Homestory

Homestory #16

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Am Wochenende wurde im ganzen Land eine fast schon altehrwürdige Tradition zelebriert, die es aber anders als das christliche Osterfest in dieser Form nur in Deutschland gibt: die Ostermärsche für den Frieden. »Die Waffen nieder« war eine Hauptforderung; das könnten die Beteiligten an dem Friedensspektakel ja mal den ukrainischen Gewerkschaftern erzählen, die die Lieferung schwerer Waffen fordern.

Anders war es auf einem alternativen Ostermarsch in Berlin. Dieser fand dezidiert nicht für den Frieden statt, sondern »für die Freiheit und Gerechtigkeit und gegen russische Angriffskriege«. Organisiert wurde er von der ukrainischen Organisation »Vitsche«, der Gruppe »Adopt a Revolution«, die die syrische Zivilgesellschaft unterstützt, und der Flüchtlingsinitiative »Leave No One Behind«. Statt Friedenstauben-Schildern wurden ukrainische Flaggen geschwenkt. Und sind die Ostermärsche oft von Menschen bevölkert, die ihre politischen Positionen in den achtziger oder gar sechziger Jahren entwickelt haben, ohne sie seither zu verändern, waren die Beteiligten an diesem Ostermarsch sehr jung.

»Viele hippe Jungurbane mit voll celebrating bunten Fähnchen. Gab bestimmt auch ein Coffee-Bike und W-Lan«, ätzte ein Facebook-Kommentator über die Demobilder. Dabei war vor allem auffällig, dass viele der »Jungurbanen« anders als bei den doch sehr altdeutsch geprägten Ostermärschen nicht unbedingt in Deutschland aufgewachsen sein dürften.
Der Vorwurf des Bellizismus haftet der Jungle World seit Jahren ebenso an wie die Kritik, es sei eine Zeitung für Großstadthedonisten, denen der Ernst und das tiefe Verständnis echter linker Politik leider fehlten. Ein empörter Leserbriefschreiber kombinierte all diese Klischees kürzlich: Die »linksliberalen Wohlstandsmilitaristen« würden »auf ihren linksliberalen Hedopartys die Lebens­wirklichkeit vergessen«.

Es stimmt ja, wäre die Jungle World eine Person, wäre sie mit fast 25 Jahren noch nicht dem Alter für »Hedopartys« entwachsen. Doch sind deren Redakteure weder linksliberal noch leben sie im Wohlstand, und auch der Hedonismus hat in den vergangenen Pandemiejahren bei vielen von ihnen gelitten. Wie gut also, dass bald mit dem 25jährigen Geburtstag der Zeitung Anlass für eine »Hedoparty« besteht, bei der sich auch unsere Leser werden überzeugen ­können, ob zumindest dieses Klischee noch zutrifft.