Sri Lanka steckt in einer schweren Wirtschaftskrise

Der Tee wird zu teuer

Sri Lanka ist hochverschuldet. Schwindende Devisenreserven und steigende Inflation sowie Stromabschaltungen bringen die Regierung in Bedrängnis.

Es ist fast 13 Jahre, seit Sri Lanka – nach einer finalen Militäroffensive mit schweren Menschenrechtsverletzungen, die bis heute abschließender Unter­suchungen harren – durch den blutigen Sieg über die Rebellen der Befreiungs­tiger von Tamil Eelam (LTTE) den jahrzehntelangen Bürgerkrieg beendet hat. Der Frieden sorgte für einen Aufschwung im Land. Zwar konnten unter der generell wirtschaftsliberal ausgerichteten Politik längst nicht alle daran teilhaben, dennoch ging es wirtschaftlich bis vor einiger Zeit für die Insel bergauf.

Inzwischen hat nicht allein die Covid-19-Pandemie für Einbußen gesorgt und insbesondere den wichtigen Tourismus weitgehend zum Erliegen gebracht. Generell waren die gesellschaftlichen und ökonomischen Aussichten seit rund anderthalb Jahrzehnten nicht mehr so düster wie in den zurückliegenden Monaten. Große Teile der Bevölkerung drohen erneut in Armut ­abzusinken, während der Regierung die Devisenreserven ausgehen, da der Schuldendienst immense Summen verschlingt. Selbst die Grundversorgung kann zum Teil kaum noch garantiert werden.

Ein Bündnis oppositioneller Kräfte schlug kürzlich vor, den Schulden­dienst Sri Lankas vorübergehend auszusetzen. Von solchen drastischen Schritten will die Regierung aber noch nichts wissen.

Wenn die nationale Strombehörde, das Ceylon Electricity Board (CEB), nicht in der Lage sei, genügend Treibstoff für März und April einzukaufen, könnten dem Land demnächst allgemeine Stromabschaltungen von drei bis fünf Stunden täglich drohen. Mit dieser Warnung zitierte die führende Tages­zeitung The Island Ende Februar Janaka Ratnayake, den Vorsitzenden der Public Utilities Commission of Sri Lanka (PUCSL). Dieselgetriebene Kraftwerke haben Ratnayake zufolge ihre Leistung bereits um 400 Megawatt reduzieren müssen, weil nicht genügend Treibstoff geliefert wurde.

Die Stromabschaltungen werden regional bisher unterschiedlich gehandhabt; sie sollen gewährleisten, dass die Kraftwerke mit den vorhandenen Ressourcen auskommen und wichtige Abnehmer eine Grundversorgung erhalten. Die Abschaltungen betreffen, wie der ehemalige Premierminister Ranil Wickremesinghe von der oppositionellen Vereinigten Nationalpartei (UNP) im Parlament konstatierte, unter anderem die Schülerinnen und Schüler, die gerade über ihren Prüfungen sitzen. Er forderte, die Abschaltungen zumindest bis zum Ende der Examen auszusetzen.

Zeitweise ohne Strom auskommen zu müssen, ist nicht die einzige Belastung, der sich die Bevölkerung seit vielen Wochen ausgesetzt sieht. Seit rund einem halben Jahr kann man beinahe bei jedem Einkauf merken, dass die Preise für wichtige Waren des täglichen Bedarfs wieder ein wenig gestiegen sind. Längst geht die Teuerungsrate nicht nur bei den ärmeren Haushalten, sondern auch bei der unteren Mittelschicht an die Substanz. Denn bei Arbeiterinnen, Arbeitern und Angestellten steigen Löhne und Gehälter nicht, während zugleich die Sri-Lanka-Rupie von Woche zu Woche an Kaufkraft verliert. Selbst auf übliche Rituale wie die Tasse Tee am Kiosk an der Ecke in der Pause oder auf dem Weg zur oder von der Arbeit verzichten inzwischen viele. Sie müssen sparen, um mit ihren Familien noch einen weiteren Monat notdürftig über die Runden zu kommen.

