Der Kanzler bekommt derzeit viel Post

Offene Briefe

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Halb Deutschland sitzt nun also da und schreibt oder unterzeichnet offene Briefe, aber damit war zu rechnen, es ist schließlich Krieg, beziehungsweise hier ist zwar kein Krieg, aber woanders. Und wer könnte berufener sein als der oder die Deutsche an sich, den Leuten in diesem Woanders zu erklären, was sie nun tun sollen? Richtig, niemand, und so jagt ein offener Brief den nächsten, denn natürlich reicht es nicht, sich irgendeiner zuvor verfassten Verlautbarung anzuschließen, nein, nein, alles muss noch einmal umformuliert und dann neu erzählt werden. Denn nur so kann man endlich, endlich auch einmal zu den, sagen wir: 20 Erstunterzeichnern und Erstunterzeichnerinnen gehören und muss sich nicht ewig durch Seiten voller Namen und imposanter Berufsbezeichnungen klicken, bis man sich selber gefunden hat, hier, an Position 53 987, Mist, ein Platz hinter dem doofen Dingens, was sollen denn nun die Leute denken?

Das war mal anders, früher, als es noch kein Internet gab und offene Briefe nur dann jemand mitbekam, wenn sie – mutmaßlich als bezahlter Content – in der Zeitung platziert wurden, irgendwo zwischen den Nachrufen und Todesanzeigen und den Kontakt­annoncen, Er sucht Sie, Sie sucht Ihn sowie Partnervermittlung Dingsdangs, diskret und 100 Prozent Erfolgsgarantie, sonst Geld zurück, ganz bestimmt, Ehrenwort!

Diese Zeiten sind aber nun mal vorbei und daher gibt es kein Halten mehr. Wozu hat man denn eine Meinung, wenn man sie nicht ständig allen vorführen kann, stolz und hoch aufgerichtet, sozusagen, soll ruhig jeder sehen, was man so denkt. Womit wir eigentlich nun zum Thema männliches Diskussionsverhalten kommen könnten, also diesem ständig auf der Lauer Liegen, ob irgendjemand auf Facebook oder anderswo anderer Meinung ist, und dann aber sofort dahin Sprinten und sich Aufplustern und Herumgockeln und das Posten, was man zwei Wochen zuvor auch schon gepostet hat und – aber dazu kommen wir erst wieder demnächst, bis nächste Woche, slawa ukrajini.