Der von der Bundesregierung angekündigte Pflegebonus

Trostpflaster für die Pflege

Nach zwei Jahren Pandemie plant die Bundesregierung eine Bonuszahlung für Pflegepersonal. Viel Geld ist es nicht, und manche werden sogar leer ausgehen.
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Hurra, der Pflegebonus kommt! Damit lässt sich genau beziffern, wie viel die pandemiebedingte Mehrbelastung in der Pflege der Regierung wert ist. Je 500 Millionen Euro für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sollen es einem Eckpunktepapier des Gesundheitsministeriums zufolge sein. Also insgesamt eine Milliarde Euro – ein Hundertstel von den 100 Milliarden »Sondervermögen« für die Bundeswehr, die Bundeskanzler Olaf Scholz ­vorige Woche angekündigt hat.
Die Bundesregierung will außerdem genau darauf achten, wer das Geld bekommt. In den Krankenhäusern sollen ungefähr 280 000 Pflegekräfte von den Zahlungen profitieren, sie können im Durchschnitt mit etwa 1 700 Euro rechnen. Je näher sie dran waren an Covid-19-Patientinnen, desto höher soll der Bonus ausfallen, die genaue Ausgestaltung bleibt den Kliniken in Zusammenarbeit mit Beschäftigtenvertretungen überlassen.

Konkreter sind die Vorgaben in der Altenpflege: Je nach »Nähe zur Versorgung, Qualifikation (und) Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit« gibt es maximal 550 Euro pro Person. Erhalten soll das Geld, wer seit November 2020 für mindestens drei Monate in der Altenpflege tätig war und es am 30. Juni dieses Jahres immer noch ist. Wer gerade am Ausbrennen ist, sollte also lieber noch vier Monate durchhalten, sonst ist Essig mit dem Geld.

Zwei Dinge bemängeln Kritiker vor allem: Zunächst einmal ist es nicht besonders viel Geld, auch wenn es zuvor schon Bonuszahlungen gab und außerdem Steuerfreibeträge für weitere Boni geplant sind. Vor allem aber stellt das drängendste Problem gerade nicht das Geld dar, sondern der Personalmangel. Mit dem Pflegebonus verschafft sich die Bundesregierung wohlklingende Schlagzeilen, die Arbeitsbelastung reduziert sie aber nicht. Die eine Milliarde Euro wirken deshalb wie ziemlich teure Symbolpolitik.

Die komplizierten Regeln für die Verteilung des Geldes zeigen außerdem, wie wenig die Bundesregierung von den Herausforderungen in der Pflege verstanden hat. Dieser Pflegebonus wird ­Unfrieden stiften. Es ist nicht verständlich, warum manche Geld bekommen sollen, andere aber nicht oder zumindest deutlich ­weniger. Die Mehrarbeit in den Kliniken haben nicht allein Pflegekräfte mit Covid-Kontakt übernommen. Die Politik tut aber so, als hätte es eine Belastung erster und zweiter Klasse gegeben: Belohnt werden soll ausschließlich die akute Pandemiebekämpfung.

Was ist mit Beschäftigten in Rehabilitationseinrichtungen, die ­sicher auch einer Mehrbelastung ausgesetzt sind und sein werden? Was ist mit dem medizinischen Personal in den Arztpraxen, das Impfungen vorgenommen hat, was ist mit den ambulanten Diensten, den Pflegenden in der Behindertenhilfe, den Reinigungskräften in den Krankenhäusern, was mit den Rettungsdiensten, dem Laborpersonal? Es wäre an der Zeit gewesen, deutlich zu machen, wie viele Menschen in den vergangenen zwei Jahren an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gegangen sind. Dafür braucht es mehr als zwei, drei schnell verpuffte Bonuszahlungen plus Steuererleichterungen.

Statt sich damit zu befassen, hat Olaf Scholz weitreichende Lockerungen der Pandemiemaßnahmen für den 20. März angekündigt, mit den Worten: »Irgendwie haben wir nach all diesen langen zwei Jahren mal verdient, dass es irgendwie wieder besser wird.« Aber es ist keineswegs so, dass alle gemeinsam die gleiche Anstrengung unternommen haben, um die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen. Das war zuvorderst jener Teil der Bevölkerung, der sich selbst und andere so weit wie irgend möglich geschützt hat; und das waren zweitens Pflege und Medizin. Das »Wir«, von dem Scholz spricht, gibt es nicht, und der Graben, der zwischen Helfern und Ignoranten entstanden ist, lässt sich nicht mit 550 Euro zuschütten. Der Bonus ist ein Trostpflaster, mehr nicht.

Im Übrigen hat die Bundesregierung beschlossen, eine Zehn-Euro-Münze zu prägen, um »all jene Berufsgruppen« zu würdigen, »die für unsere Gesellschaft unersetzlich sind«. Sie solle »Ausdruck des Respekts und der Wertschätzung« sein, heißt es auf der Website des Finanzministeriums. Da gehen Pflegekräfte bestimmt gleich viel beschwingter in die Nachtschicht, wenn sie so etwas lesen.