Im Februar hat die allgemeine Teuerungsrate 15,1 Prozent im Jahresvergleich erreicht – in solchen Höhen lag sie zuletzt im November 2008. Der abermalige Anstieg, nachdem die Rate im Dezember bei 12,1 Prozent und im Januar bei 14,2 Prozent lag, zeigt deutlich, dass sich die Krise seit dem Jahreswechsel weiter zugespitzt hat. Betrachtet man nur Nahrungsmittel, die üblicherweise bei den Einkäufen im Warenkorb landen, so sind diese im Januar sogar um stolze 25 Prozent (im Dezember bereits 22,1 Prozent) teurer geworden.

Ajith Nivard Cabraal, der seit September vorigen Jahres amtierende Gouverneur der Staatsbank, bestätigte Ende Januar dem US-Sender CNBC Informa­tionen, die schon seit Wochen kursierten: Im Verlauf des Jahres 2022 muss Sri Lanka nach derzeitigem Stand 6,9 Mil­liarden US-Dollar für den Schuldendienst im Ausland aufbringen. Zur ­Ablösung internationaler Staatsanleihen würden in den kommenden sieben Jahren insgesamt 12,5 Milliarden US-Dollar fällig, so Cabraal. 1,5 Milliarden US-Dollar müssten bereits dieses Jahr bezahlt werden – ein Drittel des Betrags sei schon beglichen, eine Milliarde müsse in den kommenden Monaten noch aufgebracht werden.

Mangelnde Kreativität im Schuldenmanagement kann man Regierung und Zentralbank nicht vorwerfen. Ein am 21. Dezember unterzeichneter Vertrag hatte international für Schlagzeilen gesorgt, weil Sri Lanka ihm zufolge Verpflichtungen gegenüber dem Iran für bereits erfolgte Öllieferungen in Höhe von 251 Millionen US-Dollar mit Tee, einem der wichtigsten Exportprodukte des Inselstaats, begleichen soll. Ansonsten ist die Regierung derzeit vor allem bemüht, mit neuen Darlehen die Rückzahlung alter Kredite zu finanzieren und mit wichtigen Gläubigern, insbesondere China, eine Umschuldung zu vereinbaren. Die Regierung in Peking scheint zum Entgegenkommen bereit – auch da ist man kreativ: Sri Lanka musste 2017 einen Hafen für 99 Jahre an China abtreten.

Es sind die enormen Verbindlichkeiten, die zum Kern der Krise gehören. Jeder noch verbliebene Dollar an Devisenreserven, der in Zinsen und Tilgung von Krediten fließt, kann eben nicht mehr für wichtige Importe ausgegeben werden, ob Treibstoff, Medikamente oder medizinische Ausrüstung. Ein Bündnis oppositioneller Kräfte unter Federführung der die wichtigste Minderheit des Landes repräsentierenden Tamilischen Nationalallianz (TNA) schlug kürzlich sogar vor, den Schuldendienst auszusetzen, bis die akute Krise ein wenig abgeklungen ist.

Von solchen drastischen Schritten will die Regierung aber noch nichts wissen. An deren Spitze steht der im November 2019 mit über 52 Prozent der Stimmen gewählte Präsident Gotabaya Rajapaksa. Er hatte umgehend seinen älteren Bruder Mahinda, dem er in dessen Amtszeit als Präsident (2005 bis 2015) als Verteidigungsminister diente, zum Premierminister gemacht; Basil, sein jüngerer Bruder, ist nun Finanzminister, und Chamal, ein weiterer Bruder, sowie Namal Rajapaksa, ein Sohn Mahindas, sitzen ebenfalls am Kabinettstisch.

Die regierende Sri Lanka Podujana Peramuna (SLPP) verfügt seit den Wahlen 2020 im Parlament über eine solide Zweidrittelmehrheit. Vorläufig muss der Rajapaksa-Clan also keine unmittelbare Bedrohung seiner Macht fürchten. Dafür sind die UNP, die aus ihr hervorgegangene größte Oppositionskraft Samagi Jana Balawegaya (SJB), die TNA und andere Kräfte sogar vereint noch zu schwach. Doch in der ­Bevölkerung macht sich Unmut breit. Selbst der mit der SLPP eigentlich verbündete ehemalige Präsident Maithripala Sirisena, dessen Freiheitspartei (SLPFA) wie die UNP fast in die Bedeutungslosigkeit abgesackt ist, übte schon verhaltene Kritik – was als erstes Alarmsignal gelten kann.