Der Fußballjahresrückblick

Die Rückkehr der Fans

Der traditionelle Fußballjahresrückblick zeigt viele Faninitiativen sowie einige üble rassistische, antisemitische und sexistische Vorfälle.

Nachdem das Jahr 2020 auch für Fußballfans von den pandemiebedingten Einschränkungen geprägt gewesen war und sich aktive Fans vielerorts in solidarischen Initiativen engagiert hatten, ging es im ablaufenden Jahr für die meisten dann doch wieder zurück in die Stadien.

In den Bundes- und Regionalligen wurde die Rückrunde der vergangenen Saison im ersten Halbjahr 2021 noch fast ausschließlich ohne Zuschauer zu Ende gebracht, doch seit dem Sommer und dem Beginn des nunmehr laufenden Fußballjahrs haben sich viele Fangruppen entschieden, unter 3G- oder 2G-Bedingungen in die Kurven zurückzukehren, von denen einige wieder voll ausgelastet waren. Insbesondere die Anforderung eines Impf- oder Genesenennachweises nahmen allerdings auch einige Ultra-Gruppen, etwa die Dresdner »Ultras Dynamo« oder die »Suptras Rostock«, zum Anlass, ihre Unterstützung erneut einzustellen. Mit Beginn der sogenannten vierten Welle und erheblichen Reduzierungen der Zuschauerkapazitäten in den Fußballstadien in den vergangenen Wochen sind die aktiven Fans nun wieder überall außen vor.

Aber auch als die Stadien zu Beginn des Jahres den Fans noch verschlossen waren, bewiesen diese, dass sie sich durchaus auf ihre Weise zu Wort melden können. Im Januar riefen Freiburger Anhänger zu Spenden für eine symbolische Auswärtsfahrt nach Wolfsburg auf und übergaben anschließend über 12 000 Euro an eine lokale Organisation der Obdachlosenhilfe sowie die antirassistische Kampagne »Leave no one behind«.

Die Initiative »Ballspiel vereint« erinnerte im April auf der leeren Dortmunder Südtribüne an den 15 Jahre zuvor vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık.

Fans des Regionalligisten VfB Oldenburg forderten per Spruchband im Februar erfolgreich die Absetzung des Sicherheitsbeauftragten des Vereins, der sich in sozialen Medien als Anhänger von Covid-19-Verschwörungsmythen präsentiert hatte. Während eines Spiels des FC St. Pauli im März legten Anhänger auf der leeren Tribüne eine Solidaritätsbekundung für den in Belarus inhaftierten Sänger einer antifaschistischen Punkband aus. »Free Bancer« stand auch auf einem Spruchband der Chemie-Leipzig-Fangruppe »Skins«.

Die Initiative »Ballspiel vereint« erinnerte im April auf der leeren Dortmunder Südtribüne an den 15 Jahre zuvor vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık. Zum Internationalen Frauenkampftag am 8. März forderten im Bündnis »F95 Antirazzista« aktive Fans von Fortuna Düsseldorf per Spruchband am Nachwuchsleistungszentrum des Vereins die Einrichtung einer Frauenabteilung. Die »Ultras Düsseldorf« organisierten im ersten Halbjahr eine Auktion, bei der über 10 000 Euro für das örtliche »Bündnis gegen Depression« eingenommen werden konnten. Die Ultras setzen sich seit Jahren für eine offenere Auseinandersetzung mit der Krankheit ein.

Mit Beginn des Sommers und der entschärften pandemischen Lage wurden vermehrt wieder Zuschauer beim Fußball zugelassen. Besser niemals zurückgekehrt wäre allerdings eine Gruppe von Anhängern des Regionalligisten Chemnitzer FC, die am 26. Juni zum Testspiel ihres Vereins ins tschechische Most gereist war und während eines Fanmarschs zum Stadion lauthals ein Lied der Rechtsrockgruppe Landser sowie die Parole »Sieg Heil« brüllte. Im Stadion zeigten Chemnitzer Fans außerdem die Spruchbänder »Egal ob Bibel oder Evolution – Mutter, Vater, Tochter, Sohn«, »Fuck LGBTQ« sowie »Respect Hungary« als Zeichen ihrer Zustimmung zur repressiven Sexualpolitik Ungarns. Rund einen Monat später gab der Chemnitzer FC bekannt, zehn beteiligte Personen identifiziert und mit zeitlich unbegrenzten Hausverboten belegt zu haben. Die »Ultras Chemnitz« distanzierten sich in einer Stellungnahme von »Extremismus, Rassismus und Diskriminierung«.

