Nur keine Eile beim Impfen

Nur keine Eile

Was kümmert mich der Dax Von

Zu Opfern im Kampf gegen die Pandemie sind die Bundestagsabgeordneten bereit. »Die Karnevalspause wird uns nicht daran hindern, zu einer Gesetzgebung zu kommen«, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP »aus Kreisen der Ampelfraktionen«. Auch ein Vertreter der Unionsfraktion sagte: »Wir bestehen nicht darauf, wegen Karneval zu pausieren.« Es könnte im Februar also mehr als die übliche eine Sitzungswoche und somit mehr Zeit für eine Debatte über die Impfpflicht geben. Nicht, dass man es sonderlich eilig hätte. Dass es die allgemeine Impfpflicht nicht, wie von ihm angekündigt, bis Anfang März geben werde, ließ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag Vizeregierungssprecherin Christiane Hoffmann kundtun.

Offenbar brauchen die zarten Seelen der Abgeordneten noch viel Zeit, um mit ihrem Gewissen zu ­ringen, schließlich wird diese Frage ja auch erst seit Oktober vorigen Jahres intensiv diskutiert. Wer kann sich schon so schnell eine Meinung bilden? Dann wäre da auch noch die gefürchtete Polarisierung. »Führung bedeutet nicht Basta-Politik, sondern die Gesellschaft mitzunehmen und Gräben zu überwinden«, doziert der grüne Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen. Und überhaupt, es ist ja eh zu spät. Begründete im Herbst der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seine Ablehnung der Impfpflicht damit, dass diese die »vierte Welle« nicht stoppen können, so meint SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nun, es sei klar, »dass eine allgemeine Impfpflicht keinen Beitrag zur Bewältigung der aktuellen Omikron-Welle bieten könnte«. Dahmen hält es allerdings »angesichts des starken Anstiegs von Neuinfektionen in der Omikron-Welle« für »kurzfristig umsetzbar, die einrichtungsbezogene Impfpflicht auf weitere Bereiche wie etwa Polizei, Feuerwehr und Justizvollzug auszuweiten«.

Die Impfpflicht für eine wachsende Gruppe von Lohnabhängigen, denen bei Ver­weigerung nicht nur eine Geld­strafe, sondern der Verlust der sozialen Existenz droht, stößt kaum auf ­Widerspruch. Doch ist die Impfung zumutbar, so ist sie es nach dem Gleichheitsgrundsatz des bürgerlichen Rechts für alle. Ist sie für den Pandemieschutz notwendig, so gibt es zweifellos Bereiche, in denen die Verpflichtung dazu besonders dringlich, aber keinen, in dem sie überflüssig ist. Auch ist nicht anzunehmen, dass ein nennenswerter Anteil jener knapp über 25 Prozent der deutschen Bevölkerung, die sich noch nicht zu einer Erst­impfung entschließen konnten, sich durch im Bundestag vorgebrachte Argumente beeindrucken ließe. Einmal mehr scheuen die demokratischen Parteien die Konfrontation mit den Rechten und Sozialdarwinisten, obwohl sich Ende November die Anhänger ­aller demokratischen Parteien mit Mehrheiten zwischen 85 Prozent (Union) und 56 Prozent (FDP) für die Impfpflicht aussprachen. Doch offenbar geht man im politischen Establishment ­davon aus, dass die ­Privilegierung der Impfgegner einmal mehr akzeptiert wird.