Synthetische Sonne
Düstere Töne dringen aus den Lautsprechern, wenn die inzwischen zum Trio geschrumpften Suuns aus Kanada mit »Third Stream« zu ihrem neuen, fünften Album anheben. Doch die dem Soundtrack eines Films von David Lynch gleichende Klangästhetik des ersten Stücks erweist sich als Maskerade. Statt auf akustische Überwältigung setzt das Album »The Witness« auf eine aufs Wesentliche reduzierte Instrumentierung, bestehend aus Drumcomputern und Synthesizern.
So beginnt auch das in Anlehnung an den Albennamen betitelte Stück »Witness Protection« wie abstrakte Electronica, lässt sich dann aber von einem trockenen, fast jazzigen Schlagzeug von der sterilen Eröffnung zum warmen Schimmern verhallter Gitarrenakkorde führen, um dann in waberndem Hall zu zerfasern und schließlich unvermittelt abzubrechen. Ähnliche Kontraste finden sich beim schwirrenden »Go to My Head«.
Zentral für das Klangbild von »The Witness« ist die Androidenstimme von Sänger Ben Shemie. Mal mehr, mal weniger durch pitch correction und andere Effekte verfremdet, erinnert sie eher an die mechanisch vorgegaukelte Emotionalität zeitgenössischer Chart-Hits als an die Roboter von Kraftwerk. Statt das Sterile des Sounds zu vermenschlichen, betont der Gesang hier die Anpassung des Menschlichen an eine äußere Ordnung – auf dem Album an die der Komposition, im übertragenen Sinne die an die technisierte Gesellschaft. So schmiegt sich das Organische der Stimme umso passgenauer um das synthetisch generierte Skelett der Tracks. Hier soll es keinen autonomen Ausdruck des in die Maschinerie eingespannten Subjekts mehr geben. Dennoch gelangen Suuns dadurch, dass sie die Position distanzierter Beobachtung einnehmen, umso freier dazu, die Wahrheit über das Gesehene auszusprechen. Das macht sie nicht nur musikalisch, sondern auch konzeptionell höchst relevant.
Suuns: The Witness (Joyful Noise)