Der Juni wurde international zum »Pride Month« erklärt, was einige Vereine dazu veranlasste, die Logos auf ihren Websites in Regenbogenfarben einzufärben. Bei einigen Fans des FC Rot-Weiß Erfurt stieß dies nicht auf Beifall und sie bekundeten per Spruchband am Stadion: »Euer #Pridemonth interessiert uns einen Scheiß – unsere Farben bleiben für immer Rot und Weiß!« Erfurter Anhänger hatten bereits im Februar bundesweit Schlagzeilen gemacht, als das Landgericht Gera die Hooligans des »Jungsturm« zwar zu einer kriminellen Vereinigung erklärte und einige Mitglieder wegen unterschiedlicher Gewaltdelikte verurteilte, die neonazistische Gesinnung der Gruppe aber weitgehend ignorierte. Im Prozess gegen Dresdner Hooligans der »Faust des Ostens« wurden im Mai, acht Jahre nach der Anklageerhebung wegen Mitgliedschaft und Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie gefährlicher Körperverletzung, milde Urteile verlesen: Keiner der angeklagten Rechtsextremen musste ins Gefängnis.

Doch fielen mit Beginn der neuen Fußballsaison auch viele Fans positiv auf. Anhänger von Tennis Borussia Berlin und dem SV Babelsberg zeigten Gedenkbekundungen nach dem Tod der Holocaustüberlebenden und Antifaschistin Esther Bejarano. ­Chemie-Leipzig-Fans forderten per Spruchband im August eine Luftbrücke für die Bevölkerung Afghanistans, nachdem dort die Taliban die Macht übernommen hatten.

Die aktiven Fans des FC Bayern München liegen in einem anhaltenden Clinch mit ihrer Vereinsführung über den Sponsorendeal mit Qatar Airways. Sie werfen den Verantwortlichen vor, aus finanziellen Erwägungen über die Missachtung der Menschenrechte in Katar hinwegzusehen. Zuletzt eskalierte der Streit auf der jährlichen Mitgliederversammlung Ende November.

Ultras aus Wolfsburg traten im Zuge eines dort im November stattfindenden Länderspiels für einen Boykott der im kommenden Jahr in Katar anstehenden Fußballweltmeisterschaft der Männer ein. Unlängst erklärten sich Fans des Hamburger SV zudem zum wiederholten Mal per Spruchband solidarisch mit dem 2015 nach Deutschland geflüchteten HSV-Spieler Bakery Jatta, dem Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz zur Last gelegt werden.

Weniger schön war das, was die Mannschaft der BSG Chemie Leipzig im September während des Auswärtsspiels beim Berliner FC Dynamo sowie im November beim Derby bei Lokomotive Leipzig erleben musste. Nach beiden Matches wurde über rassistische Parolen und Affenlaute berichtet, die sich gegen schwarze Spieler richteten.

Für weltweites negatives Aufsehen sorgte außerdem das Gastspiel ­Maccabi Haifas bei Union Berlin – es war das erste Spiel einer israelischen Mannschaft in dem 1936 von den Nazis erbauten Berliner Olympiastadion. Zuschauer berichteten, während der Partie antisemitisch beleidigt worden zu sein. Zudem soll ein Union-Fan versucht haben, eine Israel-Fahne anzuzünden. Die Ultras des FSV Mainz 05 zeigten beim anschließenden Spiel gegen Union Berlin ein Spruchband mit der Aufschrift »Gegen jeden Antisemitismus«.

Und dann sorgten Anhänger von Energie Cottbus im November noch für eine äußerst geschmacklose Aktion. Die Ultras des Derby-Gegners SV Babelsberg waren nicht zum Spiel gereist, weil sie befürchteten, »organisierte Faschisten« könnten Zugriff auf die Kontaktdaten erhalten, die wegen der Pandemiemaßnahmen abzugeben waren. Der Cottbuser Fanblock zeigte daraufhin neben dem Spruchband »Eure Daten sind uns scheißegal, sind eure Fressen doch die größte Qual« eine Karikatur der Rapperin und Trans-Aktivistin »FaulenzA«. Diese erklärte später, die »transfeindliche Fanchoreo« habe sie »geschockt« und »erschlagen«. Sie ist Mitglied im Fanclub »Babelsqueers«. Babelsberger Fans solidarisierten sich mit der Angegriffenen, auch die »Energiefans gegen Nazis« verurteilten die Aktion deutlich.