Ohrfeige bei den Oscars

Immer diese Ehrenmänner

Das Medium Von

Es war eine selbst nach Oscar-Verleihungsmaßstäben außergewöhnliche öde Oscar-Verleihung, bis zu dem Moment, in dem Will Smith sich erhob, auf die Bühne ging und dem Komiker Chris Rock ins Gesicht schlug – und die Welt umgehend begann zu rätseln. War das ein abgesprochener Gag? Im US-Fernsehen hatte nach der Ohrfeige Stille geherrscht, aber in anderen Ländern war die Attacke komplett live und mit Ton gezeigt worden, weswegen ein Ausschnitt aus der Sendung, den ein japanischer TV-Senders veröffentlichte, zum meistgegucktesten Oscar-Schnipsel auf Twitter wurde. Er zeigte den deutlich wütenden Schauspieler, wie er Rock zweimal lautstark aufforderte, den Namen seiner Frau Jada nicht noch einmal in den »fucking« Mund zu nehmen.

Ein Held. Ein großer Held. Ein Akt der Liebe. Respekt! Denn endlich steht mal jemand auf und verteidigt die Ehre seiner Frau. So ungefähr lauteten die ersten Reaktionen, vor allem, nachdem Smith in seiner Oscar-Rede sehr viel über die Liebe gesprochen hatte, tränenüberströmt, und Sachen sagte wie: »Liebe bringt einen dazu, verrückte Dinge zu tun.« Ahja. Die Zeiten, in denen Männer gewaltsam die von ihnen als verletzt angesehene Ehre ihrer Frauen verteidigen, sind also immer noch nicht vorbei. Und es scheint so, als könnten Frauen immer noch nicht selbständig entscheiden, ob sie verletzt wurden und dem Verursacher eine knallen, neinnein, sie müssen brav dasitzen und warten, ob ihre Männer das für sie erledigen. Smiths Ansprache über die Liebe wurde dann durch einen weiteren TV-Ausschnitt konterkariert, der ihn über Rocks Witz erst herzlich lachend zeigte, bis ihm auffiel, dass Jada Pinkett Smith erbost guckte.

Aber ist das alles überhaupt wichtig? Haben wir nicht ganz andere Probleme? Ja. Und ja. Wie die US-Journalistin E. Jean Carroll twitterte: »›Liebe bringt einen dazu, verrückte Dinge zu tun.‹ Jede Frau, die jemals geschlagen wurde, hat das schon einmal gehört.«