Knoblauch, Kräuter oder scharf

Prüfung mit Soße

Klassenkampf Von

Wenn die heimische Tierwelt damit beschäftigt ist, ihren kleinen flauschigen Nachwuchs in Nestern und Höh­len hingebungsvoll großzuziehen, bis er nach vergleichsweise kurzer Zeit die ihm auferlegten Prüfungen des Lebens meistern kann, also Laufen, Essen und dafür andere flauschige Tiere zu jagen, steht für den menschlichen Nachwuchs Jahr um Jahr eine andere Sorte Prüfung ins Haus, jedenfalls, so er vorhat, sich später mal an eine Hochschule zu begeben: das Abitur. Einige erinnern sich vielleicht: Diese Sache, bei der man gemeinsam mit vielen anderen in einem nach Angstschweiß riechenden Raum sitzt und überhaupt keine Anerkennung dafür bekommt, dass man längst sehr gut laufen sowie fehlerfrei essen kann und vielleicht sogar ein flauschiges Tier erfolgreich jagen könnte, wenn es ein eher kleines wäre. Wie jedes Jahr sind die Jugendlichen auch in diesem wieder sehr aufgeregt, und weil sie ihre Oberstufe pandemiebedingt unter erschwerten Bedingungen absolvieren mussten, räumt ihnen der Senat sogenannte Konsultationstermine ein, bei denen sie noch einmal Fragen zu Ablauf und Inhalt ihrer Prüfungen stellen können. Dabei habe ich gelernt, dass sie gar nicht so sehr viele Fragen haben, und die, die sie haben, sich dafür sehr häufig wiederholen.

Eine Frage, die sowohl im vorigen als auch in diesem Schuljahr in allen meinen Kursen gleich mehrfach aufkam und also sehr wichtig zu sein scheint, war die danach, ob es eigentlich stimme, dass man sich zur Abiturprüfung einen Döner mitbringen dürfe. Ich glaube, dass diese Frage auf einen Vortrag zum Abitur zurückzuführen ist, den ein Kollege von mir mal in grauer Corona-Vorzeit gehalten hat und in dem er darauf verwies, dass es wichtig sei, sich für die langen Prüfungen mit genügend Nahrung zu versorgen, dabei aber darauf zu achten sei, dass man etwas auswähle, das die Mitprüflinge nicht bei der Arbeit störte. Ein Döner, sagte er meiner Erinnerung nach, sei in­sofern vielleicht nicht so gut geeignet als Proviant.

Diese Einlassung muss seither mündlich von Abiturgeneration zu Abiturgeneration weitergetragen und dabei leicht entstellt worden sein, anders lässt sich das große Interesse meiner Schülerschaft an der Frage, ob vor Knoblauchsoße triefende Fleischscheiben in Weißbrot eigentlich eine gute Art von Versorgung in einer schriftlichen Prüfung darstellten, kaum erklären. Im vergangenen Jahr habe ich immerhin verhindern können, dass sich das Gerücht dahingehend weiterentwickelt, dass das Mitführen eines Döners eine unbedingte Voraussetzung zur Teilnahme an den schriftlichen Abiturprüfungen sei, jedenfalls hat letztlich niemand versucht, beim Einlass ein durchweichtes Aluminiumknäuel vorzuzeigen. Es ist also schon gut, muss man sagen, dass es sie gibt, diese Konsul­tationstermine.