Als »Basic Instinct« 1992 im Kino startete, wurde dem Film Homophobie vorgeworfen

Teuflisch und divine

Schon vor dem Kinostart von »Basic Instinct« vor 30 Jahren gab es Proteste gegen den Film. Der Vorwurf: Homophobie. Dabei kann die Hauptfigur Catherine Tramell locker als Schwulenidol durchgehen.

»Basically Homophobic Misogynistic« prangte in großen Lettern auf einem Schild, das während einer Protestkundgebung in einer Frühlingsnacht 1991 in San Francisco hochgehalten wurde. Etwas weniger als 100 Meter Abstand mussten die Demonstrantinnen und Demonstranten laut gerichtlichem Beschluss vom Außenset des Films halten, gegen den sie dort protestierten – es handelte sich um »Basic In­stinct«. Ein früher Entwurf des Drehbuchs von Joe Eszterhas war Aktivisten in die Hand gefallen, die Organisation Gay and Lesbian Alliance Against Defamation, kurz GLAAD, mischte nun bei den zunächst von lokalen Gruppen organisierten Protesten gegen die ihrer Meinung nach beleidigende (»offensive«) Darstellung lesbischer und bisexueller Figuren in dem Film mit. Gegründet worden war GLAAD 1985 unter anderem von Vito Russo, der in seinem 1981 veröffentlichtem Buch »The Celluloid Closet« einen kritischen Blick auf die Darstellung von Homosexualität in Hollywood-Filmen geworfen hatte.

In »Basic Instinct«, der vor 30 Jahren im März 1992 in den US-amerikanischen Kinos anlief, wimmelt es in der Tat nur so vor homo- und bi­sexuellen Frauen. Da wäre zuallererst Catherine Tramell zu nennen, die von Sharon Stone gespielte Schriftstellerin, gegen die Polizist Nick (Michael Douglas) wegen eines bestialischen Mordes mit einem Eispickel an einem Rockstar ermittelt. Nicks ehemalige Freundin Beth (Jeanne Tripplehorn) entpuppt sich im Laufe des Films ebenfalls als bisexuell, Tramells lesbische Freundin Roxy (Leilani Sarelle) ist derweil eifersüchtig auf Nick, der sich auf eine Liaison mit Catherine einlässt, die seine Urteilsfähigkeit in Hinblick auf seine Ermittlungen ganz gehörig trübt.

Den Protest gegen »Basic Instinct« kann man als Ausdruck einer tiefen Veränderung inner­halb der Homo­sexuellen­bewegung verstehen – weg vom Kampf für gleiche Rechte, hin zu Forderungen nach »Anerkennung« und »Repräsentation«.

Der größte Fan von »Basic Instinct« ist ohne Zweifel die bisexuelle Kunsthistorikerin, Professorin und intellektuelle Skandalnudel Nummer eins, die US-amerikanische Feministin Camille Paglia. Dass Paglia den Film so verehrt und ihn sogar einmal – in einem Audiokommentar, den sie für eine DVD-Veröffentlichung einsprach – ihren Lieblingsfilm nannte, ist kein Wunder, stellt »Basic In­stinct« doch quasi eine Verfilmung der wichtigsten Thesen ihres Buchs »Sexual Personae« von 1990 dar. In dem Buch, einer erweiterten Version ihrer Dissertation, geht es drunter und drüber. In ihm breitet sie ihre wagemutigen Ideen aus, zum Beispiel über die ungebrochene Allmacht der Natur und den nicht endenden Geschlechterkampf. Zwischen der Beschreibung von »heidnischen Schönheiten«, androgynen Wesen und starken Amazonen entwickelt sie eine ihrer Theorien: »Der Mann fürchtet zu Recht, von der Frau als der Bevollmächtigten der Natur aufgefressen zu werden.«

Solch eine Frau, die Männer fürchten (was sie für gewöhnlich damit kompensieren, dass sie ihre Furcht in sexuelle Aggression verwandeln, was Paglia zufolge der Grund für die Entstehung des Patriarchats ist), ist Catherine Tramell, eine rauchende, blitzgescheite, manipulierende, machtvolle und gewiefte Femme fatale, die sich zu allem Überfluss auch noch den heterosexuellen Männern zumindest zeitweise entzieht. Kurz: Catherine Tramell ist die mit Lust besetzte Hassfigur eines jeden misogynen Mannes, ist eine Gefahr und gleichzeitig erregend für ihn – eine Phantasie. Ähnlich wie Paglia argumentierte auch die Filmwissenschaftlerin Barbara Creed, die in ­ihrem Buch »The Monstrous-Feminine« 1993 schrieb: »Die Botschaft des Films scheint zu sein, dass für den ahnungslosen Mann, der im Rausch des Orgasmus gefangen ist, der Tod jederzeit kommen kann.«

