Hohe Energiepreise verschärfen politische Konflikte bei der Klimapolitik

Ein teurer Winter

Die Energiepreise steigen. Das macht das Heizen teurer, treibt die Inflation hoch und verschärft Konflikte über die Klimapolitik.

Die Heizpreise steigen in diesem Jahr besonders stark, aber zumindest bekommen die Mieter bald Hilfe beim Sparen. Bis Ende 2026 müssen alle Zähler zur Erfassung des Energieverbrauchs in Privatwohnungen digital aus der Ferne ablesbar sein. Das sieht eine Verordnung der Bundesregierung vor, über die am Freitag vergangener Woche der Bundesrat abgestimmt hat. Dadurch sollen Bewohner zukünftig per Post, App oder E-Mail monatlich über ihren Energieverbrauch auf dem Laufenden gehalten werden, inklusive einem Vergleich zum Vormonat und Vorjahresmonat sowie Informationen zum Durch­schnittsverbrauch, Brennstoffmix und den erhobenen Abgaben. »Ziel ist es,« heißt es im Beschluss des Bundesrats, die Mieter »zu einem bewussten und sparsamen Umgang mit Wärmeenergie anzuregen«.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán sagte über die ­EU-Kli­ma­pläne, sie würden zu höheren Preisen führen und damit »die euro­päische Mittel­schicht zerstören«.

Die Sache hat einen Haken: Die anfallenden Kosten für eine solche digitale Verbrauchserfassung muss ebenfalls der Mieter tragen. Das kritisierte Melanie Weber-Moritz vom deutschen Mieterbund. Bereits die Kosten der Anfang des Jahres eingeführten CO2-Bepreisung sei komplett den Mietern aufgebürdet worden. Die Bundesregierung hatte zum 1. Januar eine CO2-Abgabe für Erdöl, Gas und Kohle eingeführt, um deren Verbrauch sukzessive zu verteuern. Zunächst wolle man, hieß es damals, mit einem Preis von 25 Euro pro Tonne CO2 starten und diesen dann bis 2025 auf 55 Euro pro Tonne erhöhen. Die dadurch entstehenden Mehrkosten sollten, so versprach damals die Bundesregierung, zu gleichen Teilen von Mietern und Vermietern getragen werden. Doch im Juni stellte sich heraus, dass die Unionsfraktion im Bundestag das ablehnte; die Zusatzkosten zahlen jetzt allein die Mieter. Bei denen solle ja schließlich auch eine »Verhaltenslenkung« erwirkt werden, sagte damals der Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Thorsten Frei, der Nachrichtenagentur dpa.

Aber auch ungeachtet dessen wird Heizen teurer. Wie das Preisvergleichs­portal Check24 am Freitag voriger Woche meldete, haben bereits 120 Grundversorger in Deutschland ihre Gaspreise erhöht. Die Preiserhöhungen betreffen 850 000 Haushalte und liegen bei durchschnittlich 18,3 Prozent des Vorjahrespreises. Wer mit Öl heizt, muss der gemeinnützigen Beratungsgesellschaft Co2online zufolge sogar mit einem Preisanstieg von 44 Prozent in diesem Jahr rechnen.

Die steigenden Energiepreise sind auch Thema bei den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen. So fordern verschiedene Politiker der Grünen und der SPD, die Mehrkosten, die durch die jedes Jahr steigende CO2-Abgabe entstehen, gerechter auf Mieter und Vermieter zu verteilen. Der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft, also der Vermieterlobby, Axel Gedaschko, sagte dem Handelsblatt jedoch, Gebäudeeigentümer sollten nur »durch entsprechende Investitionen in einen klima­neutralen Gebäudebestand« einen Beitrag zur CO2-Einsparung leisten. Die FDP hatte eine Kostenbeteiligung der Vermieter stets abgelehnt und schlägt jetzt ein Modell vor, bei dem Heizkosten in Grundkosten und nutzungsab­hängige Kosten aufgeteilt werden würden. Letztere würden dann die Mieter tragen – ein Modell, das sich kaum von der geltenden ­Regelung unterscheidet.

Derzeit sind die Energiepreise weltweit sehr hoch. Das ist zumindest teilweise konjunkturbedingt: Weil nach der Rezession des vergangenen Jahres die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt, steigt die Energienachfrage stark an, insbesondere in Asien. In Europa kommen noch andere Faktoren hinzu: Ein kalter Winter im vergangenen Jahr und die vorzeitige Stilllegung des Gasfeldes in Groningen in den Niederlanden haben die Gasspeicher geleert. Viele werfen auch dem russischen Gaskonzern Gazprom vor, nicht ausreichend auf die gestiegene Nachfrage in Europa zu ­reagieren. Die russische Regierung wiederum gibt den Vorwurf zurück – die europäischen Abnehmer hätten zu wenige langfristige Lieferverträge abgeschlossen.

Die hohen Heizöl-, Gas-, Strom- und Benzinkosten belasten die europäische Industrie, vor allem aber Verbraucher, und haben zu einem Anstieg der Inflationsrate in der Euro-Zone auf 4,1 Prozent beigetragen. Am 13. Oktober stellte die EU-Kommission eine Reihe von Maßnahmen vor, mit denen die Mitgliedsstaaten ihre Bevölkerung und Unternehmen angesichts der steigenden Preise entlasten können, etwa durch Sonderzahlungen an arme Verbraucher oder gewisse Subventionen für Unternehmen. In Frankreich etwa erhalten Haushalte mit niedrigen Einkommen dieses Jahr 100 Euro von der Regierung.

Die EU will damit auch Forderungen von unter anderem Spanien, Frankreich und Griechenland zuvorkommen, die Wettbewerbsregeln auf dem Energiemarkt zu revidieren und beispielsweise einen gemeinsamen EU-Einkauf von Gas einzuführen. Andere Länder, darunter Deutschland, lehnen dies ab; sie argumentieren, die derzeitige Krise sei nur temporär. Verhandlungen der EU-Mitgliedsstaaten am 26. Oktober über dieses Thema endeten ohne Einigung.

Die Frage ist auch deshalb politisch brisant, weil sich jene bestärkt fühlen, die angesichts steigender Energiepreise die EU-Pläne zur Dekarbonisierung revidieren wollen. Die Pläne der EU-Kommission, etwa den Emissionshandel zukünftig auf weitere Branchen auszuweiten, bezeichnete der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán als »utopische Phantasien«. Die Klimapläne der EU würden zu höheren ­Preisen führen und damit »die europä­ische Mittelschicht zerstören«, sagte ­Orbán bei Verhandlungen in Brüssel am 22. Oktober.

In Deutschland stellt nur die AfD derart grundsätzlich die angestrebte Klimapolitik in Frage. Doch auch der CSU-Vorsitzende Markus Söder forderte am Sonntag, die Mehrwertsteuer auf Benzin und Diesel auf sieben Prozent zu senken. Außerdem solle die Umlage aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die Strom aus umweltschädlichen Produktionsweisen verteuert, temporär gestrichen werden. Es müsse verhindert werden, dass »aus der ökologischen eine dauerhafte soziale Frage« werde, so Söder. Die steigenden Energiepreise verschärfen also jetzt schon die Diskussion darüber, welche Kosten die Umstellung auf erneuerbare Ener­gien in den nächsten Jahren verursachen darf und wer diese tragen soll.