Wagenknecht und Co. bedienen nationalistische Ressentiments

Deutschland, deine US-Vasallen

Der Wagenknecht-Flügel der Linkspartei fordert nicht nur ein Ende der Sanktionen gegen Russland, sondern sogar die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2. In der sich verschärfenden sozialen Lage werden die klassischen Ressentiments bedient.
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Über den nationalistischen Flügel der Linkspartei wird gerne gesagt, er strebe eine »Querfront« an. Was kritisch gemeint ist, stellt in Wirklichkeit jedoch ein unverdientes Kompliment dar. Denn worin das Rote in diesem vermeintlich rot-braunen Bündnis bestehen soll, bleibt ein Geheimnis. Wenn Ludwig-Erhard-Fans auf Stimmenfang bei Nazis gehen, spricht man normalerweise nicht von einer Querfront, sondern von einem Bündnis aus Mob und Elite. Warum sich daran etwas ändern soll, nur weil der Ludwig-Erhard-Fan nicht Friedrich Merz heißt, sondern zur Abwechslung einmal Sahra Wagenknecht, ist nicht recht einzusehen.

Wenn es dafür noch eines Beleges bedurft hätte, dann lieferten ihn Oskar Lafontaine, Klaus Ernst und Wagenknecht, als sie kürzlich forderten, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben und sofort die Gaspipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen. Die Gelegenheit, sich mal wieder ins Gespräch zu bringen, schien gerade besonders günstig. Angesichts weltweit rapide steigender Energiepreise hatte die Drosselung der Gaslieferungen via Nord Stream 1, für die die russische Seite das Sanktionsregime verantwortlich machte, für Panik gesorgt.

Sozialdemokraten hätte in dieser Lage einiges einfallen können: Finanzhilfen für Geringverdienende, höhere Hartz-IV-Sätze, Mietenbremse und Räumungsmoratorium oder – für ganz Wagemutige – die Verstaatlichung der Energiekonzerne. Was ihnen besser nicht einfallen sollte: Vom nationalen »Wir«, das keine Klassen kennt, daherzuschwadronieren und sich zu sorgen, wie es wohl dem armen Kapital ergeht. Nicht »Russland« träfen die Sanktionen, klagen Wagenknecht und Konsorten, sondern »uns«; ganze Industriezweige vertreibe man damit aus Deutschland.

Selbst dort, wo sie sich, vor »sozialen Verwerfungen« (Lafontaine) warnend, als Fürsprecher des kleines Mannes in Pose werfen, geben sie sich zunächst ganz pragmatisch und realpolitisch. Weil, so ­Wagenknecht vergangene Woche bei Bild-TV, Putin ja weiter Krieg führe und sie außerdem aus Russland gehört habe, dass die Regale in den dortigen Läden immer noch proppenvoll seien, sei die Sanktionspolitik ganz offenkundig gescheitert; selbst Henry Kissinger rate schließlich zum Nachgeben. Lange geht diese nüchtern-realpolitische Pose freilich selten gut. Spätestens nach ein paar Sätzen muss die Katze einfach aus dem Sack: Wer die Landsleute zum Darben zwingt, das ist der Ami. Insbesondere Lafontaine nimmt da kein Blatt vor den Mund. Die USA, so schrieb er auf Facebook, sind »für die meisten Menschenrechtsverletzungen in der Welt verantwortlich«, haben den Krieg in der Ukraine »provoziert« und versuchen überhaupt seit 100 Jahren, »das Zusammengehen deutscher Technik mit russischen Rohstoffen zu verhindern«.

Wagenknecht wiederum bekommt im Bild-TV-Talk Unterstützung vom Adel, namentlich von Gloria von Thurn und Taxis, die dank ihrer Verwandtschaft mit der Zarenfamilie bezeugen kann, dass »die Russen unsere kulturellen Brüder sind«. In der Ukraine finde in Wahrheit »ein Krieg des Westens gegen Russland« statt, es handle sich um den Versuch der Amis, die Russen in die Knie zu zwingen – natürlich »auf unsere Kosten«. Für so viel Mut zur unbequemen Meinung gibt’s für beide Frauen dann auch ein dickes Lob von Béla Anda, ehemals Gerhard Schröders Regierungssprecher.

Dessen Nachfolger im Kanzleramt wird wiederum dringend angeraten, mehr nationales Rückgrat zu zeigen. »Woher«, raunt Lafontaine, »kommt diese deutsche Sucht, sich zu unterwerfen?« In der schweizerischen Weltwoche warnte er schon im Mai vor den »US-Vasallen in der Bundesregierung« und erntete dafür Twitter-Beifall vom CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen. Wagenknecht wiederum empfiehlt, die deutsche Politik solle sich an der ungarischen oder der türkischen Regierung ein Beispiel nehmen, denn dort beuge man sich ja schließlich, was die Sanktionen betrifft, auch nicht dem Nato-Diktat. Nationale Alleingänge à la Orbán und Erdoğan – wenn das mal keine Drohung ist.

So dick haben die Nationalisten schon lange nicht mehr aufgetragen. Sie ahnen wohl, dass der Wind sich gedreht hat. Trump ist weg, der Antiamerikanismus bei ihrer Klientel wieder en vogue, und nun kommt auch noch die Wirtschaftskrise dazu. Mit der Westintegration, wusste man früher einmal, mochten die Landsleute sich nur abfinden, solange im Gegenzug dafür die Kasse stimmte. Wenn jetzt der Lebensstandard einbricht, dann zeigt sich mal wieder, dass die Zivilisation hierzulande auf tönernen Füßen steht. Das werden dann freilich nicht die US-Amerikaner zu spüren bekommen, sondern andere – und allen voran, so steht zu vermuten, die Ukrainerinnen und Ukrainer. Wie schnell der Umschlag vom Lieblingsvölkchen zum Störenfried gehen kann, weiß man ja noch von den Geflüchteten aus Syrien.