Den Protest gegen »Basic Instinct«, den Paglia in ihrem Audiokommentar verlacht, kann man als Ausdruck einer tiefen Veränderung innerhalb der Homosexuellenbewegung verstehen – weg vom Kampf für gleiche Rechte, hin zu Forderungen nach »Anerkennung« und »Repräsentation« – zur Identitätspolitik. Der erste Protest dieser Art war es jedoch nicht: Bereits 1980 hatten Aktivisten aus ganz ähnlichen Gründen und mit ähnlichen Mitteln gegen den Film »Cruising« des Regisseurs William Friedkin protestiert, der mit »The Exorcist« 1973 berühmt geworden war. Der Thriller spielt im schwulen Leder-Milieu von New York und zeigt auch eine schwule Bar von innen. Friedkin erklärte sich später bereit, eine Texteinblendung am Anfang des Films zu machen, die aussagt, der Film sei keine »Anklage der schwulen Welt« und nicht »repräsentativ« für diese.

»Cruising« sowie »Basic Instinct« wurden interessanterweise in den Debatten der vergangenen Jahre über vermeintlich problematische Repräsentation in Filmen nicht diskutiert. Hier waren es Filme wie Alfred Hitchcocks »Psycho«, Brian De Palmas »Dressed to Kill« und Jonathan Demmes »Silence of the Lambs«, denen vorgeworfen wurde, Minderheiten unsensibel darzustellen; in diesen Fällen bezog sich der Vorwurf allerdings auf die Charakterisierung von Transmenschen. Dies überrascht nur auf den ersten Blick: Für Lesben und Schwule ist im derzeitigen Aktivismus wenig Platz. In »Cruising« und »Basic Instinct« werden die Figuren darüber hinaus als explizit homo- beziehungsweise bisexuell benannt, während dasselbe eben nicht für »Psycho« und »Silence of the Lambs« gilt, deren kritisierte Figuren keineswegs transsexuell sind.

Die Kritik an »Basic Instinct« war darüber hinaus vermessener, als man vielleicht zunächst denken würde. In einem Making-of des Films erzählt beispielsweise Jonathan Katz, ein Aktivist der Gruppe Queer Nation, die sich im Umfeld der Aids-Initiativen wie Act Up gegründet hatte, unverblümt davon, dass »Basic In­stinct« nur ein »idealer Aufhänger« gewesen sei, »um die Homophobie Hollywoods« aufzuzeigen und natürlich nebenbei die eigene Botschaft publik zu machen. Immerhin bewiesen die Protestierenden Humor: Die bis zu 150 Menschen, die in 18 Nächten bei Außendrehs störten, Kabel durchschnitten, mit Lampen in die Kameras leuchteten und später vor Kinos das Ende des Films (zumindest ihre Interpretation davon) verrieten, um die Zuschauer vom Kinogang abzuhalten, hielten ziemlich kecke Schilder hoch. Auf einem davon war, in Anspielung an die Mordwaffe im Film, zu lesen: »Kiss My Ice Pick!«

Dabei ist gar nicht uninteressant oder komplett abwegig, dem Vorwurf der Homophobie gegen »Basic In­stinct« genauer zu betrachten, erschien der Film doch in einer Zeit, in der die sogenannte Aids-Krise ungebrochen andauerte. Während es vor lesbischen und bisexuellen Frauen in »Basic Instinct« nur so wimmelt, taucht tatsächlich keine schwule Figur auf, was aber nicht der »Unsichtbarmachung« dient, sondern die Aids-Krise gewissermaßen reflektiert: Eine promiske schwule Figur, die in einem Film des brutalen Mordes bezichtigt worden wäre, in einer Zeit, in der von der »Schwulenseuche« die Rede war, das hätte man tatsächlich nur als schwulenfeindliches Motiv deuten können. Dass ausgerechnet die lesbische Roxy und die bisexuelle Beth im Lauf des Film sterben, schlägt tatsächlich in diese Kerbe – Hollywood kann auf eine lange Liste devianter Figuren zurückblicken, die im Film ihr Leben verlieren. In »Basic Instinct« geht es aber nicht in diesem Sinne um Homosexualität – sie ist nur ein Motiv unter anderen. Der Film verhandelt das Geschlechterverhältnis, da ist es nur logisch, dass die Hauptfiguren ein Mann und eine Frau sind.