Die neue Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP)

Frau der kurzen Sätze

Klassenkampf Von

In der Presse lese ich, dass Deutschland eine neue Bildungsministerin hat, die Bettina Stark-Watzinger heißt und Mitglied der FDP und damit, logisch, Finanzexpertin ist. Bereits im August hat sie einen Kommentar zum »bildungspolitischen Stillstand« der vergangenen 16 Jahre in der Welt veröffentlicht, was ich praktisch finde, denn der hilft mir sicherlich zu verstehen, was ich von ihr zu erwarten habe, oder? »Kinder und Jugendliche brauchen jetzt dringend planbare Normalität. Die Schulpflicht ist keine Einbahnstraße. Der Staat ist in der Pflicht, Unterricht möglich zu machen. Deshalb muss bei einer vierten Welle pandemiesicherer Präsenzunterricht sichergestellt werden.«

Prima, das sind schon mal lauter Sachen, auf die sie und ich uns sehr gut einigen können: »planbare Normalität«, das klingt, als wäre es eine tolle Sache, wenn man erst mal herausgefunden hat, was das genau sein soll, aber das hat sie ja bestimmt. Und nein, Schulpflicht ist tatsächlich, soweit ich weiß, keine Einbahnstraße, die sind ja gut gekennzeichnet in Deutschland, es fehlen Straßenbelag und dieser weiß-blaue Pfeil ganz am Anfang, da sieht man gleich, dass das was anderes ist, richtig also. Und auf jeden Fall sollte der Staat, soweit möglich, jetzt irgendwie sicherstellen, dass wir in der vierten Welle nicht wieder alle zu Hau­se bleiben müssen, auch hier sind wir d’accord.

Was weiter? »Digitale Defizite sind ungelöst. Die Bundesregierung geht viel zu leichtsinnig mit den Bildungschancen unserer Kinder um. Die nächste Kultusministerkonferenz ist erst für Oktober geplant. Das ist viel zu spät.« Gut, also man soll die digitalen Defizite lösen, vermutlich mit mehr Geld – da werde ich jetzt ein bisschen misstrauisch, weil die vorige Regierung das auch schon dringend wollte und wir in Haus drei irgendwie immer noch kein Netz haben. Und, mal was ganz anderes: Bin ich eigentlich die einzige, die beim Lesen von Stark-Watzingers Kommentar das Gefühl bekommt, auf einem Kasernenhof zu stehen und durch ein Megaphon angebrüllt zu werden? Ist diese Frau im richtigen Ministerium gelandet?

Die deutsche »Bildungsmisere« sei »das Ergebnis jahrelanger Versäumnisse. Zuständigkeiten sind verworren. Die Kultusministerkonferenz ist bürokratisch und träge.« Ich beginne, ihr eigentliches Programm zu verstehen: Satzgefüge sind böse, Konjunktionen sind der Feind. Beides muss ausgemerzt werden. Weil wir nach all dem bildungspolitischen Stillstand nicht mehr in der Lage sind, komplexe Sätze zu verstehen? Weil die Welt keine Sätze mehr druckt, die mehr als zehn Worte beinhalten? Man weiß es nicht, fest steht aber: »16 Jahre bildungspolitischer Stillstand sind genug. Deutschland braucht eine Bildungsrevolution. Nie gab es mehr zu tun.« Das klingt ein bisschen wie eine Drohung, nicht? Wäre ich ein Nebensatz, ich würde meine ganzen kleinen Kommas einpacken und auswandern. Zügig.