Die kurdische PKK beantragt beim Bundesinnenministerium die Aufhebung ihres Verbots

Kaum Aussicht auf Erfolg

29 Jahre nach ihrem Verbot möchte die kurdische PKK in Deutschland wieder legal agieren und hat beim Bundesinnenministerium die Aufhebung ihres Verbots beantragt. Das Ministerium sieht jedoch keinen Anlass zu einer Neubewertung der Organisation.

Unter anderem mit einem »erheblichen Emotionalisierungseffekt« begrün­dete der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) 2017 das Verbot von Abdullah-Öcalan-Darstellungen auf grün-gelbem Hintergrund. Das Konterfei des seit 1999 in der Türkei inhaftierten Anführers der PKK eigne sich »in besonderer Weise, den in Deutschland verbotenen Zusammenhalt der PKK zu fördern«.

Während Tausende Menschen Ende April in Düsseldorf gegen die türkische Militäroperation im Nordirak auf die Straße gingen und dabei größtenteils Schilder mit der Aufschrift »Defend Kurdistan« hochhielten, tanzte ein kleines Grüppchen Jugendlicher mit ihrer Öcalan-Fahne aus der Reihe. Mehrfach versuchten die Ordner der Demonstra­tion, die gründlich vermummten Nachwuchsrevolutionäre aufzuhalten. Im dritten oder vierten Anlauf gelang es ihnen. Es folgte ein ernstes Gespräch mit dem Tenor: Die Polizei könne eine solche Fahne nutzen, um gegen die gesamte Demonstration vorzugehen, außerdem könnten die Fahnenträger eine Menge Ärger bekommen deswegen.

Die politische Bewertung der PKK hatte sich im Zuge des Kampfs gegen den »Islamischen Staat« vorüber­gehend verändert.

Die Gefahr ist real. Nach Angaben der kurdischen Nachrichtenwebsite ANF Deutsch waren hierzulande bislang über 10 000 Menschen von Maßnahmen wegen des PKK-Verbots betroffen. 408 Strafverfahren mündeten demnach in Freiheitsstrafen. Deutschland, kritisiert das Nachrichtenportal, stehe »an der Spitze der Repression«. Die PKK will das nicht länger akzeptieren. Über die Anwälte Lukas Theune und Peer Stolle hat die Organisation Mitte Mai die Aufhebung ihres Verbots beim Bundesinnenministerium beantragt.

Auf einer Pressekonferenz des Vereins für Demokratie und internationales Recht (MAF-DAD) am 11. Mai in Berlin legten die Vertreter ihre Begründung dar. Zum einen sei es Kurden wegen des PKK-Verbots in Deutschland fast unmöglich, ein ungestörtes kulturelles und soziales Vereinsleben zu entwickeln. Überwachung und Kriminalisierungsversuche verhinderten dies. Auch komme es immer wieder, etwa im Rahmen von Demonstrationen, zu schweren Grundrechtseingriffen durch den Staat. Zum anderen habe die PKK sich seit den Neunzigern verändert. In Deutschland gingen von ihr keine Straftaten mehr aus, auch die Ziele der Arbeiterpartei seien heutzutage andere. Statt eines eigenen Staats strebe man Autonomie an und verfolge das Konzept des demokratischen Konföderalismus.

Wie sehr sich die Aktivitäten der PKK in Deutschland verändert haben, zeigt ein Blick auf das Verbotsjahr 1993. Damals nahmen PKK-Anhänger im türkischen Generalkonsulat in München 25 Menschen als Geiseln. Sie verlangten, der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) solle in einer Fernsehansprache den Krieg der Türkei gegen die kurdische Bevölkerung in ­ihrem Land verurteilen. Auch gab es damals zahlreiche Anschläge gegen türkische Einrichtungen in Deutschland. In Wiesbaden starb am 4. November 1993 ein Türke bei einem Brand­anschlag auf eine Kneipe, der der PKK zugerechnet wird. Auch beging die PKK damals Morde an politischen Abweichlern aus ihren eigenen Reihen, für das Jahr 1994 sind vier solcher Opfer bekannt.

Der damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) sprach in der Verbotsbegründung davon, dass Deutschland kein »Kriegsschauplatz für Terroristen und Freischärler«, auch kein »Ruheraum« und »erst recht nicht Unruheraum« sein dürfe. Doch die Zeiten großer Anschläge der PKK in Deutschland sind lange vorbei. Allenfalls besetzen kurdische Demonstranten mal ein paar Bahngleise. Aber auch derlei hat Seltenheitswert.

Die politische Bewertung der PKK hatte sich im Zuge des Kampfs gegen den »Islamischen Staat« vorübergehend verändert. Doch auch diese Zeiten sind schon wieder vorbei. Deutschland ist außenpolitisch wieder enger an die Seite der Türkei gerückt. So verwundert es nicht, dass es aus dem Bundesinnenministerium heißt, man sehe keinen Anlass zur Neubewertung der PKK. Die Anwälte Theune und Stolle wollen im nächsten Schritt die Aufhebung des PKK-Verbots beim Bundesverwaltungsgericht beantragen.

Sollte es zu einem Verwaltungsgerichtsverfahren über das PKK-Verbot kommen, wird es in der Türkei sicherlich genauestens beobachtet werden. Zuletzt hatte Präsident Recep Tayyip Erdoğan das Veto der Türkei gegen die Aufnahme Schwedens und Finnlands in die Nato mit der PKK-freundlichen Haltung der Länder begründet. Die Chancen für eine Legalisierung der PKK in Deutschland dürften derzeit nicht allzu gut stehen. Eine Öcalan-Fahne bei einer Demonstration dürfte also auch in Zukunft zu Strafverfahren führen.