativ aufgebaute Film – Bilder und ­Videos werden durch eine Erzählstimme (George Clooney) in Zusammenhang gebracht – soll, das wird schnell klar, Peres ein filmisches Denkmal setzen.

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