Wenn Wanderer stinken

Hiker trash

Walk on the Wild Side. Zwei Schwule – ein Wanderweg Von

Sucht man Bilder vom Pacific Crest Trail mit den gängigen Suchmaschinen, kann man leicht der Vorstellung erliegen, dass eine Langstreckenwanderweg zu jeder Zeit unglaublich schön ist. Auch die eigenen Fotos, die man während des Laufens macht, ähneln den überaus ansprechenden Postkartenmotiven. Was diese Bilder allerdings nicht zeigen können, ist der Geruch derjenigen Person, die das Foto aufgenommen hat. In den meisten Fällen ist das ein sehr unangenehmer. Schon nach kürzester Zeit verwandelt sich der auf Hygiene bedachte Städter in eine stinkende, schmuddelige Gestalt, die manchmal beim Einkauf in einem der raren Supermärkte entlang des Wanderwegs abfällig beäugt und sofort als Thru-hiker erschnüffelt wird. Dieser Zustand hat natürlich auch einen Namen: hiker trash. Nach einer gar nicht so langen Zeit schämt man sich dafür aber auch nicht mehr. Ein neue Ebene der Freiheit ist erreicht: die Freiheit zu stinken!

Schmutz, Dreck und Müffelei werden zu ständigen Begleitern, und so wird man bereits zu Beginn der Weitwanderung darauf hingewiesen, als Hiker doch vornehmlich im Außenbereich eines Restaurants Platz zu nehmen oder im Falle einer Autofahrt doch bitte sofort ungefragt das Fenster zu öffnen. Manch ein freundlicher Autofahrer, der einen bereitwillig mit zum nächsten Supermarkt nimmt, ist sogar bestens auf die schmuddeligen Wesen aus der Wildnis vorbereitet und legt, bevor man einsteigt, erst mal ein Handtuch auf dem Rücksitz aus. Sehr zuvorkommend, so bleiben einem wenigstens nicht die im Auto verteilten Hundehaare am verschwitzten Allerwertesten kleben.

Im Supermarkt macht sich dann oftmals das als hiker hunger bezeichnete Phänomen bemerkbar: Man stürzt sich auf die verschiedenen Instantprodukte – den Thunfisch in Dosen, Erdnussbutter und die Schokolade mit dem höchsten Kakaoanteil, die in der Mittagshitze nicht schmilzt. Dabei wird vor allen auf eines geachtet: die Kalorien. Aber nicht so, wie der auf Schlankheitswahn trainierte Leser vielleicht vermutet. Weitwanderer brauchen bis zu 5 000 Kalorien pro Tag, um nicht vom Fleisch zu fallen. Der Versuch, möglichst kalorienhaltige Nahrungsmittel einzukaufen, wird jedoch häufig durch leergefegte Regale erschwert. Die Thru-hiker sind, so ein erstes Resümee, offensichtlich nimmersatt.

Auch kann es vorkommen, dass sich eine Horde Wanderer in dem einzigen Imbiss aufhält, der zufälligerweise nahe des Weges liegt. Hier kann man beobachten, wie die Horde in kürzester Zeit versucht, alles zu vertilgen, was essbar ist. Wüssten sie es nicht besser, könnten bibeltreue US-Amerikaner wohl vermuten, dass es sich um die fleischgewordene Heuschreckenplage handelt. Über den Köpfen der Gäste rattert die auf Hochtouren laufende Lüftungsanlage, die wohl dafür sorgen soll, dass die anderen Gäste den Laden nicht naserümpfend ­verlassen.

Wohlgenährt zurück auf dem Trail, wird ein weiteres Bedürfnis dringlich: der Stuhlgang. Falls man den nicht in einem der seltenen Plumpsklos oder im eben erwähnten Schnellimbiss erledigen konnte, bleibt einem nur der Griff zum mitgeführten Schäufelchen. Mit etwas Glück findet sich bald ein sichtgeschütztes Plätzchen und die Grabarbeiten können beginnen. Das Verrichten der Notdurft in Hockhaltung ist übrigens äußerst gesund, aber das wissen wir bereits alle nach der Lektüre von Giulia Enders’ Bestseller »Darm mit Charme«. Das benutzte Klopapier kommt in ein Beutelchen und wird quasi als Gast­geschenk in der nächsten richtigen Toilette entsorgt. Getreu dem Hiker-Motto: Leave no trace.