Drogen und Sport gehören zusammen

Drogen nehmen und rumfahren

Alles ist besser mit Drogen. Das gilt selbstverständlich auch für den Sport.
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Wenn man im Winter mit einem Hollandrad nüchtern und fluchend durch den Nieselregen zur Arbeit fährt, ist das kein Vergnügen. Wenn man völlig dicht auf einem Rennrad – nebenbei Dackel spaltend – durch die Alpen nach L’Alpe d’Huez hochrast, ist das die Tour de France. Und jeder, der als Kind versucht hat, mit einem Klapprad auf eine Kohlehalde zu fahren, weiß: Gott (oder die Natur) hat nicht gewollt, dass wir die Berge hochstrampeln. Zumindest nicht schnell.

Dass Lance Armstrong sieben Mal die Tour de France gewann, lag nicht nur daran, dass er ein disziplinierter Ausnahmeathlet war, sondern auch daran, dass sein Teamarzt besser war als der des eher glücklosen Jan Ullrich. Ullrichs Teamarzt aus seiner Zeit beim Team Bianchi war einst mein Hausarzt. Armstrong war selbstverständlich bei der Tour voll wie eine Haubitze, aber das waren die meisten anderen Fahrer wohl auch. Er war trotzdem schneller und konnte sich dank der richtigen Mixtur aus Dopingmitteln wie Erythropoetin (Epo) und Testosteron an der Spitze behaupten.

1903 gewann Maurice Garin die erste Tour de France. Zigarren und Rotwein konsumierten die Fahrer damals gern, Garin verließ sich daneben unter anderem auf eine Mischung aus Kaffee und Champagner.

Doping und die Tour de France gehörten immer schon zusammen. 1903 gewann Maurice Garin die erste Tour de France. Zigarren und Rotwein konsumierten die Fahrer damals gern, Garin verließ sich daneben unter anderem auf eine Mischung aus Kaffee und Champagner.

Überhaupt: Alkohol und Sport. Bei dem Thema muss man selbstverständlich vorsichtig sein, wenn man sich im Internet informieren will. Obskure Publikationen wie das AOK-Magazin oder Sports and Medicine warnen davor, beim Sport zu trinken. Sie verbreiten merkwürdige Theorien darüber, dass Alkohol für den Flüssigkeitshaushalt des Körpers schlecht sei und auch bei der Regeneration störe. Alles Unsinn. Das weltweit anerkannte medizinische Fachmagazin Gentlemen’s Quarterly (GQ) kommt zu einem anderen Schluss: »Bei Menschen, die sich körperlich fit halten, verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie mäßige bis schwere Trinker sind.« Sport macht vor allem betrunken Spaß. Die Wahrscheinlichkeit, im Park schon einmal einem nüchternen Jogger begegnet zu sein, ist also nicht wesentlich höher, als hinter einem Einhorn in der Schlange im Getränkemarkt zu stehen.

Und was für Alkohol gilt, gilt auch für Haschisch. Obgleich viele Kiffer wie tranige Flokatis auf dem Fußboden herumlungern, hat das nicht unbedingt mit der Droge Cannabis zu tun. Wahrscheinlicher ist, dass es sich bei ihnen einfach um faule Säcke handelt. Das Online-Portal der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft resümiert einen Artikel zweier Mit­glieder der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) und einer Toxikologin des U. S. National Institute on Drug Abuse: »Ausgehend von den seinerzeit«, nämlich 2011, »verfügbaren Studien an Mensch und Tier könne ›Cannabis für einige Athleten und Sportdisziplinen leistungssteigernd sein‹.«

Erst als sich immer mehr Skateboarder von der Straight-Edge-Be­wegung, die alles ablehnt, was Spaß macht, trennten und begannen, Drogen zu nehmen, konnte ihr Sport im vergangenen Jahr endlich olympisch werden. Doch wer dicht durch Japan rollen wollte, bekam ein Pro­blem: Cannabis stand auf der Dopingliste. Titus Dittmann, der Mann, der wie kein zweiter in Deutschland am Rollbrettsport verdiente, zeigte sich in Today, einer Beilage der Rheinischen Post, empört: »Nur weil Kiffen illegal ist, sollen sie gesperrt werden?«

Auch der Motorsport wäre ohne Alkohol undenkbar. Millionen Menschen fahren jeden Tag hickehackedudeldicht durch den Stadtverkehr. Wo bitte soll das Problem sein, wenn man im Kreis fährt, ohne von Radfahrern und Rentnerinnen belästigt zu werden? Der ehemalige Formel-1-Rennfahrer Kimi Räikkönen gestand in seiner Biographie »Der unbekannte Kimi Räikkönen«: »Es hat meiner Karriere nicht geschadet. Ich habe eben immer auch noch für alle anderen getrunken.«

Fußball, das sehen nicht nur viele Fans so, ist eine Sportart, die nüchtern kaum zu ertragen ist. Doch auch Alkohol hilft nicht immer: Der betrunkene Schiedsrichter Wolf-Dieter Ahlenfelder wollte 1975 ein Bundes­ligaspiel zwischen Werder Bremen und Hannover 96 schon nach 30 Minuten abpfeifen.

Dem Torwart Toni Schumacher verdanken wir tiefe Einblicke in die Trinkerszene zwischen den beiden Toren. In seinem Buch »Anpfiff« (1987), das die Taz einmal als den »katholischen Vorläufer der ›Satanischen Verse‹« bezeichnete, beschrieb er Suff und Doping im Fußball.

Alkohol wurde allerdings auch schon einige Jahre zuvor dann und wann als Problem gesehen. Als Borussia Dortmund in der Saison 1971/1972 der Abstieg in die zweite Liga drohte, untersagte der dama­lige Trainer Herbert »Budde« Burdenski seinen Spielern Alkohol sowie den nächtlichen Besuch von Bars und Kneipen. Bernd-M. Beyer zitiert eine Drohung Burdenskis in seinem Buch »71/72: Die Saison der Träumer« wie folgt: »Sollte ich einen erwischen, ist er bei mir absolut weg vom Fenster.« Die Kicker pichelten weiter, fügten sich ihrem Schicksal und stiegen berauscht ab.

Erfolgreicher als mit Pils und Korn sind hingegen Sportler, die zum ­sogenannten Anden-Aspirin greifen. Zwischen 1997 und 2001 stand Martina Hingis 209 Wochen lang auf dem ersten Platz der Tennisweltrangliste der Frauen. 2007 wurde sie positiv auf Kokain getestet. Hingis sagte, sie habe nie Drogen genommen, und erklärte trotzdem ihren Rücktritt als Profisportlerin. Als Grund nannte sie ihr hohes Alter. Hingis war damals 27.

Wir leben in der Zeit der Covid-19-­Pandemie. Bei vielen Sportarten ist es nicht einfach, gleichzeitig zu trainieren und die immer noch notwendigen Hygienemaßnahmen einzuhalten. Es ist also eine gute Zeit, sich eher auf die Arbeit mit psychoaktiven Substanzen zu konzentrieren, um dann im Sommer fit zu sein.