Frankreich gerät in der ­Sahelzone unter Druck

Barkhane unter Druck

Die französischen Truppen in der Sahelzone, die Jihadisten bekämpfen sollen, verlieren unter der Bevölkerung der Region an Zustimmung.

Die französische Sahelpolitik sieht sich seit einigen Wochen und auch zu Beginn des neuen Jahres mit einer wachsenden Zahl von Widrigkeiten konfrontiert. Pünktlich zum 1. Januar präsentierte die seit anderthalb Jahren in Mali herrschende Militärregierung unter dem Übergangspräsidenten Assimi Goïta ihre Pläne für den weiteren ­Ablauf der »Transition«, also des Übergangs zur Demokratie nach den beiden Putschen im August 2020 und Mai 2021. Hätten bislang nach den Vorstellungen Frankreichs sowie der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) Wahlen bis spätestens Ende Februar dieses Jahres stattfinden sollen, sieht die malische Junta nunmehr eine Verlängerung der Übergangsperiode auf bis zu fünf Jahre vor. Eine Präsidentschaftswahl soll demnach erst 2026 stattfinden.

Auf Whatsapp machen fake news die Runde: Angeblich belieferten die französischen Truppen die Jihadisten mit Waffen.

Unbestritten ist, dass der Konflikt zwischen der französischen und der malischen Regierung sich in den vergangenen Wochen verschärft hat. Der wichtigste Streitpunkt ist der geplante Einsatz der russischen Söldnerfirma Wagner in Mali. Erste Schritte für die Niederlassung der Firma im Land soll es kurz vor Weihnachten gegeben ­haben. Am 23. Dezember reagierten 16 westliche Staaten mit einer gemeinsamen Erklärung, in der sie den Einsatz russischer Söldner in Mali scharf kritisierten. Die malische Regierung dementierte dies und behauptete, es würden lediglich Ausbilder eingesetzt.

Ein Teil der malischen Bevölkerung würde die militärische Präsenz russischer Söldner in Mali durchaus begrüßen. Das hängt damit zusammen, dass die französischen Truppen an Zustimmung verlieren. Zu Beginn der offiziellen französischen Militärintervention im Januar 2013 hoffte eine Mehrheit der Bevölkerung noch auf eine schnelle und effiziente Vertreibung der jihadis­tischen Gruppen aus dem Norden Malis, den diese seit 2011 immer mehr unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Der Einsatz hat den Vormarsch der Jihadisten in Mali beendet, diese aber nicht entscheidend geschwächt. In den städtischen Zentren von Bamako oder Gao sind sie zwar nicht mehr präsent, außerhalb dieser haben sie jedoch in der ganzen Sahelregion an Einfluss gewonnen und die Gewalt hat zugenommen.

In der zweiten Novemberhälfte kam es zum Eklat. Am 14. November war der insgesamt 32. Versorgungskonvoi für die französischen Truppen der Operation Barkhane aus der ivorischen Hafenmetropole Abidjan aufgebrochen, um auf der von französischen Soldaten als »voie sacrée« (heiliger Weg) bezeichneten Teerstraße durch vier Länder nach Gao in Nordmali vorzurücken. 90 Militärfahrzeuge fuhren in einer Kolonne. Doch bereits in Bobo-Dioulasso und Ouagadougou in Burkina Faso hielten Demonstrierende den Konvoi auf, dann blockierten aufgebrachte Einwohner der 150 000 Einwohner zählenden Provinzhauptstadt Kaya vom 18. bis 20. November den Konvoi. Erst am 25. November erreichte er den Niger. Auch Schüler- und Studierendenorganisation riefen zur Blockade auf. Die Blockierenden sympathisierten aber keineswegs mit Jihadisten, ganz im Gegenteil. Eine am 25. November in der Pariser Zeitung Libération erschienene Reportage, in der Teilnehmer und Augenzeugen zu Wort kommen, zitiert beispielsweise einen früheren Landwirt aus dem Norden Burkina Fasos, der seit drei Jahren als Binnenflüchtling in Kaya lebte, nachdem er durch jihadistische Gewalt vertrieben worden war.

Dem französischen Militär wird vorgeworfen, Zivilisten nicht hinreichend zu schützen. Bei einem Angriff auf ­einen Gendarmerieposten nahe einer Goldmine in Inata in der nördlichen Region Soum in Burkina Faso töteten Jihadisten am 14. November 49 Gendarmen und vier Zivilisten. Dies sei geschehen, während das französische Militär mit militärischer Ausrüstung vorbeigefahren sei, empörten sich junge und ältere Menschen in Burkina Faso. Ob französische Soldaten hätten helfen können, ist unklar, zumindest aber ändert ihre Präsenz nichts daran, dass weite Gebiete der Sahelregion von mangelhaft ausgerüsteten und schlecht versorgten einheimischen Sicherheitskräften unzureichend geschützt werden. Am 1. Januar hat das burkinische Militär nach eigenen Angaben in der Region Mouhoun zwar 29 Terroristen »neutra­lisiert«, am 23. Dezember waren im Gebiet von You jedoch 41 Menschen mutmaßlich von Jihadisten getötet worden.

Auf Whatsapp machen fake news die Runde: Angeblich belieferten die französischen Truppen die Jihadisten mit Waffen. Teilnehmer der Blockade in Kaya verlangten von den Soldaten im Konvoi daher Einblick in deren Transporter. Die Soldaten lehnten ab. Burkinische Sicherheitskräfte, von denen einige mit den Protestierenden sympathisierten, waren an Ort und Stelle, griffen jedoch nicht ein. Schließlich gaben französische Soldaten Warnschüsse ab. Augenzeugen berichteten allerdings, dass bei der Auseinandersetzung mehrere Blockierer verletzt worden seien.

Bei der Weiterfahrt des Konvois wiederholte sich das Geschehen in ähnlicher Form am 27. November in Téra im Westen von Niger. Die Stadt hat zahlreiche Binnenflüchtlinge aufgenommen und gilt als eine Hochburg der Opposition. Dieses Mal schossen sowohl französische Soldaten als auch nigrische Ordnungskräfte auf Protestierende und es kam neben 18 Verletzten auch zu mindestens zwei Toten. Nigers Präsident Mohamed Bazoum hatte zunächst vor allem die Protestierenden verurteilt, verlangte jedoch kurz vor Weihnachten von der französischen Regierung eine Untersuchung. Frankreichs Verteidigungsministerin Florence ­Parly antwortete kurz angebunden, man habe die Vorfälle längst untersucht. Sanktioniert wurde niemand. Die Popularität der französischen Armee in der Region dürfte dadurch weiter gelitten